Menu Close

Hirsche und Gazellen

Zu den reinen Tieren, die zwar nicht geopfert, aber gejagt und gegessen werden durften, zählen die Hirsche und Gazellen. Elan, Anmut, Schnelligkeit und Leichtfüßigkeit werden nicht nur immer wieder mit ihnen in Zusammenhang gebracht, sondern auch besungen.

Für Nicht-Waidmänner ist es keine einfache Aufgabe, zwischen Rot-, Dam- und Rehwild zu unterscheiden. Die in Südeuropa und Vorderasien vorkommenden Arten der Familie der Geweihträger oder Hirsche (Cervidae) sehen recht ähnlich aus. Das Rotwild war (und ist) in Israel durch den Kaukasushirsch (Cervus elaphus maral), das Damwild durch den Mesopotamischen Damhirsch (Dama mesopotamica) und das Rehwild durch das Kurdische Reh (Capreolus capreolus coxi) vertreten, das heute nur noch in Zoologischen Gärten lebt.

haupt:rolle – Ein Mesopotamischer Damhirsch (Dama mesopotamica) springt durch den Wald. Dieses Rollsiegel aus dem Mittelassyrischen Reich (ca. 1.300 v. Chr.) besteht aus dem Mineral Chalcedon. Das darin eingravierte Bild wird erst erkennbar, wenn es über eine weiche Masse gewälzt wird. Zu diesem Zweck ist der Zylinder durchbohrt und kann auf ein Holzstäbchen gesteckt werden.

äse:wild

Einiges spricht dafür, dass die hebräische Bezeichnung ajal (11x) den Hirsch im Allgemeinen, ajala / ajelet (10x) die Hirschkuh und jachmur (5Mo 14,5; 1Kön 5,3) den Damhirsch bezeichnet. Zwei verschiedene Orte in Israel tragen den Namen Ajjalon, »Hirschfeld«, und Ajjelet, die Hirschkuh (ein veralteter Begriff ist »Hindin«), er begegnet uns in der Überschrift von Psalm 22. Der Ortsname Ophra könnte sich von der Bezeichnung opher (5x) für die Jungtiere von Hirschen und Gazellen herleiten oder sich ebenso aus der Wurzel afar (Sand, Staub) ableiten, was sich vielleicht auf die Fellfarbe bezieht. Der Name Tabitha (oder Tabea) wird mit dem griechischen Dorkas (Apg 9,36-40) übersetzt, einer Bezeichnung für das Reh.

Gazellen stehen ebenfalls in der Gruppe der Stirnwaffenträger (Pecora), gehören aber nicht zu den Geweih-, sondern zu den Hornträgern (Bovidae). In Verhalten und Habitus ähneln sie allerdings den Hirschartigen, möglicherweise wurden sie auch sprachlich nicht klar unterschieden. In Israel und den umgebenden Regionen sind eine ganze Reihe von Arten heimisch: die Palästina-Berggazelle (Gazella gazella gazella), Akaziengazelle (Gazella gazella acaciae), Dorkasgazelle (Gazella dorcas), Sandgazelle (Gazella marica) und die Persische Kropfgazelle (Gazella subgutturosa subgutturosa). Alle Gazellen sind Antilopen (Tribus: Antilopini), aber nicht alle Antilopen gehören zur Gattung der Gazellen (Gazella). Die Arabische oder Weiße Oryx (Oryx leucoryx) und die Mendesantilope oder Addax (Addax nasomaculatus) sind im engeren Sinn weder Antilopen noch Gazellen, sondern gehören zu den Pferdeböcken (Tribus: Hippotragini). Alle Arten sind gut an das Leben in der Wüste und Halbwüste angepasst.

horn:laut – Die prächtigen Wellhörner der Mendesantilope oder Addax (Addax nasomaculatus) können über einen Meter lang werden und zieren sowohl die Männchen als auch die Weibchen. Die Juden verarbeiten sie bis heute zum Schofarhorn, das zum Beginn des Neujahrsfestes (Rosch ha-Schana) und am Ende des Großen Versöhnungstages (jom kippur) geblasen wird. In der Elberfelder Übersetzung (ÜElb) wird dieses Blasinstrument durchgehend mit »Posaune« (59x) übersetzt.

Im Hebräischen bezeichnet zebi (14x) die Gazelle im Allgemeinen – das Wort kommt in weiteren 18 Versen mit der Bedeutung von »Zierde, Pracht, Herrlichkeit« vor – die Form zebja (Hld 4,5; 7,4) bezeichnet die weiblichen Tiere. Es kommt außerdem in der Form Zibja als Männer- (1Chr 8,9) und Frauenname (2Kön 12,2; 2Chr 24,1) vor und in der Mehrzahl Zeboim als Ortsname (1Mo 10,19; 14,2.8; 5Mo 29,22; Hos 11,8). In der Liste der zurückkehrenden Exilanten findet sich auch noch der Name Pokeret Zebaim – »Gazellenfänger« (Esr 2,57; Neh 7,59). Wahrscheinlich ist dischon (5Mo 14,5), das von dem Verb dusch (stampfen, treten) abgeleitet wird, eine Bezeichnung für die Addax- und Oryxantilope. Im Gegensatz zu den Gazellen, die allesamt Fluchttiere sind, setzen sie sich mit ihren langen Hornspießen und starken Hinterläufen entschlossen zur Wehr und schlagen mitunter sogar Löwen in die Flucht. In den Formen Dischon und Dischan kommt es insgesamt zwölfmal als Männername vor.

frech:dachs – Die meisten »Stirnwaffenträger« setzen Hörner und Geweihe hauptsächlich in Rivalitätskämpfen ein und suchen ihr Heil in der Flucht, wenn sie bedroht werden. Pferdeböcke sind sich ihrer Wehrhaftigkeit allerdings bewusst, und hier erteilt ein Spießbock (Oryx gazella) einem aggressiv gewordenen Honigdachs eine Lektion, die er so schnell nicht vergessen wird. In Israel kommt die sehr ähnliche, aber etwas heller gefärbte Arabische Oryx (Oryx leucoryx) vor.

Die Gämse (früher: Gemse, Jägersprache: Gams, Rupicapra rupicapra) kommt hauptsächlich in Hochgebirgen vor und war nie im Nahen Osten beheimatet. Sie taucht zwar noch in einigen Übersetzungen auf, in diesem Fall wurde aber nicht sorgfältig recherchiert (SB, Zü, AElb, ÜElb: Spr 5,19 / Lu: 5Mo 14,5 / GN: Hi 39,1).

gams:verkehrt – Die Gämse (Rupicara rupicara) ist ein hervorragender Kletterkünstler und gelangt im Hochgebirge an die unmöglichsten Stellen. In der Bibel hat sie allerdings nichts zu suchen.

hirsch:meckts

Die größte Bedeutung kam diesen Arten als jagdbares Wild zu. Jedes Tier, das sowohl zu den Paarhufern als auch zu den Wiederkäuern zählte, galt nach dem jüdischen Speisegebot als rein und durfte gegessen werden. Die entsprechenden Aufzählungen im Gesetz erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sind als Beispiele zu verstehen. In 5. Mose 14 werden in Vers 4 zuerst die Nutztiere genannt, die auch Opfertiere waren: »Rind, Schaf und Ziege« und dann in Vers 5 die Wildtiere: »Hirsch und Gazelle und Damhirsch und Steinbock und Antilope und Bergziege und Wildschaf«. Wenn Nutztiere zuhause geschlachtet wurden, ohne dass dies im Rahmen einer Opferhandlung geschah, heißt es deswegen, dass sie gegessen wurden »wie Gazelle und Hirsch« (5Mo 12,15.22; 15,22).

hunt:malerei Die Felsenzeichnungen von Satkunda im indischen Bundesstaat Gujarat stellen die Jagd mit Pfeil und Bogen dar. In dieser Form wird das »Weidwerk« seit Jahrtausenden betrieben.

Der hebräische Name Kenas (11x) bedeutet »Jäger«, ebenso das Wort zajid (1Mo 10,9; auch zajad: Jer 16,16), das außerdem die Jagd (1Mo 27,30) und in vielen Versen die Jagdbeute (z. B. 1Mo 27,3) bezeichnet. Es leitet sich von dem Verb zud (erjagen, fangen) ab, wurde aber später auch in allgemeinerer Bedeutung für Proviant (Jos 9,5.14) oder Lebensmittel (Neh 13,15) verwendet. Ein spezielleres Wort für das Jagdwild aus der gleichen Wurzel ist ziz (Ps 50,11; 80,14).

reh:zepte – Isaak liebte es (1Mo 25,28), Salomo ließ es an seiner königlichen Tafel servieren (1Kön 5,3) und bis heute erfreut sich das Wildbret großer Beliebtheit unter Feinschmeckern. Besonders die zarten Stücke aus dem Reh- oder Hirschrücken gelten als Delikatesse.

Jahrhundertelang galt Wildbret als besonders edle Speise und die Arten, die zum »Hochwild« zählten, blieben in Europa sogar dem Adel vorbehalten. Kein Wunder also, dass »Hirsche, Gazellen und Damhirsche« (1Kön 5,3) auch im täglichen Verbrauch der königlichen Speisetafel Salomos aufgezählt werden.

gazelle:bündchen

Das vorherrschende Schönheitsideal variiert von Kultur zu Kultur und ist zudem einem ständigen Wandel unterworfen. Was haben wir uns also konkret vorzustellen, wenn es zum Beispiel heißt: »Rahel aber hatte eine gute Figur und war wunderschön« (1Mo 29,17 NLÜ)? Wegen des Bilderverbots – »Mach dir überhaupt kein Abbild von irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder im Meer« (2Mo 20,4 GN) – gibt es nur wenig Malereien oder plastische Darstellungen aus dem alten Israel. Die Abbildungen benachbarter antiker Kulturen zeigen nahezu ausschließlich schlanke und hochgewachsene Menschen. Da dies auch bei den Darstellungen von Herrschern und hochgestellten Persönlichkeiten der Fall ist, die in der Regel im Sinne des Auftraggebers idealisiert wurden, darf man annehmen, dass dies der allgemeinen Wunschvorstellung entsprach.

hin:gucker – Anmut in Körperhaltung, Bewegung und Gesichtsausdruck sind das Kennzeichen fast aller Geweihträger. Der Name »Dorkasgazelle« (Gazella dorcas) klingt allerdings doppelt gemoppelt, da dorkas die griechische und gazzella die italienische Bezeichnung der gleichen Tiergruppe ist.

Statt grafischer und plastischer Darstellungen haben wir, was die israelitische Ästhetik betrifft, einige sprachliche Bilder in der Bibel: »Sie ist wie eine liebliche Gazelle, wie ein anmutiges Reh. Ihre Brüste sollen dich allezeit berauschen, ihre Liebe soll dich stets in Bann ziehen« (Spr 5,19 NLÜ), »Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem Jungen der Hirsche« (Hld 2,9) und »Deine beiden Brüste gleichen jungen Gazellen, Gazellenzwillingen, die zwischen den Lilien weiden« (Hld 4,5 SB). Wahrscheinlich kann der Verweis auf Hirsche und Gazellen als Beleg dafür angesehen werden, dass deren äußeres Erscheinungsbild das damalige Schönheitsideal widerspiegelt: schlanke, trainierte und straffe Körper, lange, schlanke Beine und Hälse, klarer, glatter Teint, hohe Wangenknochen, fein geschnittene Züge, große Augen und anmutige Bewegungen. Das kommt dem heute vorherrschenden Körperideal ziemlich nahe, sodass wir davon ausgehen können, dass wir eine junge Frau wie Rahel ebenfalls als gutaussehend bezeichnen würden.

doppel:kinn – Dieses, eigentlich typische, Antilopengesicht verwirrt den Betrachter dadurch, dass ein Madenhacker gerade mit der Körperpflege beschäftigt ist. Er hat sich eines der Ohren geschnappt und heruntergezogen, wodurch die Illusion eines zweiten Kopfes entsteht.

Ungeachtet dessen, wie sich Ideale und Moden entwickeln – ist es gut, sich an Gottes Kriterien zu erinnern: »Ich urteile nach anderen Maßstäben als die Menschen. Für die Menschen ist wichtig, was sie mit den Augen wahrnehmen können; ich dagegen schaue jedem Menschen ins Herz« (1Sam 16,7 Hfa). Das gilt auch in Bezug auf die weibliche Attraktivität, die in der Bibel durchaus hervorgehoben wird. In der Beschreibung der »idealen Frau« in Sprüche 31,10-31 werden zwar viele Merkmale aufgezählt, aber zu ihrem Aussehen wird nichts gesagt. Und in Bezug auf übertriebenes Styling heißt es: »Macht euch keine Sorgen um äußere Schönheit, die auf modischen Frisuren, teurem Schmuck oder schönen Kleidern beruht. Eure Schönheit soll von innen kommen – das ist die unvergängliche Schönheit eines freundlichen und stillen Herzens, das Gott so sehr schätzt« (1Pet 3,3.4 NLÜ). Selbst von dem Herrn Jesus wird prophetisch gesagt: »Er hatte keine Gestalt und keine Pracht, dass wir ihn angesehen hätten, und sein Aussehen war nicht so, dass er uns gefallen hätte« (Jes 53,2 Zü). Obwohl Er durch seine äußere Erscheinung niemanden beeindruckte, fand Er »Gefallen bei Gott und den Menschen« (Lk 2,52 Einh). In einer Gesellschaft, die von »Körperkult« und »Jugendwahn« geprägt ist, verhilft die Bibel uns zu einer Ausgewogenheit, in der wir unserem Schöpfer sowohl für Schönheit und Gesundheit danken als auch das Missfällige von Ihm annehmen und nicht überbewerten.

früh:starter

Der Geburtsvorgang von Antilopen und Gazellen ist im Prinzip nicht weniger kompliziert als der des Menschen. Er wird wie folgt beschrieben: »Sie krümmen sich, lassen ihre Jungen durchbrechen, entledigen sich ihrer Wehen. Ihre Kinder werden stark, wachsen auf im Freien; sie gehen fort und kehren nicht zu ihnen zurück« (Hi 39,3.4). Die Tiere wissen instinktiv, wie sie sich verhalten müssen, um diesen Prozess außerordentlich schnell ablaufen zu lassen. So sind sie nur für kurze Zeit in der hilflosen Situation, beim Auftauchen eines Räubers nicht sofort aufspringen und flüchten zu können. Die neugeborenen Jungtiere sind sehr schnell auf den Beinen und in der Lage, selbst zu laufen. Was für ein Wunder ist das – verglichen mit dem Training, das ein neugeborener Mensch braucht, bis er seinen ersten wackeligen Schritt gehen kann!

renn:tier – Das Kitz ist noch nass vom Fruchtwasser und der Nabelschnurrest baumelt ihm am Bauch herab – aber es steht bereits auf eigenen Beinen. Nachdem es sich sattgetrunken hat, wird es seiner Mutter zur Herde folgen und am nächsten Tag einfach mitwandern. Schon nach kurzer Zeit erreicht es die gleiche Höchstgeschwindigkeit wie die erwachsenen Tiere.

Bei den Rehen ist es anders. Das Kitz ist in der ersten Zeit hilflos. Die Mutter versteckt es im hohen Gras, wo es kaum entdeckt werden kann. Da es noch keinen Eigengeruch hat, können die Raubtiere es nicht wittern. Seine Ausscheidungen werden von der Mutter vollständig aufgenommen und auch das Gras, das etwas davon abbekommen hat, wird ordentlich abgeweidet, damit keine Duftspuren zurückbleiben.

lust:sprung

Die Geschwindigkeit und scheinbare Mühelosigkeit, mit der die leicht gebauten Hirsche und Gazellen daherspringen, beeindruckt jeden Beobachter. In dem Kapitel über Geparden (siehe S. 46) war von Thomson-Gazellen die Rede, die bis zu 90 km/h sprinten und damit die schnellsten Weidetiere sind. Diese Art kommt zwar in Israel nicht vor, aber die anderen Antilopen stehen ihnen kaum nach. Wenn es von einem der Top-Elitekämpfer König Davids heißt: »Asael, der so schnell laufen konnte wie eine Gazelle« (2Sam 2,18), und von einer ganzen Gruppe von Kriegern: »sie waren so schnell wie die Gazellen auf den Bergen« (1Chr 12,9 SB), sind das starke Vergleiche (die aber sicher nicht wörtlich zu verstehen sind). Schon einer der Segenssprüche Jakobs über seine Söhne und deren Nachkommen lautet: »Du, Naftali, gleichst einer Hirschkuh, die auf den Bergen frei umherläuft« (1Mo 49,21 GN). Neben ihrer Schnelligkeit sind Hirsche und Gazellen noch viel mehr um ihre Gewandtheit und Leichtfüßigkeit zu beneiden – wenn wir doch auch Hindernisse so problemlos überwinden könnten! Vielleicht hatte David dieses Bild vor Augen, als er dichtete: »mit meinem Gott werde ich eine Mauer überspringen« (2Sam 22,30; Ps 18,30). Im »Psalm Habakuks« heißt es: »Ja, Gott, der HERR, macht mich stark; er beflügelt meine Schritte, wie ein Hirsch kann ich über die Berge springen« (Hab 3,19 Hfa). Seine eleganten Sätze wirken ausgelassen und befreit, wie es in dieser herrlichen Zukunftsvision beschrieben wird: »dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und jubeln wird die Zunge des Stummen« (Jes 35,6).

sprung:kraft – Ein springender Rothirsch (Cervus elaphus) ist das Sinnbild für kraftvolle Dynamik. Die biblische Zukunftsvision »dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch« (Jes 35,6) klingt einfach unglaublich. Und doch zeigt Gott in einem Wunderzeichen, dass es genau so gemeint ist, als ein lahmgeborener Ü40-er im Namen Jesu aufsteht und umherspringt (Apg 3,1-10; 4,22).

jagd:horn

Die Bibel zeichnet allerdings kein einseitiges Bild eines unbeschwerten Daseins. Im Gegensatz zu Antilopen, die an einen extrem trockenen Lebensraum angepasst sind, brauchen Hirsche viel Wasser und leiden bei Dürre: »Wie ein Hirsch lechzt nach Wasserbächen, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott!« (Ps 42,2). Außerdem brauchen sie frisches Gras. Wenn die Weiden vertrocknen, beginnen sie zu wandern und verenden, wenn sie nicht rechtzeitig ergiebige Äsungen finden: »Und von der Tochter Zion ist all ihre Pracht gewichen; ihre Fürsten sind wie Hirsche geworden, die keine Weide finden, und kraftlos gingen sie vor dem Verfolger her« (Klg 1,6). Der Nachwuchs kann nur gesäugt werden, wenn die Muttertiere genug Futter bekommen. Sonst stoppt die Milchproduktion und die Kitze müssen zurückgelassen werden: »Ja, auch die Hirschkuh auf dem Feld, sie gebiert und verlässt ihre Jungen; denn kein Gras ist da« (Jer 14,5).

Hirsche und Antilopen sind zwar Stirnwaffenträger und sehen mit ihren spitzen Geweihen zum Teil bedrohlich aus, benutzen diese Waffen aber hauptsächlich, um ihre Rivalitäten untereinander auszufechten. Durch ihre Leichtbauweise und Verwundbarkeit haben sie selbst gegen viel kleinere Raubtiere wenig Chancen und fliehen, bis sie außer Sichtweite sind. Dieses Bild der panischen Flucht wird aufgegriffen, um zu beschreiben, wie eine Armee geschlagen wird: »Alle Menschen laufen dann auseinander wie aufgescheuchte Gazellen … Jeder versucht, zurück in seine Heimat und zu seinem Volk zu fliehen. Wen man auf der Flucht entdeckt und fasst, der wird mit dem Schwert niedergestochen« (Jes 13,14 Hfa). In ihrer Wehrlosigkeit spiegeln sie den Menschen angesichts des Gerichts Gottes wider: »An allen Straßenecken lagen deine Kinder hilflos da, wie Antilopen im Netz, überwältigt vom Zorn des HERRN« (Jes 51,20 Einh).

Bewegend ist, wie dieses Bild auf den Herrn Jesus angewandt wird: Das Motiv von Psalm 22 wird in der Überschrift angegeben: Ajjelet haSchachar – die Hirschkuh der Morgenröte. Es beschreibt die Erfahrung eines Menschen, der sich wie eine fast zu Tode gehetzte Hirschkuh fühlt. Nicht nur reißende und brüllende Löwen (V. 14.22), Hunde und Marodeure (V. 17.21), sondern auch wilde Stiere (V. 13.22) sind unter den Verfolgern. Die Situation erscheint hoffnungslos – und dennoch gibt es Rettung und für das entflohene Tier bricht ein neuer Morgen und ein neuer Tag an. Da der Psalm im Neuen Testament zitiert wird (Mt 27,43.46; Jh 19,24) und die mit einer Kreuzigung verbundenen Leiden darin erstaunlich treffend beschrieben werden, haben schon die ersten Christen seinen prophetischen Charakter erkannt und in ihm den Tod Jesu (V. 1-22a) und Seinen Sieg in der Auferstehung (V. 22b-32) gesehen. Wie auch die wehrlose Hirschkuh kein Geweih trägt, war Er unbewaffnet und floh nicht einmal, sondern ließ sich widerstandslos festnehmen und zur Hinrichtung führen.

Quellennachweis:

Mankarios, A: Schönheitsideale im Wandel der Zeit. Wissen.de, 10.10.2021; https://www.wissen.de/schoenheitsideale-im-wandel-der-zeit

Riesch, R; Martin, RA; Lerp, H: Size and sex matter: reproductive biology and determinants of offspring survival in Gazella marica. Biological Journal of the Linnean Society 2013; 110(1):116–127; doi: 10.1111/BIJ.12121

Stücklschweiger, M: Schönheit im Wandel der Zeit. Bachelorarbeit Universität Graz, 15.01.2015

Bildnachweis:

Wikipedia: Gämse / Giles Laurent // Mendesantilope / MathKnight // Impala mit Madenhacker / Muhammad Mahdi Karim // Rothirsch-Familie / Lviatour // kämpfende Hirsche / eike

andere Lizenzen: Titel – Rothirsch im Farn / shutterstock ID_410889532 / MZPHOTO. CZ // Jude mit Schofarhorn / shutterstock ID_1166123968 / David Cohen 156 // Spießbock schleudert Honigdachs weg / shutterstock ID_1651459831 / Dirk Theron // Hirschrücken / shutterstock ID_1367217872 / stockcreations // Dorkas-Gazelle / shutterstock ID_1491167945 / Azahara Perez // Geburt einer Gazelle / shutterstock ID_765823813 / Maks Maria // Springender Hirsch / shutterstock ID_1828916597 / Rolands Linejs // Jagdszene Höhlenmalerei / shutterstock ID_2083366819 / maradon 333

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer

Artigos similares[lang=en]Related articles[lang=de]Ähnliche Artikel