Überall auf der Erde gilt: Wo Menschen siedeln, sind auch seine Begleiter, die »Kulturfolger« nicht weit. Ihre prominentesten Vertreter zählen zu den Mäuseartigen (Muroidea) und gehören der Gattung der Mäuse (Mus) und Ratten (Rattus) an.
Da das Artenspektrum der Mäuseartigen breit gefächert ist und der hebräische Ausdruck akbar (3Mo 11,29; 1Sam 6,4.5.11.18; Jes 66,17) möglicherweise sogar weitere Kleinsäuger miteinschließt, werden hier nicht alle in Frage kommenden Arten aufgeführt. Zum einen ist offensichtlich, dass die Aufzählung von Tieren, die in den biblischen Geboten in rein und unrein unterschieden werden, exemplarischen Charakter hat; zum anderen ist es kaum möglich zu rekonstruieren, wie exakt einzelne Arten damals unterschieden wurden. Im Artverzeichnis im Anhang findet sich aber eine ausführlichere Übersicht der in Israel vorkommenden Spezies. Sie waren so allgegenwärtig, dass man (sogar bis ins 17. Jahrhundert noch) annahm, dass sie jederzeit spontan aus Weizen und alten Lumpen entstehen können.

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Auf jeden Fall zählten damals wie heute die Hausmaus (Mus musculus), die Hausratte (Rattus rattus) und die Wanderratte (Rattus norvegicus) zur Einwohnerschaft jeder Siedlung. Ihre Anzahl lässt sich nur grob abschätzen, aber Hausmaus und Wanderratte gelten als Kandidaten für den Titel »häufigstes Säugetier der Erde«. Sie ähneln sich von der Körperform sehr stark, eine junge Ratte sieht aus wie eine erwachsene Maus. Im direkten Vergleich kann man feststellen, dass bei der Ratte der Schwanz länger und Kopf und Pfoten größer sind. Aber sie gehen sich aus dem Weg und sind kaum gemeinsam anzutreffen. Zum Erstaunen des Autors werden die beiden Spezies auch in Portugal sprachlich nicht unterschieden, sondern als »rato« zusammengefasst.

Drei verschiedene Männer tragen den Namen Akbor (7x), zu dem bisher keine andere sprachliche Herkunft gefunden wurde als »Maus«. Da es sich in allen drei Fällen um hochgestellte Persönlichkeiten handelt, war das Image von Ratten und Mäusen vielleicht ein besseres als in unserem Kulturkreis, wo sie vorrangig als Schädlinge angesehen werden. Der Name der kleinasiatischen Region Mysien (Apg 16,7.8) kann, je nach sprachlichem Ursprung, mit »Mäuseland« übersetzt werden.

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Die Mäuseartigen werden durch das Speisegebot (3Mo 11,29) als unrein klassifiziert und ihr Verzehr verboten. Wie bei den meisten unreinen Tieren gilt dabei, dass es aus ernährungstechnischer Sicht unbedenklich ist, sie – nach dem Erhitzen – zu essen. In vielen Regionen der Welt bereichern Ratten, Mäuse und andere Nager den Speiseplan – in Kambodscha, Laos, Myanmar, Teilen der Philippinen und Indonesien, Thailand, Ghana, China und Vietnam zählen sie sogar zu den Grundnahrungsmitteln.

»Sie nehmen Reinigungszeremonien auf sich, um Zugang zu den »heiligen Gärten« zu haben. Dort sitzen sie um ihren Meister herum, essen Schweinefleisch, Mäuse und andere unreine Speisen …« (Jes 66,17 Hfa) – In dieser Beschreibung eines götzendienerischen Fest-Rituals wird das Verspeisen von Mäusen erwähnt. Bis heute wurden keine Aufzeichnungen gefunden, die erklären könnten, welchen Hintergrund diese Zeremonie hatte und welche Bedeutung den Mäusen darin zukam. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Tieren, bei denen Theologen pauschal vermuten, dass sie deswegen tabu waren, weil ein Zusammenhang mit den Götzenkulten der Nachbarvölker bestand, gibt es in diesem Fall wenigstens einen biblischen Hinweis in diese Richtung.

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Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Erwähnung von Mäuseartigen im Buch Samuel besonders interessant. Die Israeliten hatten die Bundeslade aus der Stiftshütte geholt und sie wie einen Glücksbringer auf das Schlachtfeld getragen (1Sam 4,3-9). Während sie so die Heiligkeit Gottes missachteten (1Sam 2,12-17), mussten sie lernen, dass Gott sich nicht instrumentalisieren lässt. Die Lade wurde von den Philistern erobert und als Beutestück in ihrem Haupttempel ausgestellt (1Sam 5,1-5). Doch auch ihnen brachte die Bundeslade kein Glück. Nicht nur, dass das Bildnis ihres Gottes Dagon davor zu Bruch ging, sie wurden auch mit einer schweren Plage geschlagen, an der viele Menschen starben (1Sam 5,6-12). Die Krankheit, an der sie starben, wird durch Beulen, als äußerlich sichtbares Symptom, beschrieben und in Verbindung mit Mäusen gebracht. Eigentlich reichen diese Merkmale aus, um sagen zu können, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Ausbruch der Beulenpest handelte (und die Menge-Bibel übersetzt es auch so).

Bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts waren sich allerdings fast alle Epidemiologen sicher, dass es sich bei der Pest um eine relativ junge Krankheit handele, die erstmalig 541 n. Chr. in Erscheinung getreten sei. Diese Auffassung wurde inzwischen vollständig revidiert, denn der Erreger Yersinia pestis ließ sich mithilfe gentechnischer Methoden auf Skeletten vieler Fundorte in Europa und Asien bis in die Frühzeit zurückverfolgen. Die Pest geißelt die Menschen also seit mindestens 4.000 Jahren.
Ein zweiter Einwand, dass hier von »Mäusen« und nicht von »Ratten« die Rede sei, ist ebenfalls hinfällig. Nicht nur, weil (wie bereits ausgeführt) die sprachliche Unterscheidung zweifelhaft ist, sondern auch, weil man heute weiß, dass die verschiedenen Flöhe, die als Überträger in Frage kommen, sich auf vielen Nagern heimisch fühlen – ganz sicher jedenfalls auch auf der 08/15-Hausmaus.
Ein dritter Einwand hat mit dem Ausdruck zu tun, dass die Mäuse »das Land verderben« (1Sam 6,5). Das könnte so verstanden werden, dass durch die Mäuse eine weitere Plage gekommen wäre, die die Landwirtschaft betrifft (Ernteverluste, Wühl- und Wurzelschäden). Aber das Wort erez kann nicht nur das Land oder den Boden, sondern auch die Bevölkerung bezeichnen (z. B. 1Mo 41,57; 1Sam 14,25; Jes 37,18); und im Vers davor wird deutlich ausgedrückt, dass es sich um eine Plage handelte (und nicht um zwei verschiedene): »Fünf goldene Beulen und fünf goldene Mäuse, nach der Zahl der Fürsten der Philister; denn es ist ein und dieselbe Plage über euch alle und über eure Fürsten gekommen« (1Sam 6,4).
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Die Philister hatten den Zusammenhang zwischen den Mäusen und der Seuche richtig erkannt (im Gegensatz zu den mittel alterlichen Gelehrten, die verschiedenste Ideen dazu hatten) – aber sie waren sich noch nicht ganz sicher, ob wirklich der Gott Israels dahinterstand und sie züchtigte, oder ob es sich doch nur um ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen handelte (1Sam 6,9). Jedenfalls waren sie bereit, Ihn zu ehren und ein Schuldopfer zu erstatten. Damit der fremde Gott versteht, wofür diese sühnende Gabe sei, formten sie ihr Gold zu Mäusen und Beulen, jeweils fünf, entsprechend der Zahl ihrer Verwaltungsbezirke. Den Mäusen widerfährt damit neben den Kälbern die Ehre, in Gold gegossen zu werden – in diesem Fall allerdings mit einer guten Absicht, die Gott anerkennt. Er lässt ihre »Zufallsprobe« gelingen und nimmt das Opfer an.

Beim genaueren Hinsehen ist es erstaunlich, wie nachsichtig Gott mit den Philistern umgeht. Die Bundeslade war der heiligste und bestgehütete Gegenstand Seines Tempeldienstes, ein Symbol der Gegenwart Gottes, Seines Thrones und letztlich des Herrn Jesus selbst! Sie durfte von niemandem berührt – ja noch nicht einmal gesehen werden! Beim Abbau der Stiftshütte nahmen Priester den Scheide-Vorhang am Eingang des Allerheiligsten herunter und legten ihn, rückwärtsgehend, über die Bundeslade. Danach wurde noch ein Seekuhfell darübergelegt und am Ende alles in ein blaues Tuch eingehüllt. Dann erst durften die Tragstangen durch die Ringe an der Seite eingeschoben werden. Den Trägern, die keine Priester waren, wurden wahrscheinlich sicherheitshalber die Augen verbunden, bevor sie eintraten und die Lade aufnahmen, denn sie mussten einzeln an ihre Positionen geführt werden (vgl. 4Mo 4,4-20).

Nun wurde diese hochheilige Bundeslade, die nur vorschriftsmäßig verpackt von bestimmten Leuten (Leviten) an den dafür vorgesehenen Stangen getragen werden durfte, von Philisterhänden ergriffen, unverhüllt auf einen Wagen neben ein Kästchen mit den Abbildern unreiner Mäuse und Pestbeulen gestellt. Die Philister kannten die priesterlichen Zeremonialgesetze nicht und wurden deswegen von Gott für diesen Frevel nicht zur Verantwortung gezogen. Für die Israeliten galt dieser mildernde Umstand nicht; unter ihnen gab es viele Tote, als sie kurz darauf neugierig in die Lade schauten (1Sam 6,19), und selbst ein Mann, der in bester Absicht, aber im Ungehorsam gegen Gottes Gebote nach der Lade griff, um ihren Sturz zu verhindern, musste sterben (2Sam 6,6.7; 1Chr 13,9.10).
Wenn man bedenkt, wie sehr Gott also darauf achtet, dass Seiner Heiligkeit gebührend entsprochen wird, ist es umso erstaunlicher, was Er erduldete, als Sein Sohn auf die Erde kam. Seine Nachsicht und Gnade sind hier noch viel größer. Während Stiftshütte und Bundeslade »nur« kultische und hinweisende Bedeutung und Funktion hatten, war der Herr Jesus »das Heiligtum« (to hagion; Lk 1,35) und Gott (Jh 1,1; 1Joh 5,20) in Person. Er wurde nicht nur berührt, sondern geschlagen und gegeißelt (Jh 19,1.3), ergriffen und an ein Holzkreuz genagelt, nicht nur angeschaut, sondern entblößt (Jh 19,23) und schadenfroh begafft (Ps 22,18). Als der Reine war Er nicht nur von Unreinen umgeben und als der Gerechte umringt von Ungerechten, sondern Er machte sich mit dieser Unreinheit und Ungerechtigkeit eins, um dafür gerichtet zu werden. So wie die Philister ein Schuldopfer in das Bild ihrer Plagen – Mäuse und Pestbeulen – formten, wird der Herr Jesus am Kreuz als ein Schuld- und Sündopfer im Bild »der Schlange« (Jh 3,14) als Symbol des Sündenfluchs gesehen und »zur Sünde gemacht« (2Kor 5,21). Obwohl viele Seiner Widersacher einen persönlichen Eindruck von Seiner Heiligkeit und Göttlichkeit bekommen hatten, bittet Er dafür, dass sie dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« (Lk 23,34).

Quellennachweis:
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Fischer, L: Die Pest war vor 4000 Jahren viel ansteckender. Spektrum.de, 01.06.2023; https://www.spektrum.de/news/die-pest-war-vor-4000-jahren-viel-ansteckender/2146926
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Helmont, JBv: Aufgang der Artzney-Kunst (S. 153, Rezept zur Herstellung von Mäusen). Sulzbach 1683; https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10869856?page=193
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Rasmussen, S; Allentoft, ME; Nielsen, K: Early divergent strains of Yersinia pestis in Eurasia 5,000 Years Ago. Cell 2015; 163(3):571-582; doi: 10.1016/j.cell.2015.10.009
Swali, P; Schulting, R; Gilardet, A: Yersinia pestis genomes reveal plague in Britain 4000 years ago. Nature Communications 2023; 14:2930; doi: 10.1038/s41467-023-38393-w
Wilkinson, J: The Philistine Epidemic of I Samuel 5 and 6. The Expository Times 1977; 88(5):137-141; doi: 10.1177/001452467708800503
Bildnachweis:
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