Wo keine Löwen sind, herrschen die Wölfe und wo die Wölfe fehlen, können sich Schakale und Füchse ausbreiten. Sie sind sich äußerlich sehr ähnlich und wurden in der Bibel sprachlich nicht eindeutig unterschieden.
Der Goldschakal (Canis aureus) ist ein enger Verwandter von Wölfen und Hunden, mit denen er sich auch kreuzt, obwohl man ihn vom Erscheinungsbild her eher den Füchsen zuordnen würde. Sein Äußeres kann stark variieren, sodass man ihn früher in zwölf Unterarten einteilte, wovon in Israel die Unterart des Syrischen Goldschakals (Canis aureus syriacus) lebt. Eine genetische Untersuchung der regionalen Unterschiede ergab allerdings, dass sich die Unterarten so marginal unterscheiden, dass man diese Unterteilung wieder verwarf. Übrigens lassen sich hin und wieder wandernde Goldschakale aus dem Balkan sogar in der Wildnis von Deutschland anhand von Kotproben nachweisen!
lokale:schakale
Die spitze Schnauze, der lange Schwanz und der gestreckte Körperbau haben dem Schakal seinen hebräischen Namen tannin (14x), mit der Bedeutung »langgestreckt« eingebracht. Dieser Ausdruck wird zwar auch für Seeungeheuer (möglicherweise Dinosaurier) und Schlangen verwendet, der Textzusammenhang macht aber klar, um was es jeweils geht. Interessant ist allerdings, dass die LXX einen Hang zur Dramatisierung von Gerichtssprüchen aufweist, der sich unter anderem darin zeigt, dass die tannin zu drakontas (Drachen, Jer 9,10; Klg 4,3; Mi 1,8) oder seirenes (Sirenen, mythologische Fabelwesen, Hi 30,29; Jes 13,22; 34,13; 43,20) werden. Das erscheint sehr weit hergeholt. Lediglich bei dem Namen Ajin-haTannin (Neh 2,13) lässt sich rätseln, ob besser »Quelle der Schakale« oder »Drachen-Quelle« übersetzt werden sollte. Eine weitere Bezeichnung für Schakale ist schu’al (6x). Dieses Wort wird in deutschen Übersetzungen überwiegend dem Fuchs zugeordnet und in der LXX immer als alopex wiedergegeben.

lang:säuger Bemerkenswert ist die lange Abhängigkeit der Schakal-Jungen von ihren Eltern. Während Hunde oft schon einen Monat nach ihrer Geburt recht selbstständig sind und mit einem halben Jahr fortpflanzungsfähig werden, sind junge Schakale ein halbes Jahr auf ihre Eltern angewiesen und werden erst mit zwanzig Monaten voll geschlechtsreif. Die Muttertiere säugen die Welpen etwa acht Wochen lang. Sollte anschließend Nahrungsknappheit herrschen, lässt die Milchproduktion erst langsam nach und der Nachwuchs bekommt weiterhin einzelne Rationen.

Auf dieses bemerkenswerte Verhalten wird in einem biblischen Vergleich hingewiesen: »Selbst Schakalmütter folgen ihrem Instinkt und geben ihren Jungen zu trinken; doch die Frauen meines Volkes sind grausam, gleichgültig wie Strauße in der Steppe.« (Klg 4,3 GN). Während die weiblichen Schakale ihre letzten Reserven aufbrauchen, um den Nachwuchs am Leben zu erhalten, beschreiben die Klagelieder einige Verse später eine Situation, in der die hartherzigen Frauen in Israel auf Kosten ihrer Kinder zu überleben versuchen: »Die Hände barmherziger Frauen haben ihre eigenen Kinder gekocht; sie dienten ihnen zur Nahrung« (Klg 4,10 SB, vgl. Klg 2,20). Von dieser dramatischen Szene lesen wir auch bei der Belagerung Samarias: »Gib deinen Sohn her, dass wir ihn heute essen; und meinen Sohn wollen wir morgen essen. Und so kochten wir meinen Sohn und aßen ihn« (2Kön 6,28.29). Es lohnt sich, diese Begebenheit im Zusammenhang zu lesen, denn er spiegelt auch unsere Zeit treffend wider. In der Stadt herrschen Not und Verzweiflung, man verlässt sich auf den Schutz ihrer Mauern, füttert trotz Hungersnot die letzten Streitrosse weiter durch, lebt ohne Hoffnung und opfert die eigenen Kinder – egoistisch wie die Straußweibchen, die sich nicht um ihren Nachwuchs scheren. Selbst wilde Tiere wie die Schakale zeigen mehr Zusammenhalt und Opferbereitschaft. Dabei ist die Rettung längst da, vor den Toren warten Vorräte und Reichtümer nur darauf, in Besitz genommen zu werden. Gott hat die Fenster des Himmels geöffnet, niemand muss verhungern – »dieser Tag ist ein Tag guter Botschaft« (2Kön 7,9). Es braucht nur Boten, die diese Botschaft verkündigen, und Zuhörer, die ihr glauben, den Schritt aus der trügerischen Sicherheit herauswagen und sich befreien lassen.
leer:gut Schakale sind sehr scheu, halten sich nach Möglichkeit weit von Siedlungen entfernt und meiden Begegnungen mit Menschen. Wie einige andere Wüstentiere werden sie aufgeführt, um die Verlassenheit und Unbewohnbarkeit zerstörter und verödeter Regionen zu betonen: »Hazor wird zur Wohnung der Schakale werden, zur Wüste in Ewigkeit; niemand wird dort wohnen und kein Menschenkind sich darin aufhalten« (Jer 49,33); »Und in seinen Palästen schießen Dornen auf, Nesseln und Disteln in seinen Burgen; und es wird zur Wohnstätte der Schakale, zur Wohnung der Strauße« (Jes 34,13) – um nur zwei Beispiele zu nennen. In Jeremia 14,1-9 wird eine furchtbare Dürrekatastrophe im Südreich Juda beschrieben. Die Lebensfeindlichkeit des vertrockneten Landes zeigt sich darin, dass selbst die typischen Wüstenbewohner zugrundegehen: »Und Wildesel stehen auf kahlen Höhen, wie die Schakale schnappen sie nach Luft, ihre Augen sind erloschen, denn da ist kein Kraut« (Jer 14,6 Zü). Auch wenn der Schakal gut an das Leben in den öden Halbwüsten angepasst ist, ist es auch für ihn leichter, wenn die Landschaft nach der Regenzeit grünt und blüht. Bei all den Erwähnungen im Zusammenhang mit Gottes Gericht über Länder und Völker gibt es auch für die Schakale einen hoffnungsvollen Ausblick: »Die Tiere des Feldes werden mich preisen, Schakale und Strauße; denn ich werde Wasser geben in der Wüste, Ströme in der Einöde, um mein Volk zu tränken, mein auserwähltes« (Jes 43,20).

Quellennachweis:
Hahn, R: Wilde Hunde auf der Balkan-Route. Frankfurter Allgemeine, 15.01.2021; https://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/goldschakale-in-deutschland-gesichtet-17147295.html?service=printPreview
Macdonald, DW: The flexible social system of the golden jackal, Canis aureus. Behavioral Ecology and Sociobiology 1979; 5:17-38; doi: 10.1007/BF00302692
Zootierliste. aufgerufen am 21.07.2023: https://www.zootierliste.de/index.php?klasse=1&ordnung=115&familie=11509&art=1120122
Bildnachweis:
Wikipedia: Goldschakal / Mattb13 andere Lizenzen: Titel Goldschakal / shutterstock ID_512846251 // Vladimir Kogan Michael // Schabrackenschakal mit Jungen / alamy ID_B95FEK / Ben Dilley
Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer
