Zwar gibt es im Nahen Osten keine einheimischen Affen, aber sie werden in der Bibel als exotische Importware erwähnt, die zusammen mit weiteren Luxusgütern an Bord der Tarsis-Flotte König Salomos nach Israel kamen.

Unter König Salomo erblühte der Fernhandel des israelischen Reiches: »Denn der König hatte eine Tarsis-Flotte auf dem Meer mit der Flotte Hirams; einmal in drei Jahren kam die Tarsis-Flotte, beladen mit Gold und Silber, Elfenbein und Affen und Pfauen« (1Kön 10,22, vgl. 2Chr 9,21). Diese Schiffe fuhren möglicherweise bis ins ferne Sri Lanka oder liefen zumindest Umschlagplätze an der Küste des Indischen Ozeans an, wo man sich mit singhalesischen Händlern traf. Die erwähnten Pfauen haben jedenfalls ihren Ursprung in Sri Lanka und werden in dem Vers mit ihrem dort gebräuchlichen Namen tukki bezeichnet. Auch die lange Dauer der Seereise weist auf eine weite Entfernung hin. Zu guter Letzt gab es dort bis in die Neuzeit hinein große Populationen des Ceylon-Elefanten (Elephas maximus maximus), dessen Elfenbein exportiert wurde, und einige Gelehrte führen das hebräische Wort kof, das den Affen bezeichnet, ebenfalls auf seinen tamilischen Namen zurück.
Sollten diese Annahmen zutreffen, wäre der Südliche Hanuman-Langur (Semnopithecus priam) ein plausibler Kandidat. Sie leben als Kulturfolger in menschlichen Siedlungen und gelten in Indien und Sri Lanka als Verkörperung der Gottheit Hanuman – und damit als heilig und unantastbar. Ihr griechischer Name Semnopithecus bedeutet »würdevoller Affe« (vgl. würdevoll = semnos: Tit 2,2). Sie verhalten sich tatsächlich ruhig und würdevoll und sind so an das Zusammenleben mit Menschen gewöhnt, dass ihnen Paläste als »natürliche Umgebung« erscheinen.

Ebenfalls denkbar, aber in diesem Kontext weniger wahrscheinlich, ist, dass es sich bei den Affen um Mantelpaviane (Papio hamadryas) handelte. Diese waren aber im benachbarten Ägypten weit verbreitet, wohin es einen intensiven Warenverkehr auf dem Landweg gab, und hätten nicht per Schiff aus weiter Ferne eingeführt werden müssen. Außerdem sind sie als Haustiere weniger geeignet, weil sie aufdringlich sind, schnell aggressiv werden und dann äußerst gefährlich sein können.


hand:fest
Es wäre spannend zu wissen, warum Salomo sich ausgerechnet Affen an seinen Königshof bringen ließ. Da die Bibel ihn als vielseitigen Naturkenner beschreibt (1Kön 5,13), der die Schöpfung in dem Selbstverständnis »der Könige Ehre ist es, eine Sache zu erforschen« (Spr 25,2 Lu) unter die Lupe nahm, lässt sich zu Recht vermuten, dass er in diesen Tieren interessante Untersuchungsobjekte sah. Ob es wissenschaftliche Gründe dafür gibt, dass der Mensch sich selbst durch die moderne Evolutionsbiologie »zum Affen macht«, ist in anderen Artikeln Thema, aber ihr Studium ist tatsächlich aufschlussreich, da sie sich in vielerlei Hinsicht menschenähnlich verhalten. Sicher hätte es den Philosophen Salomo interessiert, zu hören, wie einfach diese Affen (sowohl Languren als auch Paviane) gefangen werden können. Man braucht lediglich etwas Begehrenswertes vor ihren Augen in einen festgebundenen Tonkrug hineinzulegen, durch dessen Öffnung die ausgestreckte Affenhand gerade hindurchpasst. Der neugierige Affe wird, sobald er sich unbeobachtet wähnt, die erste Gelegenheit nutzen, hineinzulangen, um es herauszuholen. Erst dann bemerkt er, dass er die geschlossene Faust durch die enge Öffnung nicht mehr herausziehen kann. In diesem Moment tritt der Affenfänger aus dem Versteck und kommt auf ihn zu. Der Affe zetert und zerrt an seiner Beute, aber sein Greifreflex ist so stark, dass er sie nicht loslassen kann. Ohne große Eile kann der Fänger ihm nun einen Strick umlegen, ihn mit geübten Handgriffen fixieren und abführen. Dieses »dumme« Verhalten der ansonsten sehr intelligenten Tiere erscheint unbegreiflich und hat dazu geführt, dass »Affenfalle« und »monkey trap« zu stehenden Begriffen in der Psychologie wurden. Man kann sich vorstellen, weshalb – in mancher Hinsicht sind wir nämlich den Affen ähnlicher, als es uns lieb ist.

Obwohl wir uns in der Regel für rational und reflektiert halten, wird unser Handeln mitunter von Süchten, Trieben, Ängsten und falschen Prioritäten bestimmt – die wir zwar durchschauen, aber trotz drohenden Unheils und wider besseres Wissen nicht loslassen wollen – bis es zu spät ist. Besonders, wenn Geld, Besitz, Ehre und Macht in Aussicht stehen, kann die Vernunft den Ehrgeiz oft nicht in die Schranken weisen. Daher ist es gut, diesen Vers immer vor Augen zu haben: »Was nützt es einem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen, wenn er dabei sich selbst ins Verderben stürzt oder unheilbar Schaden nimmt?« (Lk 9,25 NGÜ).
Quellennachweis
Gandhi, A: Catch me if you can: Monkey capture in Delhi. Ethnography 2012; 13(1):43-56; doi: 10.1177/1466138111431512
Jolly, CJ; Phillips-Conroy, JE; Müller, AE: Trapping Primates (S. 110-120); aus “Field and Laboratory Methods in Primatology”; Cambridge, GB (Cambridge University Press) 2003
Morris, HM: The Ape Cargo. aufgerufen am 29.06.04.2023; https://www.icr.org/article/ape-cargo
Scholl, B: Affe = Mensch? Ein Überblick über verhaltensbiologische Unterschiede zwischen Affen und Menschen. W+W Special Paper 2018; B-18-1; https://www.wort-und-wissen.org/wp-content/uploads/b-18-1_affe-mensch.pdf
Tristram, HB: The Natural History of the Bible (S. 37). London, GB (Society for Promoting Christian Knowledge) 1877
Bildnachweis:
Wikipedia: Titel – Südlicher Hanuman-Langur – sitzend / Pavithra sudhan // Südlicher Hanuman-Langur – Portrait / Vishmitha Hewamarambage
andere Lizenzen: Relief aus Ägypten mit Pavianen / shutterstock ID_1990714781 / BasPhoto // Mantelpavian mit gebleckten Zähnen / shutterstock ID_1426484075 / Vladimir Wrangel // Phönizischer Kaufmann mit zwei Affen / ape-trading.jpg / British Museum
Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer
