Der hebräische Name deror bezeichnet wohl einen Vogel aus der Familie der Segler (Apodidae). Als Brutvögel kommen der Mauersegler (Apus apus) und Haussegler (Apus affinis) in Israel vor und als Durchreisende, Winter- und Sommergäste auch Fahlsegler (Apus pallidus) und Alpensegler (Tachymarptis melba). Die vier Arten stimmen in den meisten Merkmalen und Verhaltensweisen überein. Die nachfolgende Beschreibung bezieht sich aber speziell auf den Mauersegler, der bisher am besten erforscht ist.

baby:pause
Wenn es flugtaugliche Gelege gäbe – der Mauersegler wäre der erste Interessent. Doch so muss er das Brutgeschäft ganz bodenständig erledigen, wie jeder andere Vogel auch. Damit entspricht er dem Schöpfungsideal »in der Luft sollen Vögel f liegen […] und ihr Vögel, vermehrt euch auf der Erde!« (1Mo 1,20.22 GN). Allerdings hält er diese Phase der Erdgebundenheit so kurz wie möglich, besteht doch die Gefahr, sich mit Parasiten wie der Mauerseglerlausfliege (Craterina pallida) zu infizieren. Immerhin nimmt das Paar sich fünf Tage Zeit, ein Nest herzurichten und zwei bis drei Eier zu reifen und zu legen. Das Bebrüten dauert etwa zwanzig Tage, gefolgt von einer stressigen Hochleistungsmast. An einem einzigen Tag treiben die Partner bei gutem Wetter eine Futtermenge von etwa fünfzig Gramm auf, bestehend aus über 20.000 kleinen Insekten und Spinnen! Die Beute wird im Kehlsack gesammelt, zum Teil noch lebend zu haselnussgroßen Kugeln zusammengespeichelt und in den weit aufgerissenen Schlünden des nimmersatten Nachwuchses versenkt. Im Gegenzug werden deren frische Exkremente in den elterlichen Kehlsack geschluckt und ordentlich außerhalb des Nestes entsorgt.

jung:fernflug
Bei derart energiereicher Ernährung wachsen die Jungen schnell heran und erreichen schon nach drei Wochen ihr Höchstgewicht von sechzig Gramm. Damit sind sie anderthalbmal so schwer wie ihre Eltern. Sie brauchen diesen Vorrat für ihr anstrengendes Fitnessprogramm. Jeden Tag werden unzählige »Flügelstützen« gemacht, bei denen sie ihren Körper mit gestreckten Flügeln hochstemmen und 10 Sekunden lang über dem Nestboden balancieren. Nach erfolgreich absolviertem »Bodybuilding« ist die Flugmuskulatur gestählt und die kleinen Athleten fasten einige Tage, um ihre Fettreserve aufzubrauchen und sich auf ihr optimales Startgewicht herunterzuhungern.
Sie sitzen nun allein im Nest. Die spannende Flugpremiere interessiert die Eltern nicht. Sollte es schon etwas später im Jahr sein, brechen sie just in dem Moment zur Reise in ihr Winterquartier auf, in dem die Jungen mit dem Betteln aufhören. Den ganzen Ausflugstag sitzen die Jungen am Flugloch, schauen hinaus, ordnen ihr Gefieder und machen die letzten Trockenübungen.
Gegen Abend ist es dann so weit: Der erste Jungvogel tritt ans Flugloch, schaut noch einmal zweifelnd nach unten, wirft sich dann entschlossen in die Luft – und fliegt! Er fliegt, als hätte er nie etwas anderes gemacht und tritt sofort die lange Reise ins südliche Afrika an. Niemand hat ihm den Weg beschrieben: Er weiß einfach, wohin er muss. Ob er dort seine Eltern wiedertrifft, interessiert keinen von ihnen. Sie sind dann nicht mehr Familie, nur noch Konkurrenten. Während die meisten Zugvögel einen genauen Terminplan einhalten, sind die Mauersegler Wetterexperten, die mit erstaunlicher Treffsicherheit die besten Windmuster für ihre Route auswählen und so bis zu zwanzig Prozent Energie einsparen.

dauer:segler
Mancher beginnt seine Fliegerkarriere mit einem 3-jährigen (!!!) Dauerflug ohne jede Zwischenlandung. Pro Jahr legt er durchschnittlich 250.000 Kilometer zurück. Da er außerdem mit über zwanzig Jahren recht alt werden kann, ist er wohl das Geschöpf, das in seinem Leben am weitesten herumkommt. Sein lateinischer Name Apus bedeutet »ohne Füße«. Er hat aber welche, auch wenn sie ganz verkümmert aussehen, mit einer Länge von 10-12 Millimetern (inklusive Krallen) die kürzesten in der Vogelwelt sind und sich nicht dazu eignen, umherzulaufen oder auf einem Ast zu sitzen. Zum Schlafen zieht sich der ruhelose Geselle in Höhen bis zu 3.600 Meter zurück und fliegt dort mit durchschnittlich 23 Stundenkilometern, dem Energiesparmodus. Auf seinen langen Wanderungen fliegt er etwa 32 Stundenkilometer. Bei dieser Geschwindigkeit ist das Verhältnis zwischen zurückgelegter Strecke und »Spritverbrauch« optimal. Wenn er jagt, fliegt er im Durchschnitt mit 50 Sachen, und wenn er in der Rolle des Gejagten ist oder bei wilden Flugspielen ein Weibchen beeindrucken möchte, kann er auf über 220 Stundenkilometer aufdrehen. Er hält damit, zusammen mit dem Wanderfalken, den Geschwindigkeitsrekord – unter allen Tieren der Erde! Stellen Männchen und Weibchen fest, dass sie »aufeinander fliegen«, kommt es zur Paarung, die oft im »freien Glücksfall« vollzogen wird, einem äußerst riskanten Manöver, bei dem die »verkuppelten« Partner manchmal so rasant an Höhe verlieren, dass es zu Unfällen kommt.

Wenn es auf der Erde einen »Himmelsbürger« gibt, der ganz und gar nicht irdisch »gesinnt« ist, dann ist es der Mauersegler. Bis auf wenige Ausnahmen verbringt er sein ganzes Leben in der Luft. Reisen, Essen, Trinken und Schlafen: Alles geschieht ausschließlich im Flug. Das erinnert daran, dass auch Christen ihre Lebensziele und ihre Berufung im Himmel haben: »Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten« (Phil 3,20).

ab:fluch
Der Mauersegler begegnet uns auch in diesem bemerkenswerten Spruch: »Wie ein Sperling, der davonflattert, und wie eine Schwalbe [= Mauersegler], die wegfliegt, so ist ein unverdienter Fluch: er trifft nicht ein« (Spr 26,2 Me). Die beiden genannten Vögel ergänzen sich. Während die scheuen Singvögel bei der geringsten Störung auffliegen, ist der Mauersegler das schnellste Geschöpf überhaupt und entfernt sich so rasant, dass das Auge ihm kaum folgen kann. So flüchtig, unbeständig und schnell vergessen ist ein unbegründeter Fluch. Vielleicht trifft es diese Übersetzung noch besser: »… so ist ein unverdienter Fluch: Er lässt sich auf keinen Menschen nieder« (Spr 26,2b GN) – denn wenn dem Mauersegler eines fern liegt, dann ist es, sich irgendwo niederzulassen; und die meisten Singvögel halten von Menschen größtmöglichen Abstand.
Um die Bedeutung des Spruchs noch besser zu verstehen, ist es interessant, den gegenteiligen Fall zu betrachten. Ein verdienter Fluch hat Konsequenzen: »Verleumde einen Knecht nicht bei seinem Herrn, damit er dir nicht fluche und du es büßen musst« (Spr 30,10). Gott hört auf die Stimmen der Unterdrückten und zu Unrecht Leidenden und verschafft ihnen Recht. Elf Psalmen haben den Ruf nach Rache und Vergeltung als zentrales Thema. Das irritiert vielleicht zunächst, aber es ist besser, seinen Wunsch nach Vergeltung bei Gott abzugeben, als sich selbst zu rächen (Röm 12,19). König David, der viele Vergeltungswünsche betete, war in dieser Hinsicht konsequent. Er hatte zweimal die Gelegenheit, sich selbst zu rächen (1Sam 24,5; 26,9) und tat es nicht. Nach dem Vorbild des Herrn Jesus, der am Kreuz noch für seine Feinde betete (Lk 23,34), und in der Kraft des Heiligen Geistes kann ein Gläubiger heute allerdings noch einen Schritt weitergehen: »Segnet, die euch verfolgen; segnet, und flucht nicht« (Röm 12,14).
extrem:tourist
Kaum ein anderes Tier ist so wenig ortsgebunden. Der Mauersegler folgt einfach dem schönen Wetter und den Insektenschwärmen. Dieses Nomadenleben treibt er mitunter sogar in der Brutzeit. Wenn ihm etwa sein ausgeprägtes Gespür für meteorologische Prognosen sagt, dass sein Brutgebiet, beispielsweise das Oberbergische Land, tagelang im Dauerregen versinkt, entschließt er sich kurzfristig und notgedrungen zu einem Italientrip, denn da er nur fliegende Tierchen jagen kann, gibt es für ihn bei Regenwetter nichts zu holen. Die alleingelassenen Jungen fahren Herzschlag, Atmung und Körpertemperatur dramatisch zurück und verfallen in eine Hungerstarre mit minimalem Energieverbrauch.
Sind die Fettreserven aufgebraucht, verbrennen sie erst ihre Muskulatur und danach ihre Leber. Ist auch diese abgebaut, sterben sie, doch das dauert (je nach Außentemperatur) meistens über zwei Wochen, und so lange bleiben die Eltern selten weg. Irgendwann lässt sich auch im Oberbergischen die Sonne wieder blicken. In Israel ist das Klima freundlicher. Eigentlich seltsam, dass die Mauersegler, denen doch die ganze Welt offensteht, trotzdem hierbleiben. Studien haben ergeben, dass der Vorteil, der sich in nördlichen Ländern durch die längeren Tage im Sommer rechnerisch ergäbe, durch die Schlechtwetterperioden, in denen die Vögel nicht jagen können, wieder zunichtegemacht wird. Es bleibt bis heute ihr Geheimnis, warum sie trotzdem immer wieder an ihre angestammten Brutplätze zurückkehren.

ruhe:bringer
Von dem deror wird gesagt: »Sogar der Sperling hat ein Haus gefunden, und der [Mauersegler] ein Nest für sich, wohin er seine Jungen legt – deine Altäre, HERR der Heerscharen, mein König und mein Gott!« (Ps 84,4). Die Übersetzung wurde hier modifiziert, denn das Wort wird hier, wahrscheinlich aus poetischen Gründen, meistens mit »Schwalbe« wiedergegeben. Der Sperling oder Spatz, der als massenhaft auftretender Allerweltsvogel ein Symbol für Geringgeschätztes ist, wird neben den ruhelosen Mauersegler gestellt. Selbst der Geringste und Getriebenste findet bei Gott Ruhe und Sicherheit.
Nur einer fand als Mensch weder Tag noch Nacht Ruhe (Ps 22,3). »Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege [griech. klino]« Mt 8,20). Er starb aufrechtstehend für uns. Das war nötig, bevor Er zur Ruhe kam. Dort am Kreuz auf Golgatha sprach Er: »Es ist vollbracht! Und er neigte [griech. klino] das Haupt und übergab den Geist« (Jh 19,30).
Quellennachweis:
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Bildnachweis:
Wikipedia: ruhender Mauersegler / Klaus Roggel // einzelner, fliegender Mauersegler / pau.artigas
andere Lizenzen: Mauerseglerportrait / shutterstock_44656858.jpg / Marek Velechovsky // Mauersegler an Lehmwand / shutterstock_1568294260.jpg / Miroslav Hlavko // Posen fliegender Mauersegler / shutterstock_426164464.jpg / Gallinago_media // im Flug trinkender Mauersegler / shutterstock_1200960928.jpg / Bouke Atema