Aus der Familie der Bären (Ursidae) kommen die größten Raubtiere und bis heute kommt der Braunbär (Ursus arctos) in verschiedenen Regionen des Nahen Ostens vor. Obwohl er sich überwiegend vegetarisch ernährt, kann er dem Menschen gefährlich werden.
Sowohl die hebräische und aramäische Bezeichnung dob oder dov als auch das griechische Wort arktos bezeichnet in der Bibel wahrscheinlich den Syrischen Braunbären (Ursus arctos syriacus), den man früher als eigene Unterart definiert hat. Er war von der heutigen Türkei bis zur Arabischen Halbinsel verbreitet. Er ist etwas heller gefärbt als die meisten europäischen Vertreter und nicht ganz so groß. Er wird »nur« bis zu 190 Kilogramm schwer, während die größte Unterart des Braunbären, der Kodiakbär aus Alaska, mit bis zu 780 Kilogramm mehr als viermal so schwer werden kann und damit das größte Landraubtier ist.

ara:bär
Obwohl der Braunbär in vielen unterscheidbaren Formen auftritt, zeigen genetische Daten heute, dass diese sich nicht klar voneinander abgrenzen lassen und viele Unterarten nur auf dem Papier bestehen. Der hebräische Name ist von dem Verb dabab für »schleichen, sich gemächlich bewegen« abgeleitet, was den Bären gut charakterisiert. Dov ist zwar heute ein beliebter jüdischer Männername, kommt aber in der Bibel nicht als Name vor. Das griechische Wort arktos klingt vertraut, denn die geographische Bezeichnung »Arktis« leitet sich davon ab. Der hohe Norden liegt unter dem Sternbild »Großer Bär« und der Polarstern, der nahezu senkrecht über dem Nordpol steht, gehört zum Sternbild »Kleiner Bär«. Obwohl das den astronomischen Fachbezeichnungen »Ursa major« und »Ursa minor« entspricht, sind die Bezeichnungen »Großer Wagen« und »Kleiner Wagen« im Deutschen gängiger. In anderen Kulturen tragen die Sternbilder oft ganz andere Namen und so wird zwar der »Große Bär« in einigen deutschsprachigen Bibelübersetzungen erwähnt (Hi 9,9; 38,32), aber die hebräische Bezeichnung dort (ajisch) hat nichts mit Bären zu tun.

bären:hunger
In Sprüche 28,15 finden wir folgenden Vergleich: »ein gieriger Bär: So ist ein gottloser Herrscher über ein armes Volk«. Und auch in dem Aufruf: »Steh auf und friss dich voll mit Fleisch!« (Dan 7,5 NeÜ) wird auf seine »Unersättlichkeit« Bezug genommen. Auf den ersten Blick erscheint es als Allgemeinplatz, die Gier als Merkmal des Bären zu erwähnen. Fast jedes Raubtier schlingt seine Beute hastig hinunter, aus Sorge, sie mit arteigenen Konkurrenten und sonstigen Mitessern teilen zu müssen oder sie sogar an einen stärkeren Räuber zu verlieren. Was man hat, das hat man! Im Vergleich zu den meisten Hunde- und Katzenartigen wirkt der Bär dabei sogar noch recht gemütlich. Warum werden ausgerechnet sie als »gierig« bezeichnet? Das hebräische Wort dafür ist schakak. Es wird auch verwendet, um das Herumlaufen von Plünderern in einer Stadt (Joel 2,9) oder die unermüdliche Futtersuche der Heuschrecken (Jes 33,4) zu beschreiben – und spätestens jetzt erkennt man tatsächlich Parallelen. Während andere Raubtiere gezielt auf bestimmte Beute aus sind, wandert der Bär rastlos umher und stopft alles in sich hinein, was ihm essbar erscheint. Im Gegensatz zu großen Raubkatzen, die meistens irgendwo im Schatten vor sich hindösen, sieht man ihn pausenlos irgendetwas ausgraben, zusammenkratzen und abknabbern. Er ist sowohl tag- als auch nachtaktiv, braucht bis zu 16 Stunden, um seine Tagesration zu sammeln und vertilgt in absoluten Zahlen eine größere Nahrungsmenge als jedes andere Raubtier.

Biologisch gesehen haben wir es natürlich nicht mit einem moralischen Charakterzug wie Gier oder Habsucht zu tun, sondern mit einem schlechten Futterverwerter: die Braunbärenkost besteht typischerweise aus fast 80 Prozent pflanzlicher Nahrung, für die sein Verdauungssystem nicht spezialisiert ist. Er kann weder Zellulose (Pflanzenfasern) noch Lignin (Holz) verarbeiten, gleicht das aber durch die schiere Menge und Vielfalt seines Speiseplans aus. Früchte, Beeren, Pilze, Knospen, Knollen, Wurzeln, junge Blätter und Grassamen bilden die Hauptspeise. Insekten, Fische, Amphibien, Aas und Vogeleier sind das Add-on. Um einmal richtig satt zu werden, macht er daneben Jagd auf große Säugetiere – Wildtiere wie Rehe, Hirsche und Wildschweine, aber leider auch Weidetiere wie Schafe, Ziegen und Rinder.
bär:beissig
Im Gegensatz zu den Familien der Katzen- und Hundeartigen sind Bären nicht auf die Jagd spezialisiert. Ihre Sinne sind längst nicht so gut ausgeprägt. Die meisten sehen nur schlecht und hören mittelmäßig. Sie verlassen sich auf ihren exzellenten Geruchssinn und sind wahre Feinschmecker, was ihnen bei der Nahrungswahl hilft. Es gibt unter den Bären sogar einen reinen Pflanzenfresser, den Großen Panda (Ailuropoda melanoleuca), der es als »schwarzes Schaf« in die Ordnung der Raubtiere geschafft hat. (Der Koala, ebenfalls ein reiner Pflanzenfresser, ist dagegen ein Beuteltier und wird nur irrtümlicherweise als »Bär« bezeichnet.)

Wenn »Meister Petz« in seinem gemächlichen Passgang dahergetrottet kommt und sich hauptsächlich für Grünzeug interessiert, könnte man ihn für einen harmlosen, sanften Riesen halten. Aber der Schein trügt. Die Bibel zeichnet ein realistisches Bild, wenn sie seine Gefährlichkeit beschreibt. Ein wütender Bär ist ein furchtbarer Gegner, und eine langjährige Untersuchung ergab, dass etwa die Hälfte der weltweit verzeichneten Bärenangriffe auf die Verteidigung der Jungtiere durch ihre Mutter zurückzuführen ist. Das war schon den Schreibern der Bibel bekannt: »Du kennst doch deinen Vater und seine Männer: Sie alle sind kampferprobte Soldaten. Sie werden erbittert kämpfen wie eine Bärin, der man die Jungen weggenommen hat« (2Sam 17,8 Hfa). Auch wenn Husai, der treu zu David haltende Arkiter, den rebellischen Absalom mit seinem falschen Rat ins Verderben stürzt, ist das Bild, das er gebraucht, zutreffend. Die Angriffslust und Wildheit der Bärin ist geradezu sprichwörtlich: »Lieber einer Bärin begegnen, der man die Jungen geraubt hat, als einem Dummen in seiner Torheit« (Spr 17,12), wobei dumme Menschen noch weit größeren Schaden anrichten. Gott bezieht den Vergleich mit der Bärenmutter sogar auf Sein Handeln als unerbittlicher Richter: »Ich falle sie an wie eine Bärin, der die Jungen geraubt sind und reiße ihnen den Brustkorb auf« (Hos 13,8 NeÜ). Ganz nebenbei wird in diesem Vers auch noch die typische Vorgehensweise des Bären erwähnt, seine Beute mit den mächtigen, krallenbewehrten Tatzen zu erschlagen und aufzuschlitzen (während alle anderen Raubtiere typischerweise mit Bissen töten).

Im Ranking der »tödlichsten Tiere« findet man den Bären »unter ferner liefen …«. Bei den 50-60 Bärenangriffen, die im Mittel weltweit pro Jahr dokumentiert werden, kommt es zu 10-20 Todesfällen. Das ist schrecklich. Vergleicht man das allerdings mit den 30.000 Menschen, die jedes Jahr durch Angriffe von Hunden ums Leben kommen, relativiert es sich etwas. Das hat jedoch hauptsächlich damit zu tun, dass es auf der Welt viele Hunde gibt, die mit den Menschen zusammenleben, während es nur wenige Bären gibt, die ihm dazu noch möglichst aus dem Weg gehen und nur in dünn besiedelten Gebieten vorkommen. Ein tragisches Ereignis, wie es in 2. Könige 2,23.24 beschrieben wird, mischt die Statistik auf: »Und er [Elisa] ging von dort hinauf nach Bethel; und als er auf dem Weg hinaufging, da kamen kleine Knaben aus der Stadt heraus und verspotteten ihn und sprachen zu ihm: Komm herauf, Kahlkopf! Komm herauf, Kahlkopf! Und er wandte sich um und sah sie an und fluchte ihnen im Namen des HERRN. Da kamen zwei Bären aus dem Wald und zerrissen von ihnen 42 Kinder.«
räu:bär
Die meisten gefährlichen Begegnungen in biblischer Zeit gab es wahrscheinlich, weil das Vieh pastoral gehalten wurde, also in Herden, die von Hirten geführt und begleitet wurden (während heute die Weidewirtschaft in eingezäunten Arealen überwiegt). Für den Hirten war es riskant, sich einem Raubtier entgegenzustellen. Der junge David, der bereits ein mutiger Held und voller Gottvertrauen war, konnte seinem König allerdings berichten: »Dein Knecht weidete das Kleinvieh für seinen Vater; kam nun ein Löwe oder ein Bär und trug ein Stück von der Herde fort, so lief ich ihm nach und schlug ihn und entriss es seinem Rachen; und erhob er sich gegen mich, so ergriff ich ihn beim Bart und schlug ihn und tötete ihn. Sowohl den Löwen als auch den Bären hat dein Knecht erschlagen« (1Sam 17,35.36). David schrieb seinen Sieg nicht seinen eigenen Fähigkeiten, sondern dem Rettungshandeln Gottes zu: »Der Herr hat mich vor den Krallen der Löwen und Bären geschützt« (1Sam 17,37 GN).

Damit ist David ein Hinweis auf den »wahren David«, den Herrn Jesus, der von Sich sagt: »Ich bin der gute Hirte; der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe« (Jh 10,11). Äußerlich sah es so aus, als ob Sein Kampf verloren ging, als Er Sein Leben hingab und von den Menschen, die Ihn wie wilde Raubtiere umringten, ans Kreuz geschlagen wurde. Und doch war es ein überwältigender Sieg, in dem Er »der Schlange den Kopf zermalmte« (vgl. 1Mo 3,15). Dadurch hat Er »uns eine Erlösung gebracht, die für immer gilt« (Heb 9,12 NeÜ). Natürlicherweise stehen wir in demselben Kampf. Satan (die alte Schlange; Off 20,9) verfolgt uns wie ein reißendes Raubtier – und wer glaubt, dass er irgendwo Sicherheit findet außer bei Jesus, den erwischt er am Ende als heimtückische Schlange, so wie es hier in ähnlicher Weise beschrieben wird: »Wie wenn jemand vor dem Löwen flieht, und es begegnet ihm ein Bär; und er kommt nach Hause und stützt seine Hand an die Mauer, und es beißt ihn eine Schlange« (Am 5,19).

Aber: Wie dankbar können wir sein, dass Gott, der Vater, Seine bzw. die Feinde Seines Sohnes (im Bild gesprochen) nicht wie mit kräftigen Bärentatzen erschlug und aufschlitzte – sondern dass Er sogar bereit war, Seinen vielgeliebten Sohn zu richten und Seine Hand gegen Ihn ausstreckte (vgl. 1Mo 22,10). Was für eine Liebe muss der Vater zu uns Menschen haben (Jh 3,16), dass Er selbst Seinen einzigartigen Sohn, den Abglanz Seiner Herrlichkeit, aktiv gab – während Bärinnen »erbitterten Gemütes« sind, wenn sie ihrer Jungen beraubt werden (2Sam 17,8)!

Quellennachweis:
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https://www.guinnessworldrecords.com/world-records/largest-empire-by-percentage-of-world-population; abgerufen am 03.11.2023
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Ware, JV; Lynne Nelson, O; Robbins, CT: Temporal organization of activity in the brown bear (Ursus arctos): roles of circadian rhythms, light, and food entrainment. American Journal of Physiology, Regulatory, Integrative and Comperative Physiology 2012; 303(9):890-902; doi: 10.1152/ajpregu.00313.2012
Bildnachweis:
Wikipedia: Syrischer Braunbär / Chandres
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