Menu Close

Eulen

Mit dem Namen kos wurde wahrscheinlich eine große Eulenart bezeichnet, jedenfalls weist der Ausdruck nyktikoraka (= Nacht-Rabe) in der LXX in diese Richtung (3Mo 11,17; 5Mo 14,16; Ps 102,7).

Ein naheliegender Kandidat ist die Waldohreule (Asio otus). Mit oach könnte der Uhu (Bubo bubo) gemeint sein. Die griechische Wiedergabe mit echos, was so viel wie »Rufer« oder »Heuler« bedeutet, ist nicht näher bestimmbar (Jes 13,21). Im Nahen Osten ist er zwar vertreten, aber selten geworden. Der Ausdruck taschmas wird in der LXX mit glauka übersetzt und könnte eine kleinere Eulenart bezeichnen (3Mo 11,16; 5Mo 14,15). Steinkauz (Athene noctua) und Schleiereule (Tyto alba) kommen seit dem Altertum vor und sind weit verbreitet. Alle vier Arten teilen die eulentypischen Merkmale und kommen als Ruinenbewohner in Frage. In einigen Übersetzungen wird auch die Bezeichnung kippod mit »Eule« übersetzt, aber einiges spricht dafür, dass damit der Igel gemeint ist (Jes 14,23; 34,11; Zeph 2,14).

nacht:zuschlag

Fast alle Eulen jagen nachts. Wenn sie im Stockdunklen schnell und lautlos durch bizarre Trümmerlandschaften und Ruinen verwüsteter Geisterstädte gleiten, erscheinen sie unheimlich: »Nur Wüstenspuk gibt es an diesem Ort und Häuser voller Eulen« (Jes 13,21 NeÜ). Warum kollidieren sie nicht mit Hindernissen und wie können sie ihre flinken Beutetiere in der Finsternis aufspüren?

Sie haben kein System zur Echoortung wie etwa die Fledermäuse, aber mit ihren riesigen, lichtempfindlichen Augen können sie auch mit sehr wenig Restlicht noch genug erkennen, um ihre Beutetiere zu entdecken. Eine Besonderheit der Eulenaugen ist, dass sie unbeweglich in ihren Höhlen sitzen. Um sich umzusehen, dreht die Eule den ganzen Kopf. Es ist zwar ein Märchen, dass sie den Hals komplett (also um 180°) drehen können, aber immerhin sind 135° in jede Richtung möglich, was auch schon ziemlich lustig aussieht.

hi:fi – Beim Raufußkauz (Aegolius funereus), der nur nachts auf Jagd geht, ist gut zu erkennen, dass die beiden Ohren in unterschiedlicher Höhe am Kopf sitzen. Das ermöglicht ihm die 3D-Ortung seiner Beute im Blindflug.

Die bestangepassten Spezialisten, wie die Schleiereulen benötigen überhaupt kein Licht mehr, sondern orten die Beute allein mit ihrem hervorragenden Gehör. Der Gesichtsschleier arbeitet wie ein Schalltrichter, der die empfangenen Geräusche bündelt und an die tiefliegenden Ohrlöcher weiterleitet. Der besondere Clou ist, dass ihr Gesichtsfeld asymmetrisch ist – die beiden Ohren sind unterschiedlich hoch am Kopf angeordnet. Die Unterschiede in der Schalllaufzeit können dadurch nicht nur wie bei den meisten anderen Tieren (und uns Menschen) zwischen rechts und links berechnet werden, sondern auch zwischen oben und unten. Die Eule erhält so ein dreidimensionales Audiopanorama und kann gezielt zugreifen. Da sie nicht nur vom Ansitz aus, sondern auch aus dem Gleitflug in Bodennähe heraus zustößt, muss sie jedes Fluggeräusch vermeiden. Zum einen, damit das eigene Gehör nicht gestört wird, zum anderen, um unbemerkt zu bleiben. Die Strömungsgeräusche, welche die Luft an den Flügeloberflächen eigentlich erzeugen müsste, werden durch kammartig gezähnte Außenfahnen der vordersten Handschwinge und durch einen dichten, weichen Flaum auf der Oberseite aller Schwingen vermieden.

ton:spur – Die Anordnung der Ohren ermöglicht nicht nur, den Richtungswinkel (Azimut) zu bestimmen, sondern auch den Höhenwinkel (Elevation) exakt zu vermessen. Dabei wird die Entfernung zur Schallquelle nicht nur durch die Zeitverzögerung (Interaural Time Difference, ITD), sondern auch durch winzige Unterschiede im Schalldruck der Signale berechnet.

Als weiteres Extra haben sie um ihren Schnabel herum und an den Füßen besondere Fadenfedern (Filoplumae) mit einem dichten Nervengeflecht an der Federwurzel (Follikel). Diese Federn dienen als empfindliche Tasthaare, mit denen sie ihre Umgebung erfühlen können. Unmittelbar vor dem tödlichen Stoß verlässt die Eule sich auf ihren Tastsinn, um die Beute optimal greifen zu können.

oha:uhu

Eulen gelten heute eher als Sympathieträger, müssen als possierliches Motiv für alles Mögliche herhalten und sind die Hauptattraktion in vielen Vogelparks. Besondere Publikumslieblinge sind die gewaltigen Uhus mit ihren spitzen Federohren, die nichts mit dem Gehör zu tun haben, sondern nur Schmuck sind. Sie sind die größten Eulenartigen und die »Könige der Nacht«. Je nach Heimat werden sie von Nordwesten nach Südosten immer kleiner und leichter: Während in Norwegen bis zu 4,5 Kilogramm schwere Tiere gewogen wurden, werden sie in Israel, der südlichen Grenze ihres Verbreitungsgebietes, nicht einmal halb so schwer.

killer:programm – Zurückhaltung ist nicht seine Sache. Ganz nach der Maxime „all-you-can-eat“ verspeist der Uhu alles, was er einholen und überwältigen kann. Häufiger als der hier abgebildete, nördlicher Vertreter kommt in Israel allerdings der Wüstenuhu (Bubo ascalaphus) vor.

Anders als die Schleiereule, die ein hochspezialisierter Nachtjäger ist und fast ausschließlich von Mäusen lebt, ist der Uhu ein richtiger Allrounder. Er hat sich trotz seines enormen Futterbedarfs bis heute in nahezu ganz Eurasien wacker gehalten und gilt inzwischen nicht mehr als gefährdete Art. Seine Anpassungsfähigkeit ist legendär. Hat er ein ergiebiges Jagdrevier, schläft er tagsüber und unternimmt nachts zwei Beutezüge. Zuerst startet er in die Abenddämmerung, dann macht er eine mehrstündige Pause und irgendwann zwischen zwei und drei Uhr bis zur Morgendämmerung dann die zweite Tour. Sollte er nicht satt geworden sein, jagt er auch am Tag. Dabei ist er nicht wählerisch und schlägt »was da kreucht und fleucht«. Auf dem Boden fallen ihm Igel, Ratten, Mäuse, Kaninchen, Feldhasen, Enten, Rebhühner, junge Frischlinge, kleine Füchse, Murmeltiere, schwache Rehkitze und manchmal sogar Katzen zum Opfer. Angesichts seiner gedrungenen Gestalt hält man es kaum für möglich, dass man es mit einem sehr schnellen Flugkünstler zu tun hat, der ohne Weiteres in der Lage ist, Raben, Krähen oder Tauben im Flug einzuholen und wendig genug, sie zwischen dichtstehenden Bäumen zu verfolgen. Er wagt sich auch an wehrhafte Gegner, rupft andere Eulen wie den Waldkauz und die Waldohreule und stellt sogar erfolgreich Graureihern, Habichten und Mäusebussarden nach. Noch erstaunlicher ist, dass er mit weit ausholenden Schritten laufend sogar am Boden jagt und dabei schneller als eine flüchtende Maus ist. Wenn er schon einmal unten ist, hält er auch nach Insekten, Schnecken, Würmern oder Fröschen Ausschau und in Gewässernähe hat man ihn auch schon beim Fischen beobachtet. Der Uhu lässt einfach nichts liegen, und seine faustgroßen Gewölle zeigen einen bunten Querschnitt durch die Fauna seines Reviers.

chat:eulen

Die Miniaturisierung elektronischer Applikationen und moderne Webcams machen auch die Lebensgewohnheiten der nachtaktiven Eulen transparent. Im Rahmen eines Auswilderungsprogramms entließ der Stockholmer Zoo 1991 einen Uhu in die Freiheit, den man zuvor mit einem Sender ausgestattet hatte. Statt in die Wildnis zu ziehen, blieb er mitten in der Stadt. Die Zeitungen berichteten regelmäßig aus dem Tagebuch von »Karl-Edvard«. Sie verfolgten mit, wie er ein wildlebendes Weibchen fand, die man »Görel« taufte. Die beiden paarten sich auf dem Dach des Hauptbahnhofs, und der Fernsehkanal TV4 lud die Zuschauer etwas später ein, Namen für ihre Nistlinge auszuwählen. Ganz Schweden war gerührt davon, dass er seine Eltern regelmäßig im Zoo besuchte, sich vor den Käfig setzte und mit ihnen »plauderte«. Als sein Bewegungsprofil erkennen ließ, dass es ihm nicht gut ging, wurde er von einem Tierarzt eingefangen und untersucht. Man stellte eine Lungenentzündung fest und therapierte ihn erfolgreich mit Penicillin. Drei Brutzyklen ließen sich mitverfolgen, aber alle Jungtiere starben bei Unfällen in der gefährlichen Großstadtumgebung. Auch Karl-Edvard erwischte es 1995. Viele betrauerten ihn aufrichtig.

Die Homepage https://uhu.webcam.pixtura.de ermöglicht einen Einblick in das Nest der Uhudame Lotte in der Eifel. Über 10 Millionen Aufrufe zeigen, dass wir es hier mit einem kleinen Medienstar zu tun haben. Tags wie nachts sind einige hundert Zuschauer live dabei. Groß war das Entsetzen, als ein Waschbär in der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 2021 die 30 Meter hohe Felswand erklomm und sich an das Nest schlich. Weil es in der Umgebung wenig Beute gibt, mussten beide Eltern auf Jagd gehen. Der Waschbär wartete, bis sie abgestrichen waren und verspeiste beide Nistlinge, die sich verzweifelt zu wehren versuchten.

irrtümlicher:weise

Ihre überproportional großen Köpfe, die ausdrucksstarken, ernsten Gesichter und die dunklen Augen mit durchdringendem und unbeweglichem Blick waren es vermutlich, die der Eule den Ruf eingetragen haben, weise zu sein. Unzählige Bibliotheken auf der ganzen Welt führen die Eule im Logo (oft mit Brille und Doktorhut), um sich als Horte der Gelehrsamkeit zu präsentieren. Schon im antiken Griechenland wurde die Göttin Athene mit einem Steinkauz als Attribut ihrer Weisheit dargestellt. Überall in Athen standen Eulen auf Statuen und auch die Münzen trugen ihr Abbild bis hin zur heutigen griechischen 1-Euro-Münze. Das erklärt auch die Redewendung »Eulen nach Athen tragen«, mit der man eine höchst überflüssige Aktivität bezeichnet.

eulen:schlag – Die Tetradrachme (auch »Stater« genannt), eine Silbermünze im Wert von drei Denaren (= Tageslöhnen) und einem Gewicht von 14 – 17 Gramm war im römischen Reich weit verbreitet und wurde an mehreren Münzstätten geschlagen. Diese Prägung aus Griechenland zeigt auf dem Avers den Kopf der Göttin Athene und auf dem Revers einen Steinkauz. Petrus fand einen Stater im Maul des Fisches (Mt 17,27) und auch bei dem »Judaslohn« von dreißig »Silberstücken« (Mt 26,15) handelte es sich wahrscheinlich um diese Münzen. Obwohl das umgerechnet immerhin etwa 15.000 Euro sind, hat Judas diesen Handel bitter bereut (Mt 27,3).

Auch wenn die Eulen in der allgemeinen Wahrnehmung so weise erscheinen wie Eulalia Hedwig Sophie Gräfin von Eichenhain-Uhland in dem populären Hörspiel »Die Drei vom Ast«, kann die Wissenschaft diese Einschätzung bisher nicht stützen. Im Vergleich zu anderen Vögeln liegen Eulen, was die messbare Intelligenz angeht, eher im unteren Mittelfeld.

trümmer:hausen

Der Steinkauz oder die Schleiereule sind in zertrümmerten Städten zuhause. Sie ruhen den ganzen Tag über und mögen es nicht, gestört zu werden. Deswegen sind verlassene Orte genau das, was sie suchen: »Ich bin wie … eine Eule in öden Ruinen« (Ps 102,7 Einh). Als Mensch war auch der Herr Jesus am »richtigen Platz«, als er in »Menschengestalt« (Phil 2,7) in seine Schöpfung eintrat, die ganz für den Menschen bereitet worden war. Aber seine Seele litt darunter, dass sie durch den Sündenfall zu einer »Ruine« geworden war. Angesichts der Verlorenheit der Menschen war Er »innerlich bewegt (Mt 9,36) und vergoss Tränen beim Tod eines geliebten Freundes (Jh 11,35).

Quellennachweis:

Berger, A: Waschbär frisst Küken von Uhu Lotte – vor den Augen der Fangemeinde. Stern, 20.05.2021; https://www.stern. de/panorama/gesellschaft/waschbaer-frisst-kueken-von uhu-lotte-und-die-webcam-filmt-alles-30537700.html

Birkhead, T: Bird senses: Touch and hearing. New Scientist 2013; 219(2928):4-5; doi: 10.1016/S0262–4079(13)61891-6

Dagens Nyheter (Stockholmer Tageszeitung), 11.10.1995: Berguv dog efter vattenfest och halsont.

Fialko, K; Ali, JR; Céspedes Arias, L: The Sensory Ecology of Birds. Ornithology 2021; 138(2); doi: 10.1093/ornithology/ ukab001

Konishi, M: Die Schallortung der Schleiereule. Spektrum der Wissenschaft 1993; 6:58; https://www.spektrum.de/maga zin/die-schallortung-der-schleiereule/820899

LePiane; K; Clark, JC: Evidence that the Dorsal Velvet of Barn Owl Wing Feathers Decreases Rubbing Sounds during Flapping Flight. Integrative and Comparative Biology 2020; 60(5):1068 1079; doi: 10.1093/icb/icaa045

Schillberg, P; Brill, S; Nikolay, P: Sound localization in barn owls studied with manipulated head-related transfer functions: beyond broadband interaural time and level differences. Journal of Comperative Physiology A 2020; 206:477–498; doi: 10.1007/s00359-020-01410-0

Uhu-Webcam: https://uhu.webcam.pixtura.de/

Wagner, H; Weger, M; Klaas, M: Features of owl wings that promote silent flight. Interface Focus 2017; 7:20160078; doi: 10.1098/rsfs.2016.0078

Waldenström, H: Berguven hoar åter i Nationalstadsparken. Nationalstadspark 2015; http://www.nationalstadsparken.se

Bildnachweis:

Wikipedia: Vorder- und Rückseite eines griechischen Staters / SNGCop_039.jpg / Classical Numismatic Group, Inc.

andere Lizenzen: Titel – Uhu Portrait / shutterstock_1684372885.jpg / Russell Marshall // Uhu mit Beute / shutterstock_427252735.jpg / Ondrej Prosicky

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/federfuehrer

Artigos similares[lang=en]Related articles[lang=de]Ähnliche Artikel