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Igel

Wo sich in unserer Ausdrucksweise »Fuchs und Hase Gute Nacht! sagen«, da trafen sich in biblischer Redewendung »Pelikan und Igel«. Die kleinen Stachelträger haben nur von wenigen Feinden etwas zu befürchten.

Das hebräische Wort kippod (Jes 14,23; 34,11; Zeph 2,14) leitet sich von einem Verb ab, das »zusammenrollen« bedeutet (Jes 38,12) und bezeichnet den Igel (auch im modernen Neuhebräisch). Wer schon mal versucht hat, einen Igel zu fangen, wird bemerkt haben, dass er nicht lange versucht, davonzulaufen, sondern sich zu einer Kugel zusammenrollt und sein Stachelkleid aufstellt. In dieser Abwehrhaltung ist er für die meisten Räuber unangreifbar. Es ist naheliegend, dass dieses Verhalten ihm seinen Namen »Zusammenroller« eingebracht hat.

spike:ball – Die Abwehrhaltung als perfekte »Stachelkugel« ist das Markenzeichen der Unterfamilie der Stachel-Igel (Erinaceinae). Damit können die meisten hungrigen Jäger nichts anfangen. Ob es tatsächlich Füchse gibt, die gelernt haben, einen Igel ins Wasser zu rollen, um ihn »abzuwickeln« oder ob das nur Jägerlatein ist, sei dahingestellt. In der Wüste dürfte dies ohnehin schwierig werden.

In Israel sind drei verschiedene Arten heimisch: Der Weißbrustigel (Erinaceus concolor) ähnelt in Aussehen und Verhaltensweise unserem heimischen Braunbrustigel und ist von diesem kaum zu unterscheiden. Der Eigentliche Langohrigel (Hemiechinus auritus) hat – wen wundert’s – besonders große Ohren, und der Arabische oder Äthiopische Wüstenigel (Paraechinus aethiopicus) sieht ebenfalls ähnlich aus, lebt aber bevorzugt in sehr trockenen Regionen. Er kommt zwar nicht in Israel vor, aber da sich die Bibelstellen, in denen er erwähnt wird, auf Babylon, Edom und Ninive beziehen, ist er sogar der wahrscheinlichste Kandidat.

haar:nadeln – Die Abbildung zeigt die drei im Nahen Osten lebenden Igelarten: A – den Äthiopischen Wüstenigel (Paraechinus aethiopicus), B – den Eigentlichen Langohrigel (Hemiechinus auritus), C – den Südlichen Weißbrustigel (Erinaceus concolor) und D – das Indische Weißschwanz-Stachelschwein (Hystrix indica). Als Bewohner von Ruinenstätten in der Wüste, wie die Bibel ihn in mehreren Versen beschreibt, kommt der Wüstenigel (A) am ehesten in Frage.

Einige englische Bibeln übersetzen kippod mit »porcupine«, was das Stachelschwein (Hystrix) bezeichnet. Ganz abwegig ist das nicht. Tatsächlich lebt das Indische Weißschwanz-Stachelschwein (Hystrix indica) sowohl in Israel als auch in den Gebieten, wo Ninive und Babylon liegen. Allerdings dürfte es auch den Übersetzern der LXX bekannt gewesen sein und sie hätten das griechisches Wort hystrix gewählt statt echinos, was immer den Igel bezeichnet. Außerdem rollen sich Stachelschweine bei Gefahr nicht zusammen, sondern greifen den Feind, wenn er sich durch ihre Drohgebärden nicht abschrecken lässt, im Rückwärtsgang an.

spitzen:kleid – In den Sidonischen Grabhöhlen von Tell Sandahannah oder Bet-Guvrin-Marissa (das ist wahrscheinlich der biblische Ort Marescha) wurden herrliche Tierzeichnungen aus dem 2. und 3. Jahrhundert vor Christus gefunden. Sie sind uns heute eine große Hilfe, weil alle dargestellten Arten mit ihrem griechischen Namen beschriftet sind. Auf diesem Bild ist ein farbenprächtiges Stachelschwein mit dem Label HYSTRIX zu sehen.

bett:decke

Der Igel wird in den drei genannten Versen im Zusammenhang mit der Verwüstung einstmals blühender Metropolen und Landschaften genannt. Da Wüstenigel sehr scheue und ausschließlich nachtaktive Tiere sind, die bevorzugt in Steinwüsten hausen, ist eine verlassene Ruinenstadt inmitten einer trockenen Einöde der perfekte Lebensraum.

farben:lehre – Die Gattung der Kleinohrigel (Erinaceus) umfasst vier Arten mitunter schiedlichen Verbreitungsgebieten. Der Chinesische Igel, der in Ostchina vorkommt, fällt etwas aus dem Rahmen, aber die drei in der Karte genannten Arten unterscheiden sich hauptsächlich durch leichte Farbvariation. Das mag etwas kleinlich erscheinen, aber in der Taxonomie galt lange »was unterscheidbar ist, wird unterschieden«. Sobald die Genetik der Lebewesen genauer unter die Lupe genommen wird, fasst man dann häufig wieder zusammen, was zusammengehört.

Kaum nachzuvollziehen ist, warum manche Übersetzungen kippod in der Zephanja-Stelle anders übersetzen, obwohl in allen drei Versen das gleiche hebräische Wort in der gleichen grammatikalischen Form und einem ähnlichen Zusammenhang auftritt und die alten Übersetzungen (LXX, Vulgata) ebenfalls alle drei Stellen mit »Igel« übersetzen. In einer stringenten Übersetzung lautet der Vers: »Alsdann werden Herden sich mitten darin lagern, Tiere von aller Art in Menge: Pelikane und Igel werden auf ihren Säulenknäufen Nachtruhe halten« (Zeph 2,14 Me). Möglicherweise hat die Beschreibung manchen Übersetzer irritiert. Obwohl Igel recht gut klettern können und zum Beispiel in der Lage sind, einen Maschendrahtzaun zu überwinden, finden sie an einer glatten Säule natürlich keinen Halt – wie also sollte ein Igel ganz oben auf dem Säulenknauf oder Kapitell einen Schlafplatz finden? Aber das ist gerade die Botschaft dieses Szenarios: Ein Trümmerfeld in der Wüste, einige Säulen stehen noch, das Dach, das sie einmal getragen haben, fehlt und dort sitzen die Pelikane; andere Säulen sind umgestürzt und in Stücke zersprungen, die Kapitelle liegen auf dem Boden, sodass es sich der Igel dort gemütlich machen kann.

tarn:kappe – Der israelische Friseur Shalom Koresh stellt kippot her, die tatsächlich wie kleine Igel aussehen. Sie werden aus Haar gemacht, damit derjenige, der sie trägt, die religiösen Vorschriften des Judentums einhalten kann, ohne an seiner Kopfbedeckung als Jude erkannt zu werden. Sein Ziel ist es, dass seine Kunden sich damit auf der Straße sicherer fühlen – in einer Zeit, wo der Antisemitismus weltweit stark zunimmt.

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Vom Klang her ist kippod, der Igel, kaum von kippot, den jüdischen Kopfbedeckungen, zu unterscheiden (was sich allerdings von einer Wortwurzel für »Kuppel« ableitet). Im Alten Testament gab es keine Vorschrift für Männer, den Kopf zu bedecken, weder allgemein noch beim Beten. Nachdem Paulus sogar ein ausdrückliches Verbot für die christliche Praxis aussprach: »Denn der Mann darf das Haupt nicht bedecken, weil er Gottes Bild und Ehre ist« (1Kor 11,7 SB), und sich das Christentum vom Judentum gelöst hatte, begannen die jüdischen Männer damit, ihre Köpfe zu bedecken. Wie die Kopfbedeckungen genau aussahen, hat sich über die Zeit, mit der Mode und regional unterschiedlich entwickelt; aber heute sind die Kippot, kleine kreisförmige Stoffmützen, zu einem religiösen Symbol des Judentums geworden. Sie haben merkwürdigerweise tatsächlich etwas Ähnlichkeit mit dem rundrückigen Igel und wirken in diesem Kontext wie ein Symbol für die Abwehrhaltung gegen das Evangelium, die als »Verhärtung« beschrieben wird (Röm 11,7.25; 2Kor 3,14).

Der Igel hat von seinem Schöpfer Stacheln zum Schutz erhalten, die ringsum nach außen abstehen. Als der Herr in Seine Schöpfung eintrat, um sie zu erlösen, nahm Er selbst jedoch keine Abwehrhaltung ein, sondern erduldete die Stacheln einer Dornenkrone, die auch nach innen gerichtet waren. Außerdem ertrug Er in den drei Stunden der Finsternis am Kreuz im bildlichen Sinn den »Stachel des Todes« (das ist die Sünde, vgl. 1Kor 15,56), als Er zur Sünde gemacht wurde.

Quellennachweis:

Associated Press (AP): Israeli makes “magic” yarmulke to protect Jews from attacks. New York Post, 23.01.2015; https://nypost.com/2015/01/23/israeli-makes-magic-yarmulke-to-protect-jews-from-attacks

Brasch, R: Why Jews Cover the Head. Commentary 1954; 17:37

Krauss, S: The Jewish rite of covering the head. Hebrew Union College Annual 1945; 19:121–68; http://www.jstor.org/stable/23503676

Thomas, JJ: Art and natural science in the Hellenistic world [PhD thesis]. University of Oxford 2016

Bildnachweis:

Wikipedia: Äthiopischer Igel / Karim Haddad // Südlicher Weißbrustigel / Nevit Dilmen // Eigentlicher Langohrigel / Yuriy75 // Indisches Weißschwanz-Stachelschwein / Dezidor // Verbreitungsgebiet Weißbrustigel / Rbrausse // Stachelschweinabbildung – Bet Guvrin / Dr. Avishai Teicher // Paraechinus aethiopicus / Levi Clancy // Neugeborener Igel / Max Korostischeveski

andere Lizenzen: Titel – Äthiopischer Igel / shutterstock ID_1988019110 / Ishor gurung // Stachelkugel / shutterstock ID_1969110637 / Ishor Gurung // Kippa aus Haar / Shalom_Koresh_Jarmulke_from_hair (0987).jpg / Dan Balilty

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer

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