Das Schaf ist das mit Abstand am häufigsten erwähnte Tier in der Bibel und kommt in irgendeiner Weise in mehr als 500 Versen vor. Kein anderes Tier hat eine wichtigere symbolische Bedeutung. Ob als Opfertier, wobei Reinheit, Unschuld und Wehrlosigkeit betont werden, oder als Bild des gefallenen Menschen in seiner Abhängigkeit, Orientierungslosigkeit und Verlorenheit – es spielt in vielen Abschnitten des Alten und Neuen Testaments eine wichtige Rolle. Damit verbunden sind weitere Bilder, wie das der »Herde« als Symbol des Gottesvolks und das der »Guten Hirten« für menschliche Führer, die im Auftrag Gottes leiten, beziehungsweise für Gott selbst – den »Guten Hirten«.
rasen:mäher
Im Tribus der Ziegenartigen (Caprini) sind sämtliche Arten von Schafen, Ziegen und Steinböcken zusammengefasst, so dass sich über die genauen Verwandtschaftsverhältnisse und Ursprünge der Schafe im Nahen Osten nichts Sicheres sagen lässt. Wenn die heute dort lebenden Formen aus wilden oder verwilderten Tieren domestiziert worden wären, wäre das Mufflonschaf (Ovis gmelini musimon) ihr nächster lebender Verwandter und Vorfahr.

Das heutige Hausschaf (Ovis gmelini aries) tritt in einer großen Vielfalt von Zuchtformen auf. Im DAD-IS (Domestic Animal Diversity Information System) sind aktuell 93 Hauptrassen erfasst. Es ist kaum möglich, zu rekonstruieren, welche Rassen zu biblischer Zeit verbreitet waren. Mit ziemlicher Sicherheit zählte das Jakobschaf (oder Vierhornschaf) dazu. Einen direkten biblischen Hinweis gibt es darauf, dass Fettschwanz-Schafe gehalten wurden. Ihr auffällig verdickter Steißfortsatz speichert bis zu zehn Kilogramm Fett und erfüllt damit eine ähnliche Funktion wie die Höcker der Kamele. Er wird in der Bibel erwähnt und als alja bezeichnet (2Mo 29,22; 3Mo 3,9; 7,3; 8,25; 9,19).
Wie bereits bei den Ziegen im vorigen Kapitel gibt es auch bei den Schafen eine Vielzahl von unterschiedlichen Begriffen. Im Deutschen wird mit »Schaf« sowohl die Art im Allgemeinen als auch das weibliche (Mutter)tier, das älter als ein Jahr ist, bezeichnet (veraltet auch: Au, Aue, Zibbe). Das männliche Tier wird Schafbock oder Widder genannt. »Hammel« heißen kastrierte Böcke. Sie kommen in der Bibel nicht vor, weil die Kastration von Tieren in der jüdischen Kultur nicht praktiziert wurde. Die Jungtiere beiderlei Geschlechts werden bis zu einem Jahr als »Lamm« bezeichnet. Genau einjährige Opfertiere konnten deswegen gleichermaßen als »Lamm« oder »Schaf« bezeichnet werden, wie an dem »freien Zitat« von Jesaja 53,7.8 entsprechend der griechischen LXX in Apostelgeschichte 8,32 zu sehen ist. Vor der Entwöhnung, bis zu einem Alter von einem halben Jahr werden die Jungtiere »Milchlamm« genannt. Die hebräischen Wörter se (36x) und keseb (13x) sind allgemeine Bezeichnungen für ein Schaf. Allerdings wird auch die Bezeichnung zon, mit der allgemein Kleinvieh, also Schafe und Ziegen, gemeint sind, mit »Schaf« übersetzt, wenn der Zusammenhang das nahelegt (in der ÜElb in 58 Versen). Zum Teil werden die Ziegen in diesen Versen gesondert erwähnt, wodurch die Zuordnung klar ist.

Ein besonderes Wort für Mutterschafe ist rachel (1Mo 31,38; 32,15; Hld 6,6; Jes 53,7), was dem Frauennamen Rahel (45x) entspricht. Der Widder wird als ajil (135x) bezeichnet. Wenn die Böcke der Schafe auch nicht so aggressiv und wehrhaft sind wie die der Ziegen, wird doch auch ihre Bezeichnung auf menschliche »Leithammel« übertragen: »die Mächtigen des Landes aber hat er mitgenommen« (Hes 17,13) und »die Starken Moabs, sie ergriff Beben« (2Mo 15,15). Das Wort leitet sich von einer Wurzel ab, die Standhaftigkeit ausdrückt. Da verwundert es nicht, dass es in 17 Versen einen »Pfeiler« bezeichnet. Das aramäische Wort für den Widder ist dekar (Esr 6,9.17; 7,17). Die Lämmer, die als Opfertiere eine besondere Rolle spielten, werden mit dem hebräischen kebes (99x) und dem aramäischen immar (Esr 6,9.17; 7,17) bezeichnet. Auch das Wort »Milchlamm« hat eine exakte Entsprechung im Hebräischen: tale chalab (1Sam 7,9). Für Mastschafe, die hauptsächlich zur Fleischproduktion gehalten wurden, gab es noch die Bezeichnung kar (9x), die sich in dem Ortsnamen Beth-Kar (Haus der Schlachtschafe, 1Sam 7,11) wiederfindet und Kombinationen wie zon tibcha (Schaf zum Schlachten, Ps 44,23) und zon ma’akal (Schaf zur Speise, Ps 44,12).
Der Ausdruck aus Psalm 44,23 wird im NT zitiert, um die Leiden der Gläubigen zu beschreiben: »Deinetwegen werden wir getötet den ganzen Tag; wie Schlachtschafe sind wir gerechnet worden« (Röm 8,36). Hier bezeichnet der griechische Ausdruck probata sphages die Schlachtschafe. Im Griechischen ist probaton (37x) die allgemeine Bezeichnung für das Schaf, während amnos (Jh 1,29.36; Apg 8,32; 1Pet 1,19) und aren (Lk 10,3) Lämmer bezeichnen. Johannes setzt einen besonderen Akzent, wenn er in der Offenbarung immer die Verniedlichungsform arnion (28x) wählt, die für sehr junge Lämmer steht. Damit betont er die Unschuld, Reinheit und Wehrlosigkeit des Herrn Jesus als dem Lamm »wie geschlachtet« (Offb 5,6) und schafft einen starken Kontrast zu dem Bild des Löwen, der Gewalt und Herrschaft ausdrückt.
woll:pfosten
Keine Tierart wird in der Bibel als verwundbarer und hilfloser beschrieben als die Schafe. Ohne die Fürsorge des Hirten liegen sie nach kurzer Zeit »erschöpft und hingestreckt« danieder (Mt 9,36). Sie gehen in die Irre, verlaufen sich und finden nicht allein nach Hause (Jes 53,6; Hes 34,4-6; Mt 10,6; 15,24; 18,12.13; Lk 15,4.6; 1Pet 2,25). Sie fallen in eine Grube (Mt 12,11) oder in einen Brunnen (Lk 14,5). Durch Raubtiere wird die Herde vertrieben und versprengt (Hes 34,4.16; Mi 4,6; Mt 26,31; Mk 14,27). Einzelne Tiere verwunden sich auf der Flucht und hinken (Mi 4,6; Zeph 3,19), werden geraubt (1Sam 17,34; Am 3,12; Jh 10,12), kommen um (Sach 11,16) oder werden zertreten und zerrissen (Mi 5,7). Bei den meisten Rassen tragen die Böcke zwar beachtliche Hörner, aber wenn sich ein wildes Tier nähert, sehen sie zu, dass sie wegkommen, und die ganze Herde rennt in Panik auseinander. Da sie nur langsam laufen, wenig Ausdauer haben und nicht klettern, springen oder sich verstecken können, sind die Schafe eine leichte Beute; kaum ein Tier ist seinen Jägern wehrloser ausgeliefert.

Dazu kommt ihre Anfälligkeit gegenüber Parasiten und Krankheiten (Mal 1,8.13) und ihre Empfindlichkeit gegenüber giftigen Pflanzen, die sie nicht als Gefahr erkennen. Da die Böcke bei den Schafen nicht so dominant sind wie bei den Ziegen, ist das Leittier einer Herde oft nicht ein Widder, sondern ein erfahrenes Muttertier. Beim Wettstreit um begehrte Plätze werden Rangunterschiede erkennbar. Und auch wenn die Hierarchie innerhalb der Gruppe, die »Stoßordnung«, nicht sehr ausgeprägt ist, kommt die Herde oft erst zur Ruhe, wenn der Hirte da ist. Die hochgezüchteten Wollschafe müssen regelmäßig geschoren werden, weiterhin brauchen manche Schafe beim Geburtsvorgang menschliche Hilfe und können nicht selbstständig »ablammen«. Es sind nicht nur ihre Orientierungs-, Wehr- und Hilflosigkeit, sondern auch Merkmale wie Herdentrieb, Eigensinn, Sturheit, Zaghaftigkeit und der Hang zu irrationalem Verhalten, die Schafe zu einem Bild des Menschen ohne Führung machen. Schafe sind deshalb untrennbar mit der Person des Hirten verknüpft.

dreh:moment
Es gibt viele Situationen, in denen ein Schaf auf die Hilfe des Hirten angewiesen ist. Das gipfelt darin, dass ein Schaf, das auf den Rücken gerollt oder gefallen ist, oft nicht in der Lage ist, selbst wieder auf die Beine zu kommen. Die anderen Tiere der Herde realisieren die Misere nicht und kommen nicht zu Hilfe. In dieser misslichen Position wird das »gestrandete« Schaf selbst für kleinere Raubvögel zur leichten Beute. Außerdem bläht sich der Pansen auf und drückt auf Herz, Lunge und Blutgefäße, und wenn das Tier trächtig ist, kommt der Druck der Gebärmutter noch dazu. Kreislauf und Atmung werden so geschwächt, dass das Tier oft innerhalb weniger Stunden verendet. Es gibt wohl kein anderes Beispiel in der Schöpfung dafür, dass ein Tier sich in einer absolut friedlichen Umgebung plötzlich selbst in Lebensgefahr bringt, wie das arme Schaf, das auf der ebenen, grünen Wiese liegt, alle Viere in den Himmel streckt und wieder umgedreht werden muss, um nicht zu sterben.

Bestimmte Umstände erhöhen das Risiko für ein Schaf, unversehens auf dem Rücken zu landen. Dies passiert häufiger trächtigen Schafen, da sie überwiegend Zwillinge austragen und dadurch schwerer und runder sind. Außerdem sind bei den Wollrassen Tiere, die ein besonders dichtes und schweres Vlies haben, und bei den »Fleischrassen« sehr gut genährte und fette Tiere stärker gefährdet. Es sind also die fruchtbarsten, ertragsstärksten und sichtbar gesegneten Tiere, die am meisten gefährdet sind, in einer scheinbar sicheren Umgebung plötzlich auf dem Kreuz zu liegen. Das erinnert an diese biblische Warnung: »Deshalb seid vorsichtig! Gerade wer meint, er stehe besonders sicher, muss aufpassen, dass er nicht fällt« (1Kor 10,12 Hfa).
hirten:herz
Wer über Hausschafe redet, muss auch die Arbeit des Hirten erwähnen, ohne dessen Fürsorge sie nicht überleben würden. Viele biblische Personen, Männer (z. B. Abel, Abraham, Isaak, Jakob, Joseph, Mose, David, Amos) wie Frauen (z. B. Rebekka, Rahel, Zippora), waren Hirten. Offensichtlich war die aufopferungsvolle Pflege der Tiere ein gutes Übungsfeld für spätere Führungsaufgaben an Menschen. Wie dieser Dienst in der Praxis aussieht, kann an Psalm 23 studiert werden. Diese Passage gilt, zusammen mit dem »Vaterunser«, als bekanntester Bibeltext. Fürsorge, Belebung, Führung, Beistand, Trost, Gemeinschaft, Frieden, Freude und Zuversicht, wie nur Gott sie in vollkommener Weise geben kann, werden darin vorgestellt; und kaum jemand hätte Gott besser als seinen persönlichen Hirten beschreiben können als David, der selbst Schafhirte war und sich später als König Israels als ein »Hirte von Menschen« verstand (2Sam 24,17; Ps 78,70-72).


- »Der HERR ist mein Hirte« – Zwischen Schaf und Hirte besteht eine Beziehung. Es ist nicht nur ein Eigentumsverhältnis, sondern auch ein gegenseitiges Kennen und Erkennen. Wie man in jüngeren Studien herausgefunden hat, haben Schafe außerordentliche Fähigkeiten im Erkennen von Gesichtern und Stimmen (vgl. Jh 10,3.4.14.16.27). Auch der Hirte kennt seine Schafe und fühlt sich für sie verantwortlich (Jh 10,11-15.28). Als der Prophet Nathan die Geschichte von einem Mann erzählt, der nur ein einziges, kleines, weibliches Lämmchen hat, an dem er sehr hängt, und das ihm geraubt wird, zeigt sich sein Hirtenherz: »Da entbrannte der Zorn Davids sehr gegen den Mann, und er sprach zu Nathan: So wahr der HERR lebt, der Mann, der dies getan hat, ist ein Kind des Todes« (2Sam 12,5).
- »mir wird nichts mangeln« – Ein guter Hirte kennt und stillt alle Bedürfnisse seiner Schafe. Er weiß am besten, was die Tiere zu welcher Zeit brauchen.
- »Er lagert mich auf grünen Auen« – Besonders in kargen Gebieten muss das Weidegebiet nach einem durchdachten Plan regelmäßig gewechselt werden. In Israel wurde keine Heuwirtschaft betrieben – die Beweidung musste sich den natürlichen Gegebenheiten anpassen: »Ist das Gras abgeweidet und wiederum Grünes nachgewachsen …« (Spr 27,25 Lu). Bei zu intensiver Nutzung einer Fläche wird der Bewuchs durch zu starkes Abgrasen zerstört und durch die Hufe zertrampelt. Auch Parasiten, die mit dem Kot ausgeschieden und beim Grasen wiederaufgenommen werden, können sich dann leicht in der ganzen Herde verbreiten. Der Hirte achtet außerdem darauf, dass auf der Weide keine giftigen Pflanzen stehen und reißt sie gegebenenfalls aus, um die Schafe davor zu schützen.
- »Er führt mich zu stillen Wassern« – Schafe sind keine Wüstentiere wie Gazellen oder Kamele und haben in trockenen Gebieten einen Wasserbedarf von 3-6 Litern pro Tag (säugende Muttertiere sogar bis zu 10 Liter). Der Hirte trägt dafür Sorge, dass täglich eine Wasserstelle oder eine Hirtenzisterne (Zeph 2,6) aufgesucht wird und die Schafe sich so zum Trinken aufstellen, dass sie sich das Wasser nicht gegenseitig verschmutzen. Wenn sie den Bodensatz aufwirbeln (Hes 34,18), steigt die Infektionsgefahr durch Parasiten.
- »Er schenkt mir wieder neue Kraft« – Der Hirte weiß, wie viel Erholungsphasen seine Tiere brauchen. Wenn Schafe nicht genug Ruhezeiten zum Wiederkäuen und Säugen haben, kann das für sie lebensgefährlich sein (1Mo 33,13).
- »Er führt mich auf rechten Wegen« – Von dem unzureichenden Orientierungssinn der Schafe war ja bereits die Rede. Der Hirte sorgt nicht nur dafür, dass sie sich nicht verlaufen, sondern kennt auch die sichersten und kürzesten Pfade zwischen Weideflächen, Tränken, Rastplätzen und Hürden.
- »Auch wenn ich wanderte im Tal des Todesschattens, fürchte ich nichts Übles, denn du bist bei mir« – Der Weg zu den nächsten fruchtbaren Bergweiden führt oft durch dazwischenliegende Täler. Einerseits haben Talwege weniger Gefälle, bieten mehr Schatten und führen häufiger an kleinen Wasserläufen und Teichen vorbei als Bergpfade, andererseits finden Raubtiere dort Deckung, um sich unbemerkt an die Herde anzuschleichen. Ohne die Begleitung und Gegenwart des Hirten wären die Schafe hier hochgradig gefährdet. Im judäischen Bergland, das David vor Augen hat, handelt es sich bei den Tälern häufig um Wadis, die sich bei Regenfällen, selbst wenn diese weit entfernt niedergehen, sturzflutartig mit Wasser füllen können. In Israel kommen noch heute jedes Jahr mehrere Menschen dabei ums Leben. Normalerweise lebt der Hirte mit der Herde zusammen und wohnt im »Hirtenzelt« (Jes 38,12).
- »Dein Stecken und dein Stab, sie trösten mich« – Das hebräische Wort schebet, das hier mit »Stecken« übersetzt wurde, bezeichnet in diesem Zusammenhang einen starken Knüppel, der als All zweckwerkzeug diente. Er konnte als Waffe eingesetzt werden (2Sam 23,21; 1Chr 11,23) und war an einer Seite angespitzt, sodass er als Spieß (2Sam 18,14) oder als Unkrautstecher benutzt werden konnte, um giftige Pflanzen auszugraben. Mit seiner Hilfe zählte man die Schafe, indem man sie, wahrscheinlich in einem engen Durchlass, einzeln darunter durchgehen ließ (3Mo 27,32; Jer 33,13; Hes 20,37), züchtigte sie damit und trieb sie an (Jes 9,3). Der Stecken wurde als »Schäferstab« zu einem Symbol des Hirten (Mich 7,14) und, im übertragenen Sinn, zum Symbol des Herrschers, der sein Volk führt. In diesem Zusammenhang wird das Wort meistens als »Zepter« übersetzt (z. B. Ps 45,7; Hes 19,14) oder als »Rute«, wenn es sich auf die richtende Gewalt des Herrschers bezieht (z. B. Ps 89,33; Jes 11,4). Das Wort misch’ena dagegen, das hier mit »Stab« übersetzt wurde, bezeichnet einen langen Stock oder Wanderstab, auf den der Hirte sich stützt (2Mo 21,19; Sach 8,4) und mit dem er die Schafe leitet. Beide zusammen zeigen an, dass der Hirte in guter Weise über seine Schafe herrscht, indem er sie korrigiert, führt und beschützt.
- »Du bereitest vor mir einen Tisch angesichts meiner Feinde« – Die Schafe entspannen sich erst, wenn sie sich vor äußeren »Feinden«, wie Raubtieren und Schlangen, sicher fühlen und die Rivalität untereinander befriedet ist. Dann grasen sie, bis sie satt sind, legen sich friedlich hin, käuen wieder und ruhen aus. Gott führt aber seine Schafe durch diese Welt, obwohl sie oft von Feinden umgeben sind – bis der letzte Feind, der Tod hinweggetan wird (1Kor 15,25.26).
- »Du hast mein Haupt mit Öl gesalbt« – einige Übersetzungen springen hier direkt in die übertragene Bedeutung: »Du begrüßt mich wie ein Hausherr seinen Gast« (Ps 23,5 Hfa). Ohne Zweifel spielt David hier auf diese tiefere Bedeutung an, die in der Bibel vielfach zu finden ist. Die Häupter von Königen, Priestern und Propheten und auch von Ehrengästen (Lk 7,46) wurden mit Öl gesalbt (und in der Symbolik des Neuen Testaments lässt sich in dem Öl sogar ein Bild des Heiligen Geistes erkennen: Apg 10,38; 2Kor 1,21). Interessant ist aber, dass dieser Vers auch auf der wortwörtlichen Ebene das praktische Vorgehen eines Schäfers beschreibt, der den Kopf der Tiere mit Öl behandelt. Ektoparasiten, wie Zecken, Egel, Läuse, Haarlinge und Lausfliegen, die sich auf und in der Haut des Tieres festsetzen, können so wirksam bekämpft werden. Das Öl verschließt ihre Atemöffnungen (Stigmen), sodass sie ersticken. Möglicherweise wusste man damals auch schon um die Wirkung natürlicher Schreckstoffe (Repellentien) wie Schwefel, Teer, Essenzen aus Zeder und Lavendel oder Tanninen, die untergemischt werden können und zusätzlich lästige Insekten wie Dasselfliegen, Bremsen und Mücken fernhalten.
- »mein Becher fließt über. Nur Güte und Huld werden mir folgen alle Tage meines Lebens; und ich werde wohnen im Haus des HERRN auf immerdar« – Am Ende rückt die tiefere Bedeutung des Psalms ganz in den Fokus. Der überfließende Becher ist ein Bild für die grenzenlose Bereitschaft des wahren Hirten, zu segnen und zu beschenken. Während bei irdischen Schäfern wirtschaftliche Überlegungen und ein Abwägen zwischen Aufwand und Nutzen das Handeln bestimmen, handelt Gott in Güte, Wohlwollen, Liebe, Gnade und Barmherzigkeit, weil es Seinem Wesen entspricht. Und während Schafe am Ende geschlachtet werden, hat Gott für Menschen das Ziel, in Ewigkeit bei Ihm zu sein.

Gesichtserkennung
Warum sind die Wissenschaftler sich so sicher, dass Schafe nicht nur die Stimmen von Menschen, sondern auch ihre Gesichter erkennen und unterscheiden können? Die hier dargestellte Versuchsanordnung (nach Knolle et al.) lieferte sehr überzeugende Ergebnisse. Da viele Experimente ähnlich aufgebaut sind, lohnt es sich, die Vorgehensweise an diesem Beispiel einmal nachzuvollziehen.



Zuerst entdecken die Schafe, dass der Futterspender manchmal Leckerbissen auswirft. Dann merken sie, dass sie mit ihrem Verhalten bewirken, dass etwas herauskommt. So lassen sie sich trainieren (A). Sie erlernen eine erste einfache Regel: Wenn du den Slot, über dem etwas auf dem Bildschirm erscheint, mit der Nase anstupst, gibt es eine Belohnung. In der zweiten Trainingseinheit merken sie, dass es nicht egal ist, was dort erscheint, sondern dass nur das menschliche Gesicht auszuwählen ist. In der dritten Einheit verstehen sie, dass es um das spezielle Gesicht geht, das ihnen bereits vertraut ist. Nach dieser Konditionierung geht es in die nächste Runde (B), und es ist für das Schaf kein Problem, das hübsche Gesicht der Schauspielerin Emma Watson auch aus anderen Perspektiven, mit anderen Frisuren (und weiteren Variationen: Brille, Hut, halb verdeckt usw.) wiederzuerkennen. Um das Ergebnis »wasserdicht« zu machen, wurde noch gezeigt, dass das Ganze mit verschiedenen Schafen und mit verschiedenen Gesichtern funktioniert und dass die Lernkurven immer ähnlich aussehen (C).
erz:hirte
Obwohl der Dienst des Hirten untrennbar mit seinen Schafen verbunden ist, geht es in diesem Buch vordergründig um die Tiere. Eine ausführliche Betrachtung darüber, wie viele lehrreiche Aspekte die Bibel in Altem und Neuem Testament mit dem Hirtendienst verbindet, würde den Rahmen sprengen. Ein paar Hinweise sollen genügen. In Hesekiel 34 wird von den Führern des Volkes Israel gesprochen, die überwiegend schlechte Hirten waren. Aber der Blick in die Zukunft lässt bereits Jesus Christus, den EINEN Hirten, den »Sohn Davids« und den »wahren David« erkennen: »Und ich werde einen Hirten über sie erwecken, und er wird sie weiden – meinen Knecht David: Der wird sie weiden, und der wird ihr Hirte sein« (Hes 34,23) und »Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen und in seinem Schoß tragen, die Säugenden wird er sanft leiten« (Jes 40,11). Der im letzten Abschnitt besprochene Psalm 23 zeigt uns »unseren Herrn Jesus, den großen Hirten der Schafe« (Heb 13,20), so, wie Er in der Gegenwart an und mit den Gläubigen arbeitet. Das Kapitel davor, Psalm 22, zeigt die Vergangenheit, Seinen Tod und Seine Auferstehung, wie Johannes sie beschreibt: »Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe […] ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen« (Jh 10,11.18). Das anschließende Kapitel, Psalm 24, zeigt dagegen etwas, was sich erst in der Zukunft enthüllt: »Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen« (1Pet 5,4). Dann werden alle Menschen erkennen, dass das »Lamm Gottes« (Jh 1,29) auch der Hirte ist: »denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie weiden und sie leiten zu Quellen der Wasser des Lebens« (Offb 7,17). In einem Satz zusammengefasst: Die drei messianischen Psalmen 22-24 zeigen uns den Herrn Jesus als den guten Hirten, der für uns gestorben ist (22), den großen Hirten, der uns heute weidet und bei uns ist (23), und auch den Oberhirten, dessen zukünftige, weise Herrschaft niemals enden wird (24).

herden:reich
Mit nichts anderem wird Wohlstand in der Bibel häufiger ausgedrückt als mit der Größe der Kleinviehherden und besonders der Anzahl der Schafe. Während für uns schon der Anblick einer Herde mit hundert Tieren beeindruckend ist, muss es damals im Nahen Osten riesige Herden gegeben haben. Schon Hiob hielt 14.000 Stück Kleinvieh (Hi 42,12). Wahrscheinlich handelte es sich dabei überwiegend um Schafe. Jedenfalls setzt er Hunde ein, um sie zu beschützen (Hi 30,1), und sprach von der Wolle seiner Lämmer (Hi 31,20). Ein vermögender Mann wie Nabal hatte 3.000 Schafe (1Sam 25,2). Und bei einem großen Sieg über die Midianiter befanden sich allein unter der Kriegsbeute 675.000 Stück Kleinvieh (4Mo 31,32). Der moabitische König Mesa, der im Gebiet des heutigen Jordanien herrschte, entrichtete an Israel einen jährlichen Tribut von 200.000 Tieren (2Kön 3,4), und Salomo opferte bei der Einweihung des Tempels 120.000 Schafe (1Kön 8,63; 2Chr 7,5). Die Zugehörigkeit der Schafe spielt eine wichtige Rolle, wenn die Herde als Bild des Gottesvolks gebraucht wird. In zwanzig Versen spricht Gott von Seinen Schafen und beschreibt darin Seine Fürsorge: »ich will nach meinen Schafen fragen und mich ihrer annehmen« (Hes 34,11) und »Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir« (Jh 10,27) – »Denn er ist unser Gott, und wir sind das Volk seiner Weide und die Herde seiner Hand« (Ps 95,7 vgl. Ps 79,13; 100,3). Die Schafe erkennen ihren Hirten und seine Stimme. Im Internet findet sich auf verschiedenen Seiten mit Bibelandachten die Ge schichte von einem Schäfer aus Karlsruhe, dem 111 Schafe gestohlen wurden. Anschließend ruft er sie auf einem Verladebahnhof in Köln aus einer Herde von 5.000 Tieren wieder heraus, was den Polizisten, die er mitgebracht hatte, Beweis genug war, dass er der rechtmäßige Besitzer war. Vielleicht ist es nur ein »Vertellchen«, denn leider lässt sich diese Schilderung nicht validieren. Jedenfalls hätte es sich so zutragen können, wie eine andere Geschichte zeigt: Dem Hobby-Schafzüchter Karl-Heinz Klee aus Pohlheim wurden am 23.10.2019 sechs wertvolle Dorper-Schafe gestohlen, die er in einer Herde im 40 Kilometer entfernten Nidda wiederentdeckte. Er konnte der Polizei ebenfalls vorführen, dass die Tiere, die er als sein Eigentum deklarierte, sich von ihm heranrufen ließen. Leider verstanden die Beamten nicht genug von Schafen, um die Beweiskraft dieser Vorführung richtig einzuschätzen, denn die Ohrmarken waren ausgetauscht worden und wiesen einen anderen Eigentümer aus. Erst als ein weiterer bestohlener Schafhalter hinzukam, wurden Ermittlungen aufgenommen, wobei sich herausstellte, dass die Hälfte der Herde von 200 Tieren Diebesgut war.

Da in Israel oft mehrere Herden beieinander weideten (1Mo 13,7) oder zur Tränke geführt wurden (1Mo 29,2-10; 2Mo 2,17), mussten die Tiere eindeutig markiert werden, um ihrem Besitzer zugeordnet werden zu können. Dies geschah entweder durch ein Brandzeichen auf dem Unterschenkel des Hinterbeins oder, besonders bei Rassen mit viel Wolle, durch Einkerbung der Ohrmuschel. Wenn es nicht die eigenen Tiere waren, die gehütet wurden, war es für einen Hirten wichtig, dem Besitzer einen Beleg zu liefern, wenn Schafe von Raubtieren gerissen wurden (2Mo 22,12). Der Prophet Amos nimmt darauf ironisch Bezug, wenn er dem Nordreich Israel Gericht ankündigt: »Wie der Hirte zwei Beine oder einen Ohrzipfel aus dem Rachen des Löwen rettet, so werden die Kinder Israel gerettet werden« (Am 3,12). Der Hirte konnte zwar mit diesen armseligen Fetzen beweisen, dass das Schaf verloren war, von einer »Rettung« konnte aber keine Rede sein.

Eine interessante Parallele zur Besitzanzeige durch Markierung der Ohren ordnete das Gesetz für einen Knecht (eigentlich Sklaven nach jüdischem Gesetz) an, der auf seine Freiheit verzichtet: »Wenn aber der Knecht etwa sagt: Ich liebe meinen Herrn, meine Frau und meine Kinder, ich will nicht frei ausgehen, so soll sein Herr ihn vor die Richter bringen und ihn an die Tür oder an den Pfosten stellen, und sein Herr soll ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren; und er soll ihm dienen auf ewig« (2Mo 21,5.6). Das ist ein schönes Bild dessen, was der Herr Jesus als Knecht Gottes (Jes 42,1; 52,13; 53,11; Apg 3,13.26) getan hat. Aus Liebe zu Seinem Herrn (Gott dem Vater), Seiner Frau (der Gemeinde) und Seinen Kindern (dem Volk Israel) ließ Er sich durchbohren, wie es prophetisch angekündigt war: »Ohren hast du mir gegraben« (Ps 40,7 Einh, vgl. Heb 10,5-7) und dient auf ewig.

schnitt:menge
»Kümmere dich um das Aussehen deiner Schafe und sorge für deine Herden … Kommt das Gras hervor, erscheint das Grün, sammelt man die Kräuter auf den Bergen, dann gibt es Lämmer für deine Kleidung, Böckchen als Kaufpreis für Äcker und genug Ziegenmilch für dich als Nahrung« (Spr 27,23-27). Aus diesen Versen lässt sich die gewöhnliche Nutzung der Haustiere ableiten. Während der Überschuss junger männlicher Tiere (zum Schlachten) verkauft wurde und bei den Ziegen die Milchproduktion im Vordergrund stand, wurden die Schafe hauptsächlich für die Wollproduktion gehalten.

Schafrassen gibt es mit den unterschiedlichsten Fellfarben, aber dieser poetische Vergleich aus einem Liebeslied deutet darauf hin, dass die Tiere in Israel gewöhnlich weiße Wolle trugen: »Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme heraufkommen« (Hld 4,2, vgl. 6,6). Auch die Aussagen über Gott, »der Schnee gibt wie Wolle« (Ps 147,16), über Jesus, »Seine Haare waren weiß wie weiße Wolle, wie Schnee« (Offb 1,14), und der Vers »Wenn eure Sünden wie Scharlach sind, wie Schnee sollen sie weiß werden; wenn sie rot sind wie Karmesin, wie Wolle sollen sie werden« (Jes 1,18) weisen darauf hin. Nichtsdestotrotz gab es auch rötliche, braune, schwarze, gesprenkelte, gestreifte, gefleckte und gescheckte Tiere (1Mo 30,32.39). Sie galten aber offensichtlich damals als minderwertig – und auch wenn sich die Anforderung »ohne Fehl« auf den Gesundheitszustand bezog, war das perfekte Opfertier, jedenfalls zu späterer Zeit, zudem auch »ohne Flecken« (vgl. 1Pet 1,19).
Schafswolle (hebräisch: zemer, 16x; aramäisch: amar, Dan 7,9 und griechisch: erion, Heb 9,19; Offb 1,14) war ein begehrtes Handelsgut im Altertum (Hes 27,18) und hatte bis zur neuzeitlichen Kultivierung der Baumwolle und der Entwicklung synthetischer Kunstfasern große wirtschaftliche Bedeutung. Die Schafschur brachte den Schafhaltern den Hauptertrag des Jahres und wurde als chag ha-gez – das »Fest der Schur« – begangen (1Mo 31,19; 38,12; 5Mo 18,4; 1Sam 25,2; 2Sam 13,23).

Auch heute noch werden in Schafregionen wie Australien große »Sheep shearing festivals« veranstaltet, bei denen oft auch ein Wettstreit der besten Schafscherer auf dem Programm steht. Die Weltmeister sind echte Athleten und Kraftpakete. Auf der Seite https://shearingrecords.co.nz findet man die aktuellen Rekordhalter. Ihre Leistungen sind unglaublich. Am 28.01.2023 schor Aidan Copp 605 Lämmer hintereinander weg! Er hätte vielleicht noch vier oder fünf mehr geschafft, aber ihm gingen die Tiere aus, als er noch 4 Minuten und 36 Sekunden bis zum Erreichen des Zeitlimits von 8 Stunden hatte. Über die besonderen Eigenschaften und Qualitäten der Schafswolle sind dicke Bücher verfasst worden. Die Abbildung oben gibt zumindest einen kleinen Eindruck von der Komplexität ihres Aufbaus.


opferbereit:schaf
Die am häufigsten vorgeschriebenen Opfertiere waren »einjährige Lämmer ohne Fehl«, die in 52 Bibelversen erwähnt werden. Allein im Rahmen des normalen Tempeldienstes wurden pro Jahr mehr als tausend Lämmer geopfert. Tagtäglich, jeden Morgen und jeden Abend, wurde jeweils eines als »beständiges Opfer« (2Mo 29,39; 4Mo 28,4) verbrannt, am Sabbat zwei zusätzliche (4Mo 28,9), am Monatsanfang jeweils sieben zusätzliche (4Mo 28,11). An sechs »Festen des Herrn« jeweils sieben und während des Laubhüttenfestes insgesamt 106 (4Mo 28-29) weitere. Sie wurden durch das nördlich gelegene Schaftor (scha’ar ha-zon: Neh 3,1.32; 12,39; probatikos: Jh 5,2) in den nahe gelegenen Tempelbezirk getrieben, um dort an die Pilger verkauft (Jh 2,14) und später auf dem Altar geopfert zu werden. Das Lamm ist das Opfer schlechthin und steht oft stellvertretend für alle anderen Opfertiere.

Obwohl es bereits im Alten Testament Hinweise darauf gab, dass die Tieropfer keine finale Lösung für das Problem der Schuld und Sünde des Menschen sein konnten, war das für die Juden schwer vorstellbar. Prophetische Aussagen über Gottes Heilshandeln, wie zum Beispiel Jesaja 53,7: »Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf«, erschlossen sich erst, nachdem sie sich erfüllt hatten. Zwar hatte schon Johannes der Täufer sich darauf bezogen, als er von dem Herrn Jesus sagte: »Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt!« (Jh 1,29.36), aber was das wirklich bedeutete, erkannten auch Seine Jünger erst, nachdem ihnen ihr auferstandener Herr begegnet war. Später konnte Philippus bei seiner Begegnung mit dem äthiopischen Kämmerer genau auf diesen Vers aus Jesaja Bezug nehmen »und anfangend von dieser Schrift verkündigte er ihm das Evangelium von Jesus« (Apg 8,35). Die frühen Christen aus Juden und Nationen verstanden jetzt, dass Gott sie »mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Fehl und ohne Flecken« (1Pet 1,19) losgekauft hatte. Vielleicht werden wir auch eines Tages merken, dass wir unseren Herrn noch nicht vollständig kennen. Als Mensch offenbarte Er die Lammeseigenschaften »sanftmütig und von Herzen demütig« (Mt 11,29), und so begegnet Er uns bis heute. Aber wenn die Gnadenzeit vorbei ist, bringt der »Zorn des Lammes« (Offb 6,16) – ein fast paradoxer Ausdruck – gnadenlose Gerichte über die Menschen.
weich:tier
Eine besondere Schafgeschichte geht auf Julius Anton von Poseck (1816–1896), einem Gründervater der »Brüderbewegung« in Deutschland, zurück. Er kannte zwar die Bibel, studierte aber Philosophie in Münster und Berlin und sah als erfolgreicher und wohlhabender junger Mann von adliger Abstammung und tadellosem Ruf keinen Anlass, sich als Sünder zu erkennen und Gott um Vergebung zu bitten.
Am 15. August 1848 änderte sich seine Einstellung allerdings drastisch. Als er an den Feierlichkeiten zum 600. Jahrestag der Grundsteinlegung des Kölner Doms teilnahm, löste sich ein Stein aus der Brüstung des Gebäudes und zerschmetterte eine junge Frau, die an der Stelle stand, wo er sich kurz zuvor befunden hatte. Ihm wurde bewusst, dass er, solange er Jesus als Erlöser ablehnt, ihm einmal als seinem Richter begegnen wird: »Jeder, der auf jenen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen irgend er aber fällt, den wird er zermalmen« (Lk 20,18). Das führte dazu, dass er umkehrte und Gott seine Sünden bekannte.

Einige Jahre später besuchte er die St.-Ludgerus-Kirche in Essen-Werden. Während einer Führung wurde die Steinskulptur eines Schafes erklärt, die unterhalb der Dachkante eingelassen war: »Als ein Dachdecker das schadhafte Kirchdach ausbesserte, riss der Haken, an dem seine Leiter befestigt war. Sein furchtbarer Fall in die Tiefe, der ihm unfehlbar den Tod gebracht hätte, wurde dadurch gemildert, dass er auf den weichen Rücken eines Lammes fiel, das unten auf dem Rasen weidete und von dem herabstürzenden Mann zerschmettert wurde. So kam der Dachdecker mit dem Leben davon; nicht ein einziges Glied war ihm gebrochen. Aus dankbarem Herzen für diese Gnade der Bewahrung Gottes ließ er das Lamm aus Stein hauen und im Mauerwerk der Dachkante anbringen.« Diese Geschichte bewegte von Poseck sehr, weil sie illustriert, wie Jesus als das Lamm Gottes unseren Platz einnahm. Wir werden gerettet und bleiben bewahrt – »Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Vergehen, wegen unserer Sünden zermalmt« (Jes 53,5 Einh). Von Poseck verarbeitete diesen Eindruck in dem Lied »Auf dem Lamm ruht meine Seele«, nach dessen Originalfassung hier die Strophen 1, 5 und 11 wiedergegeben sind:
Auf dem Lamm ruht meine Seele,
Schauet still dies Wunder an:
»Alle, alle meine Sünden
Durch Sein Opfer weggetan!«
Hier muss der Verkläger weichen;
Denn für mich ward Gottes Lamm
Einst zur Schlachtbank hingeführet,
Hat den Mund nicht aufgetan.
Wenn der Lohn von deinen Schmerzen:
Deine, Gott erkaufte, Schar
Bringt in Zions heil’ger Ruhe
Gottes Lamm ihr Loblied dar.
Quellennachweis:
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Bildnachweis:
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