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Erforschung der Vögel

Die Ornithologie hat noch vieles zu erforschen… Wenn Asaph dichtet: »Vögel, so zahlreich wie Sandkörner am Meeresstrand« (Ps 78,27 NLÜ), drückt er aus, was Beobachter beim Anblick von Vogelschwärmen empfinden, die den Himmel wie Wolken verdunkeln.

In dem Vers ist von Wachteln die Rede, die Gott in der Wüste Sinai auf das Lager der Israeliten niedergehen ließ (2Mo 16; 4Mo 11,30–32). In diesem Fall haben wir es zwar mit einem Wundergeschehen zu tun, aber riesige Ansammlungen von Vögeln sind keine Seltenheit. In unseren Breiten kennen wir das Auftreten von Hunderttausenden Staren, die mit 1,3 Milliarden Individuen die zweithäufigste Vogelart sind. Der afrikanische Blutschnabelweber (Quelea quelea) ist der häufigste Vogel Afrikas und bildet Megaschwärme, in denen sich sogar Millionen von ihnen tummeln. Über auslösende Faktoren, Steuerung, Funktion und Nutzen dieser immensen Ansammlungen wird eifrig geforscht.

mengen:lehre

Im kleinen Maßstab ist das Schwarmverhalten gut nachvollziehbar, wie die folgende Untersuchung belegt: Der Habicht (Accipiter gentilis) ist ein gerissener Jäger und versteht es meisterhaft, im Anflug jede Deckung auszunutzen, um wie aus dem Nichts vor seinen überraschten Opfern aufzutauchen. Einer einzelnen Ringeltaube (Columba palumbus), kann er sich so bis auf wenige Meter nähern. Ihr Schicksal ist so gut wie besiegelt – mit einer Wahrscheinlichkeit von 79 Prozent gelingt es dem Habicht sie zu schlagen. Eine ganz andere Geschichte ist es, wenn die Tauben als Gruppe unterwegs sind und viele wachsame Augenpaare die Umgebung im Blick haben. Einer Gruppe, die mehr als 50 Tauben zählt, kann sich der Habicht im Schnitt nur auf 40 Meter nähern, was den flinken Tauben genug Zeit lässt, zu entkommen. Die Erfolgsquote des Räubers sinkt auf 6 Prozent – er kann sich ausrechnen, dass er durchschnittlich 16-mal anfliegen müsste, um erfolgreich zu sein (und nimmt mit einer leichteren Beute vorlieb).

ziel:gruppe – Einer einzelnen Ringeltaube (Columba palumbus) kann sich der Habicht (Accipiter gentilis) im gedeckten Anflug so weit nähern, dass sie kaum noch fliehen kann. Eine Gruppe von mehr als 50 Tieren erkennt den Räuber viel früher und lässt ihn wahrscheinlich erfolglos bleiben.

Im »Gebet eines Elenden, wenn er verschmachtet und seine Klage vor dem HERRN ausschüttet« heißt es: »Ich wache und bin wie ein einsamer Vogel auf dem Dach« (Ps 102,7). Vögel auf Dächern sind gewöhnlich gesellige Tiere, die tagsüber nicht allein dort sitzen und die Nacht im Nest verbringen. – Körperlich war der Herr Jesus gesund und in guter Verfassung, aber Er fand keine Ruhe, »wachte« Tag und Nacht und hatte keinen sicheren Rückzugsort (Mt 8,20). Häufig umgaben Ihn große Menschenmengen, und Er kam mit verschiedensten Leuten ins Gespräch. Dennoch hatte Er niemanden, der Ihn wirklich verstand. Dieser prophetische Psalm schildert uns seine Empfindungen – einsam, seinen Feinden wie auf dem Präsentierteller schutzlos ausgeliefert. Als sie dann zuschlugen, hätte Er sich mit einem »Schwarm« aus Zehntausenden mächtiger Engel umgeben können (Mt 26,53) – doch Er blieb allein, lieferte sich seinen Feinden aus (Mk 14,50) und ließ sich schlagen und töten – für dich und mich (Röm 5,8).

sonder:modell

Verglichen mit Säugetieren ist die Lunge der Vögel ganz anders aufgebaut. Während die Luft in unsere Lungen hinein- und auf gleichem Weg wieder hinausgepumpt wird, können sie mithilfe eines Systems aus verzweigten Bronchien und Luftsäcken einen kontinuierlichen Luftstrom in immer gleicher Richtung durch ihre »Parabronchien« streichen lassen.

durch:atmen – Mit ihrer laminaren Struktur erinnern die Parabronchien der Vogellunge an moderne Abgaskatalysatoren. Durch maximierte Reaktionsfläche und das Querstromprinzip findet ein hocheffizienter Gasaustausch statt. Das Verbundsystem der Luftsäcke ermöglicht einen konstanten Luftstrom. Die Bronchien der Säugetiere enden dagegen in Lungenbläschen (Alveolen), einer Sackgasse.

Der Gasaustausch verläuft effektiver, und dies wurde als evolutionäre Anpassung ans Fliegen betrachtet. Problematisch ist hier nur, dass Fledermäuse genauso gute Flieger sind und zum Teil ebenfalls lange Strecken im Dauerflug zurücklegen können. Dabei liegt ihr Sauerstoffverbrauch in einem vergleichbaren Bereich. Und auch wenn der Schlagflug der Vögel eine hohe energetische Anforderung bedeutet, verkraften viele Säuger beim Sprinten, Schwimmen oder Fliegen eine vergleichbare Leistungssteigerung und Dauerbelastung.

Sehr verbreitet ist die Ansicht, Luftsäcke würden den Vogel leichter machen. Dabei ist relativ einfach zu erkennen, dass das nicht der Fall ist. Natürlich sinkt die »mittlere Dichte« seines Körpers, aber davon profitiert er nicht. Er benötigt die gleichen inneren Organe wie alle anderen Wirbeltiere, trägt also ebenfalls ein hochentwickeltes Verdauungs-, Kreislauf-, Stütz-, Fortpflanzungs-, Bewegungs- und Sinnessystem mit sich herum. Dadurch, dass auch noch große Luftsäcke dazukommen, wiegt er nicht weniger (sondern sogar ein bisschen mehr). Sie helfen ihm nicht, sein Gewicht zu tragen, sondern vergrößern sein Volumen, was aerodynamisch gesehen nachteilig ist.

Es greift also zu kurz, die besondere Ausstattung der Vögel lediglich als Reaktion auf einen bestimmten Selektionsdruck aufzufassen. Vielmehr zeigt sich hier die Liebe zur Vielfalt, mit der unser Schöpfer seine Werke gestaltet hat. Er hätte die Vögel mit dem gleichen Respirationstrakt ausstatten können, der sich zu Lande, zu Wasser und zu Luft bei Mensch und Tier bestens bewährt. Da sie aber mit einer besonderen Konstruktion geschaffen wurden, kommen ihnen auch deren Vorteile zugute. Sie sind in der Lage minutenlang am Stück zu singen, ohne zwischendurch Luft holen zu müssen. Das geht nur dank der Luftsäcke. Den größten Nutzen bietet das System für den Aufenthalt in großen Höhen, wo die Atmosphäre dünn und der Partialdruck des Sauerstoffs in der Atemluft nur noch sehr niedrig ist. Hier kann die Vogellunge dank des »Querstromprinzips« immer noch einen ausreichenden Gastransfer leisten. Die Streifengans (Anser indicus) überquert bei ihrem Wechsel zwischen Sommer- und Winterquartier das Himalaya-Gebirge und wurde dort mehrfach in 9.000 Meter Höhe angetroffen. Am 29. November 1973 stieß ein Sperbergeier (Gyps rueppelli) im Luftraum über der Elfenbeinküste (Afrika) in 11.278 Meter Höhe mit einem Verkehrsflugzeug zusammen. Damit wurde der bis heute anerkannte Rekordwert dokumentiert.

himmels:stürmer – Während die meisten Vögel in ihrem Leben nicht über 2.000 m Höhe hinauskommen, sind einige sogar dazu in der Lage, den höchsten Berg der Erde zu überfliegen.

Wer sich davon frei macht, eine biologische Konstruktion als Ergebnis von evolutionärem Anpassungsdruck verstehen zu wollen, dem eröffnet sich ein Blick auf den verschwenderischen Reichtum der Schöpfung. Die besonders leicht gebauten, aber dennoch sehr stabilen Vogelknochen und die genialen Federn sind die perfekte Antwort auf die Anforderungen des Fliegens. Eine notwendige Bedingung sind sie aber nicht, ebenso wenig wie die Vogellunge. Außerdem ist das Verdauungssystem so angelegt, dass die Nahrung eine sehr kurze Verweildauer darin hat und nicht unnötig lang Ballast transportiert werden muss.

sound:check

Der Vogelgesang erfreut nicht nur die Menschen, sondern demonstriert auch physische und mentale Fitness. Bei vielen Arten ist es genau wie beim Sprachvermögen des Menschen: Die Fähigkeit an sich ist angeboren, aber ihre Ausübung muss erlernt und trainiert werden. Hierzu ist es sowohl nötig, dass die Sänger gute Vorbilder haben, als auch, dass sie ihren eigenen Gesang hören.

solo:gramm – Die Singammer (Melospiza melodia) erlernt und übt einen komplexen Trillergesang (a). Wird sie isoliert gehalten, ohne Artgenossen singen zu hören, bringt sie mit ihrer angeborenen Sangeskunst nur eine sehr kümmerliche Variante zustande (b). Spielt man ihr diese Trillergesänge jedoch per Audio-Technik ein, kann sie damit genauso gut üben wie mit der Live-Aufführung in der Wildnis. Das Ergebnis unterscheidet sich nicht von den Rufen der freilebenden Tiere (c). Nimmt man der Singammer allerdings ihr Gehör, kann sie auch die angeborene Melodie nicht wiedergeben und trillert nur monoton auf einer tieferen Stimmlage daher (d).

Es lohnt sich für die meisten Singvögel ein umfangreiches Strophenrepertoire zu entwickeln. Obwohl der optische Eindruck bei der Partnerwahl ebenfalls eine Rolle spielt, lassen sich die meisten Weibchen durch eine gelungene Gesangsdarbietung überzeugen. In Feldexperimenten mit dem Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus) konnte gezeigt werden, dass gutaussehende, aber stumme Männchen nicht punkten können. Die mittelmäßigen Zwitscherer kommen erst zum Zug, nachdem die Brutsaison schon seit Wochen läuft, was ihre Chancen auf eine erfolgreiche Jungenaufzucht deutlich verringert. Deswegen sind alle motiviert, ihr Bestes zu geben. Auch wenn man das vielleicht lieber etwas verklärt sehen würde – Vögel singen nicht aus »Freude am Leben«, sondern stehen in einem knallharten Wettbewerb, bei dem sie mit ihren Melodien nicht nur Weibchen von sich überzeugen, sondern auch das eigene Revier gegen Konkurrenten behaupten müssen.

ausge:pfiffen – Die männlichen Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus), die das größte Gesangsrepertoire zu bieten haben, werden von den Weibchen aufmerksamer beachtet und können sich deutlich früher paaren. Wer glaubt mit einer kleinen Promoversion durchzukommen, wird einfach links liegengelassen.

dumm:gelaufen

Ein großes Gehirn verbraucht viel Energie und macht den Schädel groß und schwer. Die meisten Vögel haben kleine Gehirne, was aber nicht unbedingt den Rückschluss auf eine geringe kognitive Leistungsfähigkeit zulässt. Es ist offensichtlich, dass Reaktionen, die automatisiert ablaufen, weniger Gehirnaktivität erfordern. Ein entsprechender Schlüsselreiz oder »angeborener Auslösemechanismus« löst ein definiertes Programm aus. Da dessen Ablauf nur noch geringfügig oder gar nicht mehr modifiziert werden kann, wirkt ein solches Verhalten auf den menschlichen Beobachter ausgesprochen dümmlich. Während es bei Insekten viele Beispiele für reflexhafte Verhaltensmuster gibt, sind ähnliche Berichte bei »höheren« Wirbeltieren mit Vorsicht zu genießen. Es geistern einige Legenden durch die Schulbücher, die einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten (unter anderem über Silbermöwenküken, die alle Objekte anbetteln, solange sie nur einen roten Punkt haben wie die Schnabelunterseite der Altvögel oder aggressive Stichlinge, die jede Attrappe angreifen, die eine rote Unterseite aufweist).

rolle:rückwärts – Die Graugans (Anser anser) sieht ein Ei außerhalb des Nestes und führt sofort die »Ei(n)rollaktion« aus. Was in der Natur wie eine rührende Geste mütterlicher Fürsorge er scheint, erweist sich im Experiment als praktisches, aber ziemlich unflexibles Programm.

Nichtsdestotrotz gibt es aber tatsächlich überraschende Mechanismen: Die Einroll-Aktion wurde bei mehreren bodenbrütenden Vögeln, hauptsächlich aus der Ordnung der Gänsevögel, beobachtet. Nimmt man ein Ei aus dem Nest und legt es in einiger Entfernung ab, macht sich die Gans, sobald sie es entdeckt, auf, streckt den Hals vor und rollt es, rückwärtsgehend, mit der Unterseite des Schnabels zum Nest zurück. Da ein Ei nicht rollt, sondern »eiert«, hält sie es durch Hin- und Herschwenken des Kopfes auf Kurs. So weit ist daran nichts Überaschendes. Etwas merkwürdig ist, dass diese Aktion mit allen möglichen Objekten ausgeführt wird. Ein Golfball, eine Billardkugel oder ein Wollknäuel triggern sie auch. Selbst rundlich geformte Steine verfrachtet sie in einer »Rock ’n’ Roll-Performance« ins Nest und bebrütet sie. Was schon etwas verrückter ist: Legt man das Gänseei neben eine viel größere Ei-Attrappe, so wird diese als Erstes eingesammelt. Ganz skurril erscheint die Aktion, wenn man der Gans das Ei wegnimmt, während sie es zurückrollt, und es wieder an den Ausgangspunkt legt. Dies ist ohne weiteres möglich, weil sie ihre Umgebung gar nicht beachtet, während sie mit dem Einrollen beschäftigt ist. Sie spult das Programm ohne Ei bis zu Ende ab. Erst nachdem sie diese Pantomime beendet hat und wieder auf ihrem Gelege sitzt, entdeckt sie das Ei außerhalb des Nestes und startet die Aktion erneut. Dies lässt sich mehrfach wiederholen, ohne dass die Gans Anzeichen von Frustration oder Verärgerung erkennen lässt. Es ist ein typisches Kennzeichen »festverdrahteter Programme«, dass sie mental nicht reflektiert werden. Kein Wunder, dass der Volksmund sie als »dumme Gans« verunglimpft.

wahrnehmungsstör:huhn

Bei Hühnern wird die Brutfürsorge durch akustische Signale ausgelöst. Wer keinen Piep von sich gibt, wird ignoriert. Setzt man ein Küken unter eine schalldichte Glasglocke, kommt ihm die Henne nicht zu Hilfe, obwohl sie das Küken sehen kann. Ein Küken mit zugebundenem Schnabel könnte man vor den Augen seiner Mutter schwer misshandeln und sogar in Stücke reißen, es würde sie nicht im Geringsten »interessieren«. Umgekehrt reagiert sie sofort auf den Angstruf des Kükens, selbst wenn sie es nicht sehen kann. Sie gerät in helle Aufregung und kommt erst zur Ruhe, wenn sie zu Hilfe eilen kann oder das Rufen verstummt (es schreit nicht mehr – alles gut). Angesichts dieser »Unwucht« in Rezeption und Reaktion wird der Ausdruck »dummes Huhn« besser verständlich.

Es gibt merkwürdige Befunde aus der »Hühnerhypnose«, die schon 1646 schriftlich festgehalten wurden. Man nehme ein Huhn, lege es flach hin und fixiere seinen Kopf direkt auf dem Boden. Dann ziehe man mit Kreide eine dicke Linie vom Schnabel ausgehend nach vorne. Nun kann man das Huhn loslassen. Es wird wie gebannt auf die Linie starren und bis zu einer halben Stunde völlig regungslos liegenbleiben. Niemand weiß so recht, was es damit auf sich hat. Bei einer anderen Methode klemmt man dem Huhn den Kopf sanft unter den Flügel und simuliert damit die Schlafhaltung. Dann wiegt man es ein wenig hin und her und schon fällt es in einen »Hypnoseschlaf«, der angeblich mitunter für Stunden anhält.

kehl:kopf – Miracle Mike lebte noch 18 Monate weiter, nachdem der Farmer Lloyd Olsen versucht hatte, ihn zu schlachten und dabei seinen Kopf fast vollständig abtrennte. Möglich war das, weil ein großer Teil des Stammhirns, in dem die »Routineprogramme« liegen, noch an dem offenen Halsstummel hing. Der kopflose Hahn wurde zu einer vielbestaunten Zirkusattraktion und zog als »Longest Surviving Headless Chicken« ins Guinness Buch der Rekorde ein.

Bereits in den 60er Jahren konnte man bei Hähnen, denen Elektroden ins Gehirn eingesetzt wurden, durch die Reizung verschiedener Gehirnareale so ziemlich jede typische Verhaltensweise auslösen. Ob man den Krähruf, Drohgebärden, Balzverhalten, Federputzen oder Schlafhaltung »aktivierte« – der Hahn reagierte wie ein ferngesteuerter Roboter. Das mag alles sehr schematisch und unflexibel wirken. Dabei schneiden Hühner in Intelligenztests gar nicht einmal schlecht ab. Auf die gesamte Klasse der Vögel bezogen liegen sie über dem Durchschnitt. Vielleicht sollte man es als effiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen ansehen, wenn bestimmte Alltags-Programme »fest verdrahtet« sind und die restliche Kapazität sich den wirklichen Herausforderungen des Lebens stellen kann.

vogel:zug

Schon seit den 50er Jahren versucht man mit Displacement-Experimenten herauszufinden, ob die Route der Zugvögel genetisch veranlagt ist und inwieweit die Vögel nicht die konkrete Route, sondern die Information über die geographische Position ihres Ziels von ihren Eltern erben. Dazu werden Vögel eingefangen, in Isolierboxen über eine weite Strecke an einen anderen Ort transportiert und dort wieder freigelassen.

Die Ergebnisse variieren so stark, dass sich bis heute kein eindeutiges Bild ergibt. Offensichtlich spielen Erfahrung und angelerntes Reiseverhalten immer eine gewisse Rolle. Manche Arten sind in der Lage, die Verfrachtung vollständig zu kompensieren und berechnen einfach einen neuen Kurs, andere fliegen erst einmal in die falsche Richtung und korrigieren sich später, und wieder andere lassen sich hereinlegen und landen entsprechend an einem verschobenen Ziel. Manchmal gibt es Unterschiede zwischen Neulingen und »alten Hasen«, ein anderes Mal nicht. Ähnlich ist es mit den Mechanismen, die ihnen den Weg weisen. Es sind offensichtlich viele verschiedene Faktoren im Spiel und wie es genau funktioniert, ist von Art zu Art verschieden.

busch:funk – Winzige Sender wurden entwickelt, um das Verhalten der Vögel zu untersuchen. Sie müssen sehr klein und leicht sein, um ihre Träger nicht zu behindern, Kälte, Hitze, Nässe und Staub aushalten und genug Leistung aufbringen, um monate- oder jahrelang ihre Daten an die bis zu 600 Kilometer weit entfernte ICARUS-Antenne im Weltall zu funken.

Ein großer Fortschritt sind die heutigen Möglichkeiten des Biologgin und -tracking. Tausende von Tieren werden rund um die Uhr verfolgt, nicht nur Zugvögel, sondern auch Wale und Fische in den Meeren, Weidetiere in der Savanne, Rentiere im hohen Norden und Pinguine in der Antarktis. Der wachsende Bestand an Vergleichsdaten erlaubt inzwischen Einblicke in die Veränderung des Migrationsverhaltens. Schon in der relativ kurzen Zeit von etwa 20 Jahren ließ sich feststellen, dass es sich um ein sehr dynamisches Geschehen handelt, in dem die Ziele, Routen und Entscheidung darüber, ob man sich überhaupt auf den Weg macht, im permanenten Fluss sind. Der beständige Datenstrom liefert auch immer neue Rekorde. Wurde 2007 noch die Pfuhlschnepfe (Limosa lapponica) »E7« als Langstreckenrekordmeisterin über 11.680 Kilometer gefeiert, hat ihr im September 2020 eine Artgenossin mit dem Trackingcode »4BBRW« den Titel auf der gleichen Route abgejagt. Neuer Rekordwert: 12.080 Nonstop-Kilometer über dem offenen Pazifik in 224 Stunden!

non:stop – Die unscheinbare Pfuhlschnepfe (Limosa lapponica) hält den Rekord für den längsten pausenlosen Wanderflug von Punkt zu Punkt.

hub:raum

Israel ist ein Drehkreuz für reisende Zugvögel, der weltgrößte Hub dieser Art. Als Landbrücke zwischen Meeren und Wüsten verbindet es die nördlichen Gebiete Europas und Asiens mit den warmen Winterquartieren Afrikas.

Ab und zu bleiben Reisende hier hängen. Das kann verschiedene Gründe haben: Vielleicht hatten sie schlechte Wetterbedingungen und sind erschöpft oder spät dran oder es gefällt ihnen im paradiesischen Hula-Reservat im Norden oder im warmen Eilat im Süden so gut, dass sie einfach keine Lust haben, weiterzuziehen. Das kann dann leicht zur Familientradition werden. Ihre Route ist nun kürzer, sie können eher und länger brüten, und die Naturschutzgebiete Israels sind sicherer als die Savannen Afrikas. Diese Vorteile zahlen sich aus, die Population wächst – und schon hat sich eine neue Art angesiedelt. Durch die vielen Besucher von überallher ist die Vogelwelt in Israel wie nirgendwo sonst einem ständigen Wandel unterworfen.

Es ist kein Zufall, dass Gott seinem Volk ein Transitland erster Güte als Heimat zuweist. Israel war »zum Licht der Nationen« bestimmt (Jes 49,6; Apg 13,47). Seine natürliche Position als Landbrücke zwischen drei Kontinenten und den großen Kulturen und Reichen der Antike boten Israel ideale Voraussetzungen seine Zeugnisfunktion zu erfüllen. Es sollte ein leuchtendes und lebendiges Vorbild sein, an dem das Wirken und die Eigenschaften Gottes erkannt werden können und die Zeit wird kommen, in der es dieser Bestimmung voll kommen gerecht wird.

zion:isthmus – Nicht nur weil es die kürzeste Verbindung ist, sondern auch weil dort »Milch und Honig fließen« und sichere Rastplätze locken, sehen die Reisepläne unzähliger Zugvögel den Weg über Israel vor. Viele legen einen Zwischenstopp ein und einige bleiben sogar ganz dort hängen. Der Screenshot wurde von der Seite www.movebank.com aufgenommen, wo sich die Trackingdaten des ICARUS-Systems einsehen lassen.

witter:warnung

Vögel werden nur selten und nur in den jüngsten Schichten als Fossilien gefunden. Dem Stammbaumschema der Evolutionstheorie zufolge ist das zu erwarten, weil sie erst spät in der Entwicklungsgeschichte der Lebewesen die Bühne betreten hätten. Die Bibel weist allerdings auf einen bemerkenswerten Sachverhalt hin, der ebenfalls eine Erklärung bietet: »Ich schaue die Berge an, und siehe, sie beben; und alle Hügel schwanken. Ich schaue […] und alle Vögel des Himmels sind geflohen« (Jer 4,24.25). Vögel haben die erstaunliche Fähigkeit Katastrophen »vorauszuahnen«. Da sie sich zudem fliegend in Sicherheit bringen können, werden sie viel seltener als die meisten anderen Tiere Opfer von Fluten, Erdbeben, Stürmen, Vulkanausbrüchen, Waldbränden und anderen bedrohlichen Naturereignissen.

Berichte über diesen »Frühwarninstinkt« gibt es schon seit dem Altertum, aber erst in jüngster Zeit lässt sich dieses Verhalten wissenschaftlich exakt erfassen und untersuchen. Als 2014 ein Schwarm Goldflügel-Waldsänger (Vermivora chrysoptera), in dem sich einige Tiere mit Peilsendern befanden, kurze Zeit nach der Ankunft in ihrem Brutgebiet in den nordamerikanischen Appalachen wieder aufbrach und weiterreiste, wurden die Forscher stutzig. Die Vögel legten weitere 1.500 Kilometer zurück und brüteten woanders. Diese Extra-Etappe bedeutete für ihren engen Zeitplan und die knapp berechneten Fettreserven eine große Herausforderung. Wie sich allerdings zeigte, rettete er ihnen in dieser Situation das Leben, denn wenig später verheerte ein schrecklicher Tornado die Gegend. Das Erstaunliche an dieser Geschichte ist, dass die Vögel ein bis zwei Tage vor dem Eintreffen des Sturms flohen. Bisher ist nur wenig darüber bekannt, mit welchen Sinnesleistungen Katastrophen im Vorfeld wahrgenommen werden. In diesem speziellen Fall vermutet man, dass die Tiere auf Infraschall reagieren, wie er durch heftige Luftreibung entsteht.

Neuerdings wird sogar versucht, die »prophetische Gabe« der Vögel zum Nutzen des Menschen einzusetzen. Mit Sendern ausgestattete Fregattvögel in der Karibik haben sich als höchst zuverlässige Meteorologen erwiesen. Sie wissen, von wo ein Sturm aufzieht, verlassen ihre Quartiere und fliegen in die entgegengesetzte Richtung davon – oft lange bevor die Wetterschiffe, -satelliten, -ballone und -stationen bemerken, was sich da zusammenbraut. Die Aufforderung »Seht hin auf die Vögel« wird hier einmal ganz praktisch befolgt.

flieger:alarm – Der Prachtfregattvogel (Fregata magnificens) sieht mit aufgeblasenem Kehlsack schon äußerlich einer großen Warnlampe ähnlich. Neuerdings macht man sich seine besondere Gabe der Katastrophenvorahnung tatsächlich zunutze und lässt sich durch sein plötzliches Verschwinden auf heraufziehende Stürme hinweisen.

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Bildnachweis:

Wikipedia: Miracle Mike, kopfloser Hahn / Bob Landry // Fregattvogel mit aufgeblasenem Kehlsack / macraegi

andere Lizenzen: Titel – Starenschwarm / shutter stock_1930383503.jpg / Albert Beukhof // Pfuhlschnepfe im Flug / shutterstock_1783848041.jpg / Dennis Jacobsen // Vogel mit GPS-Sender / Biologging_Vogel_mit_Sender.jpg / MaxCine // GPS Sender / Biologging_Sender.jpg / MaxCine

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/federfuehrer

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