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Unreine Vögel

In der Aufzählung der Vögel, die nicht gegessen werden durften (3Mo 11,13-19; 5Mo 14,11-18), wird viermal die Wendung »nach ihrer Art« verwendet. Sie kann entweder als »alle Arten von« verstanden werden – in diesem Fall wären die Namen eher als Sammelbezeichnungen zu verstehen, ähnlich wie die Familien der Vögel in der modernen ornithologischen Taxonomie, oder als »in der Art von« – in diesem Fall wären konkrete Arten als repräsentatives Beispiel für alle ähnlichen Vögel aufgeführt.

Möwen

Vermutlich ist schachaf (»die Schlanke«) eine Sammelbezeichnung für Möwen (Larinae). Auch das griechische laros in der LXX ist ihnen eindeutig zuzuordnen (3Mo 11,16; 5Mo 14,15). Die Mittelmeermöwe (Larus michahellis) ist an allen israelischen Küsten und auch am See Genezareth zuhause. Einige andere Arten mögen es noch wärmer und sind am Roten Meer und südlich davon zu finden, zum Beispiel die Dünnschnabelmöwe (Chroicocephalus genei), Heringsmöwe (Larus fuscus) und Weißaugenmöwe (Ichthyaetus leucophthalmus). Die Lachmöwe (Chroicocephalus ridibundus), die in Deutschland weit verbreitet und besonders den Nordseeurlaubern gut bekannt ist, überwintert in Israel, ebenso wie die Zwergmöwe (Hydrocoloeus minutus), Schwarzkopfmöwe (Ichthyaetus melanocephalus) und Sturmmöwe (Larus canus).

schlanker:platz – Obwohl Israel 315 Küstenkilometer und einige gute Naturhäfen hat, beschränkten sich die nautischen Aktivitäten der Juden auf einige Joint Ventures mit den erfahreneren Phöniziern. Meeresvögel wie diese Mittelmeermöwe (Larus michahellis) waren ihnen natürlich trotzdem bekannt.

Kormorane

Das Wort schalak bedeutet »(sich) hinabwerfen« und bezieht sich, wie auch das griechische katarraktes – »der Herabstürzende«, auf die Jagdweise des Kormorans (Phalacrocorax carbo). Der flinke Schwimmer taucht kopfüber in Gewässer und erbeutet mit seinem rauen Hakenschnabel Fische, für die es kein Entkommen mehr gibt, wenn er erst einmal zugepackt hat. Die Bezeichnung »Sturzpelikan« findet man zwar außerhalb der Elberfelder Übersetzung so gut wie gar nicht, aber diese Wortschöpfung trifft den Sinn ganz gut (3Mo 11,17; 5Mo 14,17). In Israel kommt er heute nur als Durchreisender oder Wintergast vor.

schwarm:alarm – Mit einem merkwürdigen kleinen Hüpfer leitet der Kormoran (Phalacro corax carbo) seine Unterwasserjagd ein. Wenn er einmal abgetaucht ist, haben die Fische in der Nähe nichts zu lachen – blitzschnell und zielsicher stößt er zu.

Ibisse

Unklar ist, welcher Vogel mit janschuf gemeint ist (3Mo 11,17; 5Mo 14,16; Jes 34,11). Das griechische ibis in der LXX weist auf eine Art der Ibisvögel (Threskiornithidae) hin. Der Heilige Ibis (Threskiornis aethiopicus) ist am bekanntesten. Er kam früher in Ägypten, möglicherweise auch in Israel, vor. Heute lebt er nur noch südlich der Sahara. Er braucht allerdings Wassernähe und ist kein typischer Ruinenbewohner (wie in Jes 34,11 beschrieben). Zur Familie der Ibisse gehört auch der Waldrapp (Geronticus eremita), der in Israel zwar selten, aber dafür im ganzen Orient heimisch ist und sich auch in Ruinen wohlfühlt. Er hat verschiedene Bezeichnungen, wie zum Beispiel Schopfibis, Mähnenibis, Klausrapp, Steinrapp, Klausrabe oder Waldhopf und wäre ein passender Kandidat.

fabel:vogel – Mit dem Waldrapp (Geronticus eremita) scheint irgendetwas nicht zu stimmen; es sieht aus, als trüge er eine Maske. Gelehrte hielten ihn jahrhundertelang für ein Phantasieprodukt.

Purpurhühner

Mit tanschemet wird in der LXX porphyriona das Purpur- oder Smaragdhuhn (Porphyrio madagascariensis) identifiziert (3Mo 11,18; 5Mo 14,16). Der Name leitet sich von dem Verb nascham ab, was »schnauben« bedeutet (vgl. Jes 42,14). Das würde sehr gut zu den langgezogenen, nasalen Trompetenstößen passen, mit denen es nachts ein ziemliches Spektakel veranstaltet. Es kommt in Israel nur noch selten vor, war aber früher weit verbreitet. Irritierend ist, dass das Wort in 3. Mose 11,30 noch einmal vorkommt, dort aber offensichtlich ein anderes Tier bezeichnet. Die LXX übersetzt an dieser Stelle mit chamaileon. Nun geben Chamäleons, wenn sie geärgert werden, ein leises, zischendes Fauchen von sich, aber ob man sie deswegen als »Schnauber« bezeichnet hat, lässt sich leider nicht mehr sicher rekonstruieren. Außerdem kommen Teichralle (Gallinula chloropus) und Blässhuhn (Fulica atra) häufig vor.

sumpf:tröte – Das Purpurhuhn (Porphyrio porphyrio) ist für sein herrlich violett schillerndes Gefieder und nächtliche Trompetenkonzerte bekannt. Eigentlich sollte man bei Teichbewohnern Schwimmhäute erwarten, aber diese hier sind fast nur zu Fuß unterwegs und angeln mit ihren geschickten Rallenkrallen alles verwertbare aus dem Morast.

Reiher

Der anafa wird in der LXX mit herodios wiedergegeben (3Mo 11,19; 5Mo 14,18). Das griechische Wort bezeichnet heute den Graureiher (Ardea cinerea), auch Fischreiher genannt oder den Silberreiher (Ardea alba). Beide kommen allerdings nicht als Brutvögel in Israel vor, während der Kuhreiher (Bubulcus ibis) und der Seidenreiher (Egretta garzetta) hier wirklich zuhause sind. Alle drei Arten teilen die reihertypischen Merkmale: einen schlanken Körper, einen langen Hals, lange Stelzbeine und einen langen, spitzen Schnabel. Alle schreiten in flachen Gewässern umher und spießen dort Fische, Amphibien und Reptilien auf, um sie am Stück zu verschlingen. Da im Speisegesetz ausdrücklich »alle Arten« erwähnt werden, sind wahrscheinlich auch alle drei angesprochen, eventuell sogar auch der Nachtreiher (Nycticorax nycticorax), der wie eine geschrumpfte Variante seiner eleganteren Familienangehörigen erscheint.

weide:vieh – Kaum ein Vogel ist flexibler als der Kuhreiher (Bubulcus ibis), der auf allen Kontinenten anzutreffen ist, solange es ihm nicht zu kalt wird. Er braucht offene Landschaften, aber ob das Sümpfe, Weiden oder Savannen sind, ist ihm egal. Man kann ihn auf den Rücken von Kühen, Pferden, Kamelen, Giraffen, Elefanten, Nashörnern und praktisch allen Grasfressern reiten sehen.

Wiedehopfe

Mit dukifat wird eindeutig der Wiedehopf (Upupa epops) bezeichnet. Das griechische epops der LXX (3Mo 11,19; 5Mo 14,18) ist auch Bestandteil seines lateinischen Artnamens. Bei seinem Namen handelt es sich häufig um die lautmalerische Nachahmung seines Rufes, in dem man ein »up« oder »pu« heraushören kann. Man entdeckt ihn deutlich im englischen »hoopoe«, französischen »Huppe«, niederländischen »Hop«, portugiesischen »Poupa« und mit etwas Fantasie auch im arabischen »hudhud«. Es ist erstaunlich, dass dieser Vogel sich allgemeiner Bekanntheit erfreut, obwohl nur wenige Menschen ihn jemals in freier Natur zu sehen bekommen. Sein eleganter Kopf mit der auffallenden Federhaube und dem langen, gebogenen Schnabel ist unverwechselbar. Er gehört schon immer zum festen Vogelbestand der Levante und wurde sogar zum 40. Jahrestag der Staatsgründung Israels zum Nationalvogel gewählt!

stink:normal – Wie ein stolzer Indianerhäuptling kommt der Wiedehopf (Upupa epops) daher. Mit aufgestellter Federkrone bietet er ein prächtiges Bild – wenn er nur nicht so müffeln würde!

Dabei ist sein Ruf etwas zwiespältig. Er sieht zwar wunderschön aus, verbreitet aber einen atemberaubenden Gestank. Die deutschen Namen Dreckvogel (Pfalz), Chothan (= Kot-Hahn, Schweiz), Stinkhahn (Elsass), Misthahn (Brandenburg) und Dröckstöchar (Tirol) lassen erkennen, dass man ihn nirgendwo riechen mochte. Lange dachte man, der Gestank rühre daher, dass er sein Nest nicht ordentlich ausmiste, aber genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass seine Bürzeldrüse ein ekelerregendes Sekret absondert. Es wirkt zum einen antibiotisch und schützt den Vogel vor Infektionen, zum andern hat es eine abschreckende Wirkung auf Angreifer. Alles in seiner Umgebung nimmt diesen Geruch an, und er verteidigt sich, indem er einem Störenfried Nistmaterial aus seinem Nest entgegenschleudert. Die meisten Tier- und Vogelparks verzichten deswegen darauf, ihn zu präsentieren. In Deutschland ist er immerhin in Berlin, Frankfurt, Köln und Augsburg im Zoo zu bewundern.

Fledermäuse

Es sorgt immer wieder für Spott, dass die atallef (»Fledermaus«) in der Bibel angeblich als »Vogel« gelistet wird. Man beachte, dass sie in der Aufzählung der of (Flieger) ganz am Ende aufgeführt wird: »… und die Fledermaus« (3Mo 11,19; 5Mo 14,18). Im Kontext des Speisegesetzes macht diese Anordnung durchaus Sinn. Etwas einfältig ist dagegen, wer die heutige Taxonomie in der Bibel erwartet und daher schließt, dass den Menschen der Antike die Unterschiede nicht aufgefallen wären. Man kann getrost davon ausgehen, dass bekannt war, dass Fledermäuse weder Federn noch einen Schnabel haben, keine Nester bauen und keine Eier legen. Da sie allerdings mit der Luft als Aktionsraum das zentrale Merkmal der Flieger teilen, sind sie diesen in einer natürlichen Systematik nicht weniger fern als die Strauße, die alle anderen Merkmale teilen aber am Boden bleiben.

Auch in unserer biologisch aufgeklärten Zeit wird nicht immer nur taxonomisch argumentiert. Der beste Beleg dafür ist, dass die Neuseeland-Lappenfledermaus (Chalinolobus tuberculatus) von den Kiwis zum „Vogel des Jahres 2021“ gekürt wurde, wobei es sich nicht um ein Versehen oder Missverständnis handelte. Man vermutet, dass der Name sich von dem Verb ataf (»einhüllen, ummanteln«) ableitet und daher rührt, dass die Tiere in ihre Flughäute eingewickelt von der Decke hängen. Heute kommen in Israel 31 Fledermausarten vor, von denen 30 reine Insektenfresser sind. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zur Schädlingsbekämpfung und stehen unter Naturschutz.

vogel:ähnlich – Die Fledermaus ist genauso wenig ein Vogel, wie der Wal ein Fisch ist. Bei einer vereinfachten Gruppenbildung landen beide häufig nicht in dem Topf, in dem der Biologe sie erwartet. Das Große Mausohr (Myotis myotis) gehört zu den Arten, die in Israel heimisch sind.

Quellennachweis:

Avivi, E: The Bats of Israel Yesterday and Today: 1989-90. BATS Magazine 2012

Barkhausen, B: Spott im Internet: Neuseeland wählt Fledermaus zum „Vogel des Jahres“. Redaktions Netzwerk Deutschland (RND) 02.11.2021; https://www.rnd.de/panorama/spott-im internet-neuseeland-waehlt-fledermaus-zum-vogel-des-jah res-GW2J55A3DVBAFNQW6PF5O7EASI.html

Fähnders, T: Neuseeland wählt Fledermaus zum „Vogel des Jahres“. Frankfurter Allgemeine Zeitung 01.11.2021; https:// www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tiere/vogel-des-jahres neuseeland-waehlt-fledermaus-17612874.html

haGalil: „Duchifat“: Wiedehopf ist Nationalvogel. Offizielle Bekanntmachung der Botschaft des Staates Israel, 30.05.2008

Jürgensen, H: Wie Israel auf den Wiedehopf kam. Osthol steiner Anzeiger 27.01.2011; https://www.shz.de/1109321

Martín-Vivaldi,M; Peña, A; Manuel, J: Antimicrobial chemicals in hoopoe preen secretions are produced by symbiotic bacteria. Proceedings of Biological Sciences 2010; 277(1678):123-30; doi: 10.1098/rspb.2009.1377

Redaktion: Waldrabe. Pierer’s Universal-Lexikon, Bd. 18, S. 804) Altenburg (Pierer) 1864; http://www.zeno.org/Pierer-1857/A/Waldrabe

Bildnachweis:

Wikipedia: Mittelmeermöwe im Flug / Michael Elleray // Bootsausflug mit Möwe / Annatsach // Waldrapp ganz / Robert F. Tobler // Purpurhuhn im Teich / Hobbyfotowiki // Wiedehopf ganz / Artemy Voikhansky // Fledermaus, Großes Mausohr / C. Robiller

andere Lizenzen: Kormoran auf Tauchjagd / Joanna Lentini // Kuhreiher auf Kuh / shutterstock_2076569890.jpg / Chase D’animulls

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/federfuehrer

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