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Klippschliefer

Wie bei vielen anderen Tieren, die in Europa unbekannt waren, wurden bei Bibelübersetzungen verschiedene Namen heimischer Arten verwendet, um ein Tier zu benennen, von dem man nur wusste, dass es auf und zwischen den Felsen lebt.

Das hebräische Wort schafan (3Mo 11,5; 5Mo 14,7; Ps 104,18; Spr 30,26) bezeichnet den Klippschliefer oder Wüstenschliefer (Procavia capensis), genauer gesagt dessen Unterart Procavia capensis syriaca, die in Syrien, Israel, Jordanien und dem Libanon vorkommt. Man vermutet, dass es sich von der gleichen Wortwurzel wie zaphan (z. B. Jos 2,4; Ps 27,5) ableitet, was so viel wie »geborgen, versteckt, sicher verwahrt« bedeutet.

krabbel:gruppe – Sie sehen so knuffig aus und sind so wenig bekannt, dass der Autor hier am liebsten eine ganze Bildergalerie eingestellt hätte. Aber leider spielen »die Kleinen der Erde« (Spr 30,24) auch in der Bibel nur eine kleine Rolle.

klippen:sippen

Es handelt sich um ausgesprochene Exoten, für die im Lauf der Geschichte verschiedene Synonyme in Umlauf waren. Der lateinische Name Procavia deutet eine Verwandtschaft mit dem Meerschweinchen an, ihr griechischer Name Hyrax bezeichnet auch die Spitzmaus. In der LXX wird einmal choirogryllios (3Mo 11,6) und ein anderes Mal mit dasypous (5Mo 14,7) angegeben, was beides den Hasen bezeichnet, Luther übersetzt mit »Kaninchen« und andere deutsche Bibeln mit »Klippdachs« oder »Murmeltier«. Was jedoch die biologische Klassifikation angeht, sind alle diese Namen irreführend, denn die Ordnung der Schliefer (Hyracoidea) ist genetisch weit entfernt von Nagetieren wie Mäusen, Murmeltieren, Hasen und Kaninchen und noch weiter entfernt von Raubtieren wie dem Dachs. Wer alle Organismen in einem gemeinsamen »Stammbaum des Lebens« darstellen möchte, hat wenig Freude an diesem Unikum und muss es zu anderen Sonderlingen in eine Außengruppe sortieren. So sind aus heutiger Sicht Elefant und Seekuh (!) die nächsten Verwandten des Schliefers. Wie sich diese doch recht unterschiedlichen Formen in erdgeschichtlich relativ kurzer Zeit auseinanderentwickelt haben sollen, ist allerdings ein Mysterium.

klipp:und:klar An der Zuordnung der Klippschliefer zur hebräischen Bezeichnung schafan gibt es heute keinen Zweifel mehr. Diese Gruppe lebt im EnGedi-Nationalpark am Westufer des Toten Meeres.

Schaphan (24x) kommt außerdem als Name vor. Ein wichtiger judäischer Regierungsbeamter zur Zeit von König Josia hieß so und er wird auch später noch mehrfach erwähnt, weil seine Nachkommen ebenfalls hohe Ämter bekleideten. In 2. Könige 22,14 kommen in einem Vers Maus (Akbor), Maulwurfsratte (Hulda) und Klippschliefer (Schaphan) als Name vor – als ob das gerade in Mode gewesen wäre.

schliefer:konditionen

Die angesprochene biologische Sonderstellung zeigt sich in vielfacher Hinsicht. Klippschliefer kommen nur dort vor, wo geeignete Felsen mit Klüften und Höhlen sind – ähnlich wie die Murmeltiere. Sie ernähren sich rein pflanzlich und haben getrennte Wiederkäuer-Mägen, weshalb man sie bis ins 19. Jahrhundert zu den Huftieren zählte. Im 20. Jahrhundert nahm man sie, zusammen mit den Elefanten und Seekühen, wieder dort heraus und erklärte sie zu Fast-Huftieren (Paenungulata). Ihr Sozialverhalten gleicht dem der Erdmännchen und ihr Äußeres (da muss man Luther zustimmen) den Kaninchen – mit gespaltener Oberlippe, Mümmelbewegungen und flauschigem Fell. Hinsichtlich ihrer weiterwachsenden »Stoßzähne« ähneln sie hingegen Elefanten, Nilpferden, Schweinen und anderen Tieren.

un:gebiss – Wenn er »lächelt«, zeigt der Klippschliefer (Procavia capensis) seine besonderen Eckzähne, mit denen er den Taxonomen Kopfschmerzen bereitet. Sie entsprechen weder den langen Schneidezähnen der Nager, noch den ausgeprägten Reißzähnen der Raubtiere, sondern eher den Stoßzähnen der Elefanten. Und so landete das kleine Kerlchen auf einem Ast des Stammbaums, wo man ihn kaum vermuten würde.

Im Speisegesetz werden sie als unrein deklariert (3Mo 11,5; 5Mo 14,7), wodurch sie als Jagdwild nicht von Interesse waren. Damit aber nicht genug: Zwei weitere Verse bringen Erstaunliches zutage. Im Buch der Sprüche beschreibt Agur vier Tierarten, die er als »die Kleinen der Erde« bezeichnet, die zwar unscheinbar sind, aber »mit Weisheit wohl versehen« (Spr 30,24). Dort heißt es von den Klippschliefern: Sie sind »ein nicht kräftiges Volk, und doch setzen sie ihr Haus auf den Felsen« (Spr 30,26). Viele Ausleger haben den Vers so interpretiert, dass sich die Weisheit des Klippschliefers darin zeigt, dass er seine Behausung auf den Felsen baut. Das wurde dann gerne mit dem »klugen Bauherren« (Mt 7,24) in Verbindung gebracht. Wenn man aber die Gewohnheiten dieser Tiere studiert, wird klar, dass diese Deutung abwegig ist und treffender übersetzt werden sollte: »sie leben auf den Felsen« (vgl. Contemporary English Version, CEV). Der Klippschiefer baut nichts auf den Felsen, ja, er kann weder bauen noch graben – denn seine Füße, die anatomisch gesehen tatsächlich Hufe sind, eignen sich dazu gar nicht. Stattdessen sucht er nachts Unterschlupf in den Spalten und Höhlen zwischen und unter den Felsen, wie es auch an anderer Stelle treffend beschrieben wird: »Die hohen Berge geben dem Steinbock Zuflucht und die Felsklüfte dem Klippdachs« (Ps 104,18 Lu). Dieses geschickte Verbergen hat ihm vielleicht seinen Namen eingebracht.

Das erstaunliche an der Lebensweise der Klippschliefer ist, dass sie in ihrer kargen Umgebung mit einem sehr effizienten Energiestoffwechsel unterwegs sind. Sie verbringen weniger als eine Stunde am Tag mit der Nahrungssuche. Das funktioniert aus drei Gründen: Erstens sind sie den größten Teil des Tages inaktiv und schlafen, weswegen die Buren sie in Südafrika »slaper« (Schläfer) nennen. Zweitens liegen sie dabei auf dem nackten Felsen in der prallen Sonne und lassen sich wärmen und drittens haben sie eine stark schwankende Körpertemperatur und lassen sich jede Nacht in ihrer kühlen Höhle in eine Art »Winterschlaf« fallen. Agur staunt, dass sie sich praktisch den ganzen Tag auf dem Felsen, das heißt ohne Deckung, aufhalten, obwohl sie ganz und gar wehrlos (und auch nicht besonders schnell) sind. Warum können es sich diese appetitlichen Faulpelze leisten, den ganzen Tag unter den hungrigen Augen kreisender Greifvögel, lauernder Raubkatzen und gefährlicher Schlangen in der Sonne zu dösen?

berg:wacht – Alarm!!! Der Wächter hat eine Bedrohung entdeckt und stößt ein durchdringendes Warnsignal aus, das den Code für die Art der Bedrohung (Greifvogel, Schlange, Raubtier etc.) enthält. Das erinnert ein wenig an die Schautafeln zu Sirenensignalen (Luftalarm, ABC-Alarm, Entwarnung …), die in Zeiten des Kalten Krieges in jeder westdeutschen Schule hingen. Zum Glück wurde das nie gebraucht, aber bei den Dassies gibt es häufig Alarm und es ist lebenswichtig, das Signal richtig zu verstehen.

Dafür sind mehrere Anpassungen nötig: Erstens halten immer einige Tiere Wache, während die anderen schlafen. Zweitens können die Wächter mit verschiedenen Lauten ganz exakt angeben, was für eine Art Bedrohung sich nähert und aus welcher Richtung sie kommt, und zu guter Letzt verfügen sie über eine geniale Vorrichtung, die in dieser Form einzigartig ist: das Auge des Klippschiefers hat eine zusätzliche Sonnenblende (Umbraculum), die sich bei starkem Lichteinfall schützend über die Pupille schiebt. Deswegen kann der Wächter direkt in die hellstrahlende Sonne schauen und anfliegende Greifvögel erkennen. Zu deren bewährter Jagdstrategie gehört es, im Sturzflug, mit der hochstehenden Sonne im Rücken anzugreifen. Dabei ist ihr Profil am kleinsten, der Schatten bewegt sich am Boden kaum und ihr Opfer wird von der Sonne geblendet – nur bei dem Klippschliefer funktioniert das nicht! Wenn der Alarm ertönt, wird das Sonnenbad hektisch unterbrochen und die ganze Kolonie verschwindet mit wenigen Sprüngen in ihren »Luftschutzbunkern«.

rück:blende – Das ist nichts für schwache Nerven! Die Augen von Klippschliefern wurden in verschiedenen Stellungen des Umbraculums entnommen, in der Frontalebene halbiert, auf eine Lichtplatte gelegt und fotografiert. Auf dem Bild schaut man also von hinten in das aufgeschnittene Auge. Links oben ist das schwarze Schirmchen ganz geöffnet und rechts unten, wie beim Blick in die Sonne, fast vollständig geschlossen (aus: Millar 1973).
allzeit:breit – Dank ihrer eingebauten Sonnenbrille können die Klippschliefer mit offenen Augen schlafen. Sie werden nicht geblendet und nehmen trotzdem noch verräterische Bewegungen in ihrem Umfeld wahr. Sobald eine unerwartete Kontur in ihrem Blickfeld auftaucht oder ein Alarmruf ertönt, sind sie hellwach.

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Der besondere Lichtschutzmechanismus des Klippschliefers wird in der Bibel nicht erwähnt, aber er illustriert, was geistlich bei der Wiedergeburt mit Menschen geschieht. Sie können plötzlich »mit unverhülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen« (2Kor 3,18 SB). Schon Mose bat Gott: »Lass mich doch deine Herrlichkeit sehen!«, musste aber hören: »Du vermagst nicht mein Angesicht zu sehen, denn nicht kann ein Mensch mich sehen und leben« (2Mo 33,18.20). Aber in dem Herrn Jesus, »der das Bild des unsichtbaren Gottes ist« (Kol 1,15), wurde genau das möglich: »Kein Mensch hat jemals Gott gesehen. Doch sein einziger Sohn, der selbst Gott ist und in enger Gemeinschaft mit dem Vater lebt, hat ihn uns gezeigt« (Jh 1,18 Hfa). Deswegen konnte Er Seinem Jünger Philippus, der einen ähnlichen Wunsch äußerte wie Mose, antworten: »Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen« (Jh 14,9). Solange Menschen der Botschaft von Jesus nicht glauben, »können sie auch deren hellen Glanz nicht sehen – den Glanz, in dem Christus aufleuchtet, der das Bild Gottes ist« (2Kor 4,4 GN). Erst wenn ein Mensch umkehrt und Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in ihm einziehen, um dort zu wohnen (vgl. Jh 14,18.20.23), tritt er von sich aus in das Licht (Jh 3,20.21). »Denn so wie Gott einmal befahl: »Licht soll aus der Dunkelheit hervorbrechen!«, so hat sein Licht auch unsere Herzen erhellt. Jetzt erkennen wir klar, dass uns in Jesus Christus Gottes Herrlichkeit entgegenstrahlt« (2Kor 4,6 Hfa) – und jubeln: »Bei dir ist die Quelle allen Lebens, in deinem Licht sehen wir das Licht« (Ps 36,10 NGÜ).

schlaf:rock – Der »Fels der Zuflucht« ist ein oft verwendetes Symbol in den Psalmen. Die Klippschliefer erleben ganz praktisch, wie wichtig es ist, einen sicheren Zufluchtsort zu haben, der immer erreichbar ist (Ps 104,18).

Quellennachweis:

Brown KJ; Downs, CT: Basking behaviour in the rock hyrax (Procavia capensis) during winter. African Zoology 2007; 42(1):70-79; doi: 10.1080/15627020.2007.11407379

Eley, RM: The hyrax: a most mysterious mammal. Biologist 1994; 41(4):141-144; https://www.researchgate.net/profile/Robert-Eley/publication/235622778_The_hyrax_-_a_most_mysterious_mammal/links/542fa4f20cf277d58e91fa1f/The-hyrax-a-most-mysterious-mammal.pdf

Johnson, GL: I. Contributions to the comparative anatomy of the mammalian eye, chiefly based on ophthalmoscopic examination (S. 27). Philosophical Transactions of the Royal Society of London 1901; Series B, Containing Papers of a Biological Character, 194:1-82; doi: 10.1098/rstb.1901.0001

Koren, L; Geffen, E: Complex call in male rock hyrax (Procavia capensis): a multi-information distributing channel. Behavioral Ecology and Sociobiology 2009; 63:581-590; doi: 10.1007/s00265-008-0693-2

Kruger, DJD; Weldon, C; Minter, LR: Morphology of the elygium and developing umbraculum in the eye of Amietia vertebralis tadpoles. Journal of Morphology 2013; 274:551-556; doi: 10.1002/jmor.20115

McNairn, IS; Fairall, N: Metabolic rate and body temperature of adult and juvenile hyrax (Procavia capensis).

Comparative Biochemistry and Physiology Part A: Physiology 1984; 79(4):539-545; doi: 10.1016/0300-9629(84)90444-4

Millar, RP: An unusual light-shielding structure in the eye of the dassie, Procavia capensis Pallas (Mammalia: Hydracoidea). Annals of the Transvaal Museum 1973; 28(11):203-206; doi: 10.10520/AJA00411752_258

Remmers, A: Die Herrlichkeit Zions. Ermunterung & Ermahnung 2015; Heft 9

Taylor, CR; Sale, JB: Temperature regulation in the hyrax. Comparative Biochemistry and Physiology 1969; 31(6):903–907; http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/0010406X6991799X

Bildnachweis:

Wikipedia: Klippschliefer in Israel / Mike Bannert

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Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer

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