Weltweit stehen fast eine Milliarde Rinder auf Stallböden und Weiden. Während sie heute überwiegend als Produzenten von Milch und Fleisch gehalten werden, nutzte man in biblischer Zeit vor allem ihre Arbeitskraft. Standen sie damals als wertvollste Nutz- und Opfertiere in hohem Ansehen, geht es in den letzten Jahren in den Medien hauptsächlich um ihre »Ökobilanz«. Methanausstoß, Flächenverbrauch und Energiebedarf der Rindviecher sowie die vegane Ethik sind Themen, die inzwischen an ihrem Image kratzen.
Wie bei allen Nutztieren, die schon seit frühester Zeit von Menschen gehalten wurden und von großer wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung sind, hat sich auch beim Weidevieh ein vielfältiges Vokabular zur Bezeichnung der Geschlechter, Altersklassen und Nutzungsformen etabliert, wobei die Übergänge in Hebräisch fließender sind als in Griechisch und Deutsch.

muh:schpoke
Rind, Rindvieh und Weidevieh ist ein Gattungs- oder Sammelbegriff für das Hausrind (Bos taurus), unabhängig von Alter und Geschlecht. Das biblische Pendant ist das hebräische bakar (172x) und elef (7x), sowie das griechische bous (7x). Das hebräische schor (68x) kann ebenfalls beide Geschlechter bezeichnen, wird aber in Kombinationen auch spezifisch für die erwachsenen männlichen Tiere verwendet (Hi 21,10).
Eindeutige Ausdrücke für Bullen oder Stiere, also männliche erwachsene (d. h. geschlechtsreife) Tiere, die ein Alter von mindestens 18 Monaten haben, sind das aramäische tor (7x), das hebräische poetische abbir (Ps 50,13; 68,31) mit der Bedeutung »Gewaltige« sowie das griechische tauros (Mt 22,4; Apg 14,13; Heb 9,13; 10,4). Das meistgebrauchte hebräische Wort für den Stier, gerade bezogen auf das Opfertier, ist par (119x). Die Bezeichnung »Ochse« für ein kastriertes männliches Rind hat in der Bibel keine Entsprechung, sondern wird nur umschrieben (3Mo 22,24) – aber dazu später mehr.
Eine Kuh ist in der deutschen Sprache ein weibliches Rind, das bereits »gekalbt«, also Nachwuchs zur Welt gebracht hat. Dann kann sie gemolken werden, ist also eine »Milchkuh« – und wenn sie auch das Kalb säugt, eine »Mutterkuh«. Sie wird unterschieden von der Jungkuh, Färse oder Kalbin, die noch nicht gekalbt hat, keine Milch gibt und in der Regel unter drei Jahre alt ist.
Da Kühe im Altertum wenig Bedeutung für die Milchwirtschaft hatten, wurden sie eher nach dem Alter unterschieden. Dabei bezeichnet para (22x), die feminine Form von par, die ausgewachsene, weibliche Kuh. Mit dem Zusatz »säugende Kuh«, parot alot (1Mo 33,13; 1Sam 6,7.10), kommt sie nur in diesen drei Versen vor. Eine besondere Bedeutung hatte das Opfer einer roten Kuh für die Herstellung von rituellem Reinigungswasser (4Mo 19). Da die LXX hier mit dem griechischen Wort damalis übersetzt, das »junge Kuh« bedeutet und im NT zitiert wird (Heb 9,13), wurde dies in manchen Übersetzungen zurückprojiziert, sodass para in diesem Kapitel ebenfalls als »junge Kuh« wiedergegeben wird (z. B. in der ÜElb: 4Mo 19,2.5.6.9.10). Das ist allerdings irreführend.

Die hebräische Bezeichnung für eine junge Kuh (Kuhkalb) ist egla (11x), die Bezeichnung für ein männliches Kalb (Stierkalb) egel (35x), was auch das Kalb im Allgemeinen bezeichnet, ebenso wie der Ausdruck ben-bakar (37x), was wörtlich übersetzt so viel wie »Rindernachwuchs« bedeutet. Während allerdings das deutsche Wort »Kalb« Rinder bis zur Entwöhnung in einem Alter von etwa 7 Monaten bezeichnet, umfassen die hebräischen Begriffe auch die Jungrinder, also Jungbullen und junge Kühe (Färsen, Kalbinnen) bis zu einem Alter von drei Jahren (1Mo 15,9). Ein schöner Beleg dafür ist der Ortsname Eglat-Schelischija (Jes 15,5; Jer 48,34), der »dreijährige junge Kuh« bedeutet. Die tatsächlich jungen Kälber wurden dagegen mit dem griechischen Wort moschos (6x) bezeichnet.

Außerdem gibt es noch eine Reihe von Nutzungs- und Tätigkeitsbezeichnungen. Der Beruf des Rinderhalters oder -hirten, wie ihn Amos vor seiner Berufung zum Propheten ausgeübt hatte, wird als noked (Am 1,1) oder boker (Am 7,14) bezeichnet. Weiderinder, die man für die Zucht und Milchproduktion hielt, wurden als bakar-ri (1Kön 5,3) bezeichnet und wenn sie zur Fleischproduktion gehalten wurden als meri (7x), womit man das »Mastvieh« im Allgemeinen bezeichnete und mit egele marbek (Mal 3,20) speziell die Mastkälber. Die griechische Entsprechung dazu ist sitistos (Mt 22,4), das sich von dem Verb für Mästen, siteutos (Lk 15,23.27.30), und dem Wort für Getreide, sitos, als verwendetem Mastfutter, ableitet.
Eine sehr schöne poetische Bezeichnung für Rinder ist das hebräische alluf (Ps 144,14), das so viel wie »Vertraute, Zahme« bedeutet. Eine ähnliche Wertschätzung drückt sich auch in Namen aus. Jedenfalls können wir annehmen, dass Prinzessin Egla (»junge Kuh«: 2Sam 3,5; 1Chr 3,3) und König Eglon (»junger Stier«: Ri 3,12.14.15.17) ihn nicht als Schmähung empfanden. Auch der Name Parnak (»geopferter Stier«: 4Mo 34,25) ist wahrscheinlich positiv gemeint. Ein Ortsname wie En-Eglaim (»Quelle der Kälber«: Hes 47,10) ist eher neutral und die Bezeichnung »Misttor« (Neh 2,13; 3,13.14; 12,31) funktional zu verstehen. Wenn aber die Städtenamen Dimna (Jos 21,35), Madmanna (Jos 15,31; 1Chr 2,49) und Madmena (Jes 10,31) »Misthaufen« bedeuten, drückte dies Geringschätzung aus, wie auch der Name Peresch (»Mist«: 1Chr 7,16) für diesen Mann wahrscheinlich keine Freude war.

rinder:arbeit
Während Rinder in unserer heutigen Agrarkultur in erster Linie zur Milchproduktion gehalten und auch als »Milchvieh« bezeichnet werden, bestand ihr Hauptnutzen im Nahen Osten des Altertums in ihrer Arbeitsleistung. Ohne ihre Energie wäre es nicht möglich gewesen, Landwirtschaft in großem Stil zu betreiben: »Wo keine Rinder sind, spart man ihr Futter; aber für reiche Erträge braucht man ihre Kraft« (Spr 14,4 GN). Sie wurden paarweise vor den agala gespannt, einen schweren, meist zweirädrigen Karren, um damit Güter zu transportieren (1Sam 6,7-14; 2Sam 6,3-6; 1Chr 13,7-9) oder die Ernte einzubringen (Am 2,13). Als Reittiere wurden Pferde und Esel bevorzugt, als Lasttiere Esel und Kamele, aber als Zugtiere waren die starken Rinder außer Konkurrenz.
Sie zogen auch den Pflug (5Mo 22,10; 1Kön 19,19; Hi 1,14; Am 6,12) und droschen das Getreide (5Mo 25,4; Hos 10,11; 1Kor 9,9; 1Tim 5,18), indem sie über die ausgebreiteten Garben stampften (Jer 50,11) oder einen Dreschwagen (2Sam 24,22; 1Chr 21,23; Jes 28,28) oder Dreschschlitten (Jes 41,15; Am 1,3) darüber zogen. Da es üblich war, sie paarweise anzuspannen, wurden sie auch so gezählt. Es zeugt von einem gewissen Wohlstand, wenn Elisa – wahrscheinlich auf dem elterlichen Hof – seine Arbeiter beaufsichtigt, die mit zwölf Gespannen, also insgesamt 24 Rindern, gleichzeitig pflügten (1Kön 19,19). Von Hiob wird berichtet, dass er »1.000 Joch Rinder« hatte (Hi 42,12), also doppelt so viele Tiere. Bei ihm finden wir eine gute Zusammenfassung des Arbeitseinsatzes in einer Agrarsaison (Hi 39,10-12): Pflügen, Eggen, Ernte einbringen, Dreschen – allerdings in einer rhetorischen Frage Gottes; Auerochsen würden diese Tätigkeiten nicht für den Menschen übernehmen – Hausrinder glücklicherweise schon!
Die räumliche und zeitliche Verbreitung der verschiedenen Rinderrassen ist schwer zu rekonstruieren. Einige Abbildungen aus Israel zeigen Tiere, die den indischen Zebus ähneln. Ihr auffälligstes Merkmal ist der fettgefüllte Schulterbuckel, der als Energiespeicher dient, wie der Fettschwanz bei Schafen und der Höcker bei Kamelen. Andere Abbildungen zeigen Tiere mit gewaltigen Hörnern, ähnlich denen alter ägyptischer Langhornrinder und heutiger Watussi-Rinder. Es ist keinesfalls so, dass die damaligen Rassen durchweg kleiner und magerer waren als die heutigen. Allerdings war die Milchleistung mit etwa 3-4 Litern pro Tag deutlich geringer und lag in einem Bereich, der fast schon mit guten Schafen und Ziegen erreicht werden konnte, die man schon seit frühester Zeit auf dieses Zuchtziel hin selektiert hatte und die viel einfacher zu halten waren. So finden wir zwar Kuhmilch und daraus zubereitete Produkte wie Quark (5Mo 32,14) und Käse (2Sam 17,29) in der Bibel, aber ihre Rolle als Milchlieferanten war viel kleiner als die der Schafe und Ziegen. Auch als Lieferanten von Fleisch und Leder waren sie von untergeordneter Bedeutung. Rindfleisch war ein Luxusgut und der Verzehr eine seltene Ausnahme, im Zusammenhang mit Festen oder der Beköstigung von Ehrengästen. Bei der Einweihung des Tempels schlachtete König Salomo 22.000 Rinder als Friedensopfer (1Kön 8,63; 2Chr 7,5). Das bedeutete, dass diese Tiere (bis auf das Fett und die Nieren, die auf dem Altar verbrannt wurden) von den Festteilnehmern verspeist werden durften. Möglicherweise handelte es sich hier nicht nur um »das größte Barbecue aller Zeiten«, sondern für viele auch die einzige Gelegenheit in ihrem Leben, bei der sie Rindfleisch zu essen bekamen.

ochsen:weg
In vielen Kulturen kastriert man die männlichen Rinder vor dem Erreichen der Geschlechtsreife und macht so »Ochsen« aus ihnen. Sie werden dann zwar nicht so schwer wie die Stiere, aber ihr Fleisch ist schmackhafter und erzielt höhere Preise. Im Gegensatz zu Stieren sind Ochsen in der Regel ruhiger und weniger aggressiv, was sie zu willigeren Arbeitspartnern macht. Ochsen können auch besser ausgebildet werden, um landwirtschaftliche Arbeiten wie Pflügen und Eggen durchzuführen oder vor einen Karren gespannt zu werden, und sind ausdauernder und anspruchsloser. Das bedeutet aber nicht, dass Ochsen unbedingt benötigt werden. Zum einen wurden weibliche Tiere ebenfalls zum Arbeiten eingesetzt (4Mo 19,2; 5Mo 21,3; 1Sam 6,7), zum anderen können auch Stiere bei straffer Führung und mit entsprechenden »Zwangsmaßnahmen«, wie Nasenring und Rinderstachel, zu jeder dieser Tätigkeiten eingesetzt werden, wenn auch die duldsame und gutmütige Art der Ochsen die Zusammenarbeit sehr viel leichter macht.

Im Volk Israel war man sich der Vorteile des Ochsens bewusst. Trotzdem gilt für die Juden seit frühester Zeit ein strenges Kastrationsverbot, das sich aus diesem Vers ableitet: »Ein Tier, dem die Hoden zerquetscht, zerschlagen, abgerissen oder abgeschnitten wurden, darf dem HERRN nicht geopfert werden. Das sollt ihr in eurem Land nicht mit Tieren tun« (3Mo 22,24 NLÜ). Obwohl manche Ausleger zurecht darauf hinweisen, dass sprachlich offenbleibt, ob sich der letzte Teil des Verses auf das Kastrieren oder nur das Opfern bezieht, sind die Juden »auf Nummer sicher gegangen« und haben ganz auf die Kastration verzichtet. Manchmal ließen Viehhalter sich die Jungstiere von Nichtjuden »stehlen« und bekamen sie dann kastriert zurück. Während andere »kreative« Unterwanderungen der Gebote oft toleriert wurden, gab es in diesem Fall aber keinen Pardon. Wer erwischt wurde, musste seinen Ochsen umgehend an einen Nichtjuden verkaufen. Es gibt keine historischen Belege dafür, dass Kastration in Israel in alt- oder neutestamentlicher Zeit praktiziert worden wäre. Jüdische Kommentatoren des Gesetzes ordnen dieses Verbot sogar (fälschlicherweise) den »sieben noachitischen Geboten« zu, die einen besonderen Rang einnehmen, weil sie auf Gottes Bund mit Noah (1Mo 9,1-17) zurückgehen und nicht nur für Juden, sondern für alle Menschen gelten (Talmud, Sanhedrin 56b:22).
Zum einen hat der Begriff »Ochse«, der in altem Deutsch auch den Zuchtstier bezeichnen konnte, einen Bedeutungswandel erfahren, zum anderen wurde die heimische Landwirtschaftspraxis von Übersetzern manchmal irrtümlich auf die Bibel übertragen. So kommt es, dass der Ochse bisher erst in wenigen Neubearbeitungen (NGÜ, Menge) ganz verschwunden ist – und selbst in Übersetzungen, die dem Thema »Tiere und Pflanzen« heute vorbildliche Beachtung schenken, tauchen noch zwei (GN; NeÜ, Zü), drei (Lu), vier (NLÜ) oder sechs (SB) Ochsen auf. In der Lieblingsübersetzung des Autors trotten im aktuellen Textstand (ÜElb T07, 2021) leider immer noch 35 Ochsen herum, die eigentlich Stiere sind.

Ein freilaufend gehaltener Stier bedeutet immer ein gewisses Risiko, weil er leicht reizbar ist und unberechenbar reagieren kann. Das Gesetz enthielt genaue Vorschriften, wie Unglücksfälle mit Rindern juristisch zu behandeln sind (2Mo 21,28-36). Das aggressive Verhalten des Viehs wird mit dem hebräischen Wort naggach bezeichnet und als »stößig« übersetzt. Der Besitzer konnte sogar zum Tode verurteilt werden, wenn er von der Gefahr wusste und trotzdem jemand durch seine Unachtsamkeit ums Leben kam. Ein interessantes Detail am Rande dieser Anordnung ist, dass er sich freikaufen konnte, wenn das Opfer kein freier Bürger, sondern »nur ein Knecht« war. Die Ablösesumme betrug 30 Sekel Silber (2Mo 21,32), ein Betrag, der manchen Bibelleser vielleicht an eine prophetische Aussage erinnert (Sach 11,12.13), die sich beim Verrat des Judas erfüllte: »Was wollt ihr mir geben, und ich werde ihn euch überliefern? Sie aber setzten ihm dreißig Silberstücke fest […] Sie hielten aber Rat und kauften dafür den Acker des Töpfers als Begräbnisstätte für die Fremden […] Da wurde erfüllt, was durch den Propheten Jeremia geredet ist, der spricht: Und sie nahmen die dreißig Silberstücke, den Preis des Ge schätzten, den man geschätzt hatte seitens der Söhne Israels und gaben sie für den Acker des Töpfers, wie mir der Herr befohlen hat« (Mt 26,15; 27,7.9.10) – Es war der »Preis für einen toten Knecht«!

goldenes:kalb
Rinder waren die stärksten Nutztiere und die wertvollsten Opfertiere. Aus der Zeit, in der das Volk Israel in Ägypten wohnte, sind verschiedene Stier-Kulte im Rahmen des dort herrschenden Götzendienstes überliefert. Selbst der Pharao wurde häufig als Stier dargestellt. Gut möglich, dass die Israeliten dadurch beeinflusst wurden, als sie sich entschieden, dass das Abbild eines Stieres ein passendes Bild des einen Gottes JHWH sei, der sich ihnen schon sehr eindrücklich offenbart hatte.
Besonders gut überliefert wurde der Kult der Apis-Stiere. Ein lebender Stier, immer nur einer zur selben Zeit, wurde sorgfältig ausgewählt anhand bestimmter körperlicher Merkmale und galt als Verkörperung des Schöpfergottes Ptah. Er wurde als heilig verehrt und bestens gepflegt, erreichte dadurch ein hohes Alter von bis zu zwanzig Jahren, wurde nach seinem Tod einbalsamiert und als Mumie nach einem ähnlichen Ritus wie verstorbene Pharaonen bestattet. In Sakkara wurde das »Serapeion« entdeckt, eine Grabanlage, in der nacheinander 22 Apis-Stiere feierlich zur letzten Ruhe gebettet wurden. Nach der Vorstellung dieses Kultes vereinigten sie sich nach ihrem Tod mit dem Gott Osiris und wurden selbst zu Totengöttern. Auch die Göttin Hathor wurde häufig als Rind oder Mensch mit einem Rinderkopf dargestellt. In bildlichen Darstellungen tragen sowohl die Apis-Stiere als auch Hathor-Bildnisse häufig eine scheibenförmige Darstellung der Sonne zwischen ihren Hörnern. Vielleicht war das Goldene Kalb diesen Götzenbildern nachempfunden. Es liegt wenig Nutzen darin, sich mit den Details des Götzendienstes der alten Ägypter zu beschäftigen, aber diese Beispiele weisen darauf hin, dass Israel hier eine Prägung mitbekam, die sie in ihrer späteren Geschichte immer wieder einholte.

Das Volk wollte sein »wie alle Nationen« (5Mo 17,14; 1Sam 8,20) – einen »richtigen« König und einen sichtbaren Gott haben. So drängten sie Aaron: »Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen!« (2Mo 32,1). Die Propheten werden später immer wieder betonen, wie töricht diese Idee ist. Während der wahre Gott Sein Volk trägt und errettet (Jes 46,3.4), müssen Götzenbilder von Menschen getragen werden und sind völlig nutzlos: »Da schütteln sie Gold aus dem Beutel und wiegen Silber mit der Waage ab, sie bezahlen einen Goldschmied, damit er ihnen daraus einen Gott macht, vor dem sie niederfallen, ja, den sie anbeten. Sie nehmen ihn auf die Schulter, tragen ihn und stellen ihn an seinen Ort; da steht er und rührt sich nicht von der Stelle; ja, man schreit zu ihm, aber er antwortet nicht; er rettet niemand aus seiner Not« (Jes 46,6.7 SB).
Während das Volk ruft: »Das ist unser Gott, der uns aus Ägypten befreit hat!« (2Mo 32,4 Hfa), versucht Aaron zumindest die Brücke zu schlagen und das Bild mit JHWH zu identifizieren: »Ein Fest dem HERRN ist morgen!« (2Mo 32,5). Obwohl die ganze Aktion von Gott eindeutig verurteilt wurde und ein Strafgericht zur Folge hatte, wird der Kälberkult ca. 630 Jahre später durch König Jerobeam I. neu aufgelegt und mit den gleichen Worten konstituiert (1Kön 12,28). Bis zur Wegführung durch die Assyrer im Jahr 721 v. Chr. wurde Gott im israelischen Nordreich über 250 Jahre lang durch falsche Priester (die weder Aaroniten noch Leviten waren), an falschen Orten (in Bethel und Dan statt in Jerusalem) und zu falschen Zeiten (sie hatten einen eigenen Festtagskalender etabliert, vgl. 1Kön 12,33) zu den Füßen eines Goldenen Kalbes »angebetet«. Auf einer Tonscherbe (Ostrakon Nr. 41), die man in Samaria ausgegraben hat, fand man den Namen »Egeljahu« – »JHWH ist ein junger Stier« – ein trauriger Beleg dafür, dass dieser Götzendienst im Namen des HERRN ausgeübt wurde. Für Gott ist allerdings die richtige Herzenshaltung entscheidend, die sich darin zeigt, dass man Seine Autorität anerkennt und Ihn in der Weise verehrt, die Seinen Anordnungen und Seinem Wesen entspricht. Der Kälberkult wird von Ihm deswegen mit der Verehrung fremder Götter gleichgesetzt: »Sie machten sich ein Kalb am Horeb und warfen sich nieder vor dem gegossenen Bild. Sie vertauschten den, der ihre Herrlichkeit war, gegen das Abbild eines Stiers, der Gras frisst.« (Ps 106,19.20 SB). Der Prophet Jeremia erklärt, warum das für Gott ein besonderer Affront war: »Hat je ein Volk die Götter ausgetauscht? Dabei sind es nicht einmal Götter! Doch mein Volk tauscht seine Herrlichkeit ein gegen das, was gar nichts nützt!« (Jer 2,11 NeÜ) – Israel kennt den wahren Gott und tauscht Ihn immer wieder gegen Götzen ein – das Goldene Kalb, Moloch (Molech), Raiphan (Kijun), Baal, Astarte (Aschera), Baal-Sebub, Kamos, Milkom, Tammus, um nur einige zu nennen – während die Heidenvölker, solange sie existierten, ihren Nicht-Göttern treu blieben. Der Prophet Jesaja ergänzt, dass sich pikanterweise selbst die Tiere intelligenter verhalten, wenn sie die Eigentumsrechte und Autorität ihrer Halter anerkennen: »Jedes Rind kennt seinen Besitzer und jeder Esel die Futterkrippe seines Herrn. Israel aber will nicht begreifen, wem es gehört; mein Volk nimmt keine Vernunft an« (Jes 1,3 GN).

Die Verehrung von geschnitzten und gegossenen Götzenbildern zählt nicht zu den Problemen der heutigen evangelischen Christenheit. Trotzdem können wir diese Geschichte auf unsere Zeit anwenden. Mose hatte die Ältesten des Volkes am Fuß des Berges Sinai angewiesen: »Wartet hier auf uns, bis wir zu euch zurückkehren« (2Mo 24,14) – aber das Volk verliert schließlich die Geduld. Menschlich gesehen ist das verständlich, denn wie sollte ein einzelner Mann ohne größere Vorräte an Wasser und Proviant erst sieben (2Mo 24,16) und dann noch einmal 40 Tage (2Mo 24,18) auf diesem Berg in der Wüste verbringen und danach noch genug Kraft für den steilen Abstieg haben, ohne zu verdursten, zu verhungern und zu entkräften? Und so taten die Israeliten, was sie für richtig hielten, »und vergnügten sich« (1Kor 10,7).
In ähnlicher Weise hat auch der Herr Jesus, vielfach in Gleichnissen, aber auch sehr direkt und unmissverständlich, angekündigt, dass Er wiederkommen wird (z. B. Jh 14,3.18.28). Zwei Engel ermutigen die Jüngern nach der Himmelfahrt Jesu: »Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird ebenso kommen, wie ihr ihn habt auffahren sehen in den Himmel« (Apg 1,11). Paulus schreibt, dass sich Christen beim Feiern des Abendmahls immer auch daran erinnern sollen, dass sie es tun »bis er kommt« (1Kor 11,26). Trotzdem ist die Erwartung des Wiederkommens Jesu in der Christenheit weitgehend in Vergessenheit geraten. Wie der untreue Diener in einem Gleichnis zu sich selbst sagt: »Mein Herr zögert sein Kommen hinaus« (Lk 12,45), so hört man es in den »letzten Tagen« immer wieder: »Er hat doch versprochen wiederzukommen! Wo bleibt er denn? Inzwischen sind unsere Väter gestorben, aber alles ist immer noch so, wie es seit der Schöpfung von Anfang an war« (2Pet 3,4 NeÜ). Menschlich gesehen ist das ebenfalls verständlich, denn Sein Versprechen: »Ich komme bald« (Offb 22,7.12.20) liegt schon fast 2.000 Jahre zurück. Petrus erklärt: »Wenn manche also meinen, Gott würde die Erfüllung seiner Zusage hinauszögern, dann stimmt das einfach nicht. Gott kann sein Versprechen jederzeit einlösen. Aber er hat Geduld mit euch und will nicht, dass auch nur einer von euch verloren geht. Jeder soll Gelegenheit haben, zu Gott umzukehren« (2Pet 3,9 Hfa). Wenn du dich schon für Jesus entschieden hast, dann prüfe dich vor dem Hintergrund dieser historischen Parallelen: Warte ich glaubend, bis Er wiederkommt, oder tanze ich auch irgendwann um ein selbst gewähltes Goldenes Kalb?

pflug:meilen
Es ist ein schönes Bild von Eintracht, Kooperation und Harmonie, wenn zwei Tiere nebeneinandergeschirrt schwere Arbeit wie das Ziehen eines Pfluges, einer Egge oder eines Lastkarrens verrichten. Das dabei verwendete Geschirr wird in Hebräisch als zemed bezeichnet (Jer 51,23), was so viel wie »Paar« (Ri 19,3.10) oder »nebeneinander« bedeutet (2Kön 9,25), es handelt sich also um ein »Doppeljoch«. Auch das griechische Wort zeugos (Lk 14,19) oder zygos (Mt 11,29.30; Apg 15,10; Gal 5,1; 1Tim 6,1) bezeichnet ein Doppeljoch – was man auch daran erkennen kann, dass es ebenfalls zur Bezeichnung der Waage (Offb 6,5) verwendet wird.
Das Pflügen mit dem Jochgespann war so gängig, dass man es sogar zur Definition eines Flächenmaßes heranzog. Ein »Ackerjoch«, hebräisch: zemed sade (1Sam 14,14) oder einfach »Joch« (Jes 5,10) war die Fläche, die man mit einem Gespann an einem Tag pflügen konnte. Das mag uns ungewöhnlich erscheinen, weil ja anzunehmen ist, dass diese Fläche je nach Bodenbeschaffenheit, Fertigkeit des Pflügers, Zustand der Tiere und des Gespanns usw. sehr stark variieren wird. Aber es scheint für Landwirte eine so gut vorstellbare Dimension zu sein, dass sich dieses Maß fast überall eingebürgert hat – ob wir das römische Iugerum, das englische acre oder das schweizer Juchart nehmen. Im Deutschen hat jede Region ihre eigene Bezeichnung. Jochart, Jauchart, Juchert, Jauch, Juck oder Juckert leiten sich klar von »Joch« ab, während Tagwan, Tagewerk, Tagwerk und Mannwerk sich auf den Arbeitstag beziehen. Die Einheit »Morgen« war in ähnlicher Weise definiert als: »Die Fläche, die mit einem einscharigen Rinderpflug an einem Vormittag pflügbar ist«. Historisch sind weit schwankende Maße (von 1.906 bis 11.780 qm) belegt, doch heute entspricht der »Metrische Morgen« 2.500 Quadratmetern, einem Viertelhektar (und entspricht damit ziemlich genau dem römischen Iugerum).

scream:team
Schaut man sich ein pflügendes Rindergespann an, ist nicht zu übersehen, dass die zusammengeschirrten Tiere einander in Größe, Gangart, Kraft und Temperament entsprechen müssen, wenn sie als Team effektiv arbeiten sollen. Alles andere wird nicht funktionieren, denn die Querstange des Jochs bleibt nur dann gerade, wenn die Last sich gleichmäßig auf Stirn oder Schulter beider Tiere verteilt. Die Bibel greift dieses einleuchtende Bild auf, wenn sie Christen warnt: »Seid nicht in einem ungleichen Joch mit Ungläubigen« (2Kor 6,14). Die zugehörige Fußnote in der überarbeiteten Elberfelderbibel besagt: »verschiedenartig zusammengejocht« und gibt damit den Sinn des griechischen heterozygeo sehr genau wieder. Sie enthält außerdem einen Verweis auf 5. Mose 22,10: »Du sollst nicht pflügen mit einem Rind und einem Esel zusammen«, wo die Ungleichheit noch deutlicher wird. Eine erklärende Übersetzung formuliert so: »Macht nicht gemeinsame Sache mit Menschen, die nicht an Christus glauben und daher andere Ziele verfolgen als ihr. Oder haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit irgendetwas miteinander zu schaffen? Gibt es irgendeine Gemeinsamkeit zwischen Licht und Finsternis, irgendeine Übereinstimmung zwischen Christus und dem Verderber, irgendetwas, was einen Gläubigen mit einem Ungläubigen verbindet?« (2Kor 6,14.15 NGÜ).

paarbe:ziehung
Aber das Bild des Doppeljochs wird nicht nur im negativen Sinn verwendet. Eine sehr schöne Erfahrung ist es, mit einem treuen Jochgenossen (griechisch: syzygos, Phil 4,3), zusammenzuarbeiten – gleiche Ziele, gleiche Ideale, gleiche Arbeitsweise, ein gleicher Weg und der gleiche Herr, der uns ermutigt: »Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht« (Mt 11,29.30). In Seiner Fürsorge belastet uns Gott nicht mehr als nötig: »Ich war zu ihnen wie jemand, der sein Rind schonend am Strick zieht und es leitet; mit Seilen der Liebe leitete ich sie. Ja, ich war zu ihnen wie die Landleute, die ihrem Rind das Joch anheben, damit es leichter fressen kann, die sich sogar bücken, um ihm sein Futter hinzuhalten« (Hos 11,4 GN).

Quellennachweis:
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Dönges, J: Aufgemalte Augen sollen Löwen bluffen. Spektrum.de 07.07.2016; https://www.spektrum.de/news/aufgemalte-augen-sollen-loewen-bluffen/1415795
Fink-Keßler, A: Milch. Vom Mythos zur Massenware. München (oekom) 2012
Haudenschild, R: Weltrekord: 35’144 Kilo Milch. Schweizer Bauer 01.02.2017; https://www.schweizerbauer.ch/tiere/milchvieh/weltrekord-35144-kilo-milch-2
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Lee, MA; Davis, AP; Mizeck, GGC: Forage quality declines with rising temperatures, with implications for livestock production and methane emissions. Biogeosciences 2017; 14:1403-1417; doi: 10.5194/bg-14-1403-2017
Lee, MA: Rinder rülpsen und pupsen uns immer stärker das Klima kaputt. Berliner Morgenpost 27.03.2017; https://www.morgenpost.de/vermischtes/article210066703/Immer-mehr-Rinder-pupsen-uns-immer-staerker-das-Klima-kaputt.html
Radford, C; McNutt, JW; Rogers, T: Artificial eyespots on cattle reduce predation by large carnivores. Communications Biology 2020; 3:430; doi: 10.1038/s42003-020-01156-0
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Ullman, BL: The origin and development of the alphabet. Archeological Institute of America 1927; 31(3):311-328; doi: 10.2307/497822
Bildnachweis:
Wikipedia: Relief mit Rindern aus Sakkara / Prof. Mortel // Kuh mit Euterhalter / Christian Bickel // Jochzeichnung / Pearson Scott Foresman // Ochsenkarren / William Carpenter // Kämpfende Stiere / Kristi Herbert // Rinderherde / Olga Ernst // Gemälde zum Apis-Kult / Satinandsilk
andere Lizenzen: Titel – Kuh Portrait / shutterstock ID_2396724633 / Diego Grandi // Kuh auf dem Berg Gilboa / shutterstock ID_2146242235 / Barbarajo // Stiere von Basan / shutterstock ID_101596660 / ChameleonsEye // Jochgenossen / shutterstock ID_1498181474 / Dan Eastman // Kuh mit Augenzeichnung auf Hintern / cattle_painted_eyes_on_back.jpg / Radford et al
Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer
