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Flusspferde

Obwohl Flusspferde früher in weiten Teilen Vorderasiens (und sogar in Europa) weit verbreitet waren, sind sie im Mittleren Osten schon lange ausgestorben. In Israel gab es sie wahrscheinlich schon zur Zeit der Landnahme nicht mehr, obwohl sie den Israeliten unter Umständen aus Ägypten bekannt waren, wo sie erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgerottet wurden. Auch aus deutschen Bibelübersetzungen verschwinden sie zunehmend …

Europäische Reisende begegneten der einzigen überlebenden Art der Gattung Hippopotamus, dem Großflusspferd (Hippopotamus amphibius), zuerst in Ägypten und nannten es entsprechend »Nilpferd«, was sich bis heute gehalten hat. Seit der wissenschaftlichen Erstbeschreibung 1758 kamen in Europa auch Zeichnungen in Umlauf. Der wuchtige Körperbau der Tiere, die manchmal über zwei Tonnen Gewicht erreichen, und besonders ihr gewaltiges Gebiss mit den hauerartigen Eckzähnen regten die Fantasie an, und so wurden sie zu einem beliebten Illustrationsgegenstand.

sink:tiere – Flusspferde kommen im Wasser gut voran, indem sie ihrem Namen alle Ehre machen und über den Gewässergrund galoppieren. Allerdings wirkt es schon etwas merkwürdig, dass sie zwar den größten Teil ihrer Zeit im Wasser verbringen, aber weder schwimmen noch lange tauchen können. Spätestens nach fünf Minuten müssen sie an die Oberfläche springen, um Luft zu holen.

hippo:logie

Gelehrte ordneten diese Kolosse, die sie nur aus Erzählungen kannten, schon früh der biblischen Beschreibung des Behemot zu (Hi 40,15-24). Der erste schriftliche Beleg dazu findet sich in dem Werk Hierozoicon (1663) von Samuel Bochartus. In der russischen und ukrainischen Sprache wurde der Ausdruck »Behemot« (Бегемот) sogar zum gebräuchlichen Namen für das Flusspferd. Allerdings gibt es keine außerbiblischen Belege, dass dieses Wort in der hebräischen oder aramäischen Sprache für das Flusspferd verwendet worden wäre. Auch der entsprechende arabische Ausdruck »Bahīmūth« oder »Bahamūt« bezeichnet zwar ein (fischartiges) Ungeheuer, aber keinesfalls das Flusspferd.

Seit jener Zeit, in der über exotische Tiere nur wenig bekannt war, wurde die Zuordnung des Flusspferds in Hiob 40,15 zum Behemot der Bibel von vielen Übersetzern übernommen. In einigen Übersetzungen findet sie sich auch in den aktuellen Ausgaben noch: zum Beispiel in der Gute Nachricht Bibel (GN, 2018), Einheitsübersetzung (Einh, 2016) und Neues Leben Bibel (NLB, 2017), aber in den meisten Fällen wurde sie bei späteren Überarbeitungen korrigiert. So findet man das Nilpferd bei Hermann Menge im Textstand von 1946, aber nicht mehr in der »Menge 2020«, bei Schlachter im Textstand von 1851, aber nicht mehr in der »Schlachter 2000« und das Flusspferd in der Zürcher bis 1931, aber nicht mehr in der Ausgabe von 2007.

Viele Übersetzer haben allerdings gleich vermutet, dass sich das beschriebene Tier keiner der heute lebenden Arten zuordnen lässt, und entschieden sich dazu, den hebräischen Begriff »Behemot(h)« unübersetzt wiederzugeben (so in der Lutherbibel, Elberfelder Bibel, Neuen evangelistischen Übersetzung und Hoffnung für alle).

power:hauer

Die runden Dickerchen mit dem gutmütigen Grinsegesicht und dem netten Spitznamen »Hippo« sind den meisten Menschen sympathisch. Wenn sie prustend aus dem Wasser auftauchen und sich mit schnellen Drehbewegungen das Wasser aus ihren abstehenden Ohren schlackern oder platt auf dem Bauch liegend, alle Viere von sich gestreckt, rötlich glänzend in der Sonne dösen, muss man einfach schmunzeln.

Dabei darf man nicht vergessen, dass sie sich ihrer Wehrhaftigkeit bewusst sind und, zumindest die dominanten Bullen, »territorial denken«. Ihr Flussabschnitt ist ihr Revier und jeder Eindringling wird vertrieben. Über die Gefährlichkeit von Flusspferden kursieren haarsträubende Geschichten. Mitunter ist zu lesen, dass ihren Hauern mehr Menschen zum Opfer fallen als den Reißzähnen der Löwen. Allerdings wird keine weltweite Statistik für »Wildunfälle« geführt, und die meisten Angaben beruhen auf Schätzungen. Es gibt jedoch einzelne Untersuchungen, in denen exakte Daten erhoben wurden, wie in der Abbildung dargestellt.

sumpf:monster – Sambia ist ein Land mit ausgedehnten See- und Sumpfgebieten und der größten Flusspferdpopulation der Erde, die (2002-2008) für die zweit meisten tödlichen Attacken verantwortlich war. Im benachbarten Mosambik, das ebenfalls am Sambesi-Strom liegt, aber überwiegend Savanne ist, sieht die Bilanz (2006-2008) jedoch anders aus. Hier liegen die Flusspferde auf Platz vier (nach Chomba et al // Dunham et al.).

Während in Sambia, einem Land mit ausgedehnten See- und Sumpfgebieten, die größte Flusspferdpopulation der Erde lebt, kommen im benachbarten Mosambik, das ebenfalls am Sambesi-Strom liegt, aber überwiegend Savanne ist, im Verhältnis mehr andere Arten gefährlicher Wildtiere vor. Da Flusspferde nur in wenigen, wasserreichen Regionen Afrikas vorkommen und der größte Teil des Kontinents mit Trockensavannen und Wüsten bedeckt ist, repräsentieren die Daten aus Mosambik die Gesamtsituation eindeutig besser. Auch wenn also ihre Gefährlichkeit vielleicht gelegentlich etwas übertrieben wird, geht doch aus beiden Rankings hervor, dass man sich vor ihnen in Acht nehmen muss.

fehl:besetzung

Über die Frage nach der Identität des Behemot ist über die Jahrhunderte viel geschrieben worden. Im Literaturnachweis sind zwei Ausarbeitungen angeführt, die einen guten Überblick geben. Besonders zu empfehlen ist das Buch »Das Geheimnis des Leviathan«. Da von den vielen Lösungsvorschlägen nur die Flusspferd-Zuordnung Einzug in die deutschsprachigen Bibelübersetzungen gehalten hat, beschränken wir uns hier darauf.

Das Flusspferd ist ein friedlich grasender Pflanzenfresser, der im Handumdrehen zu einer tödlichen Bedrohung werden kann – auf den ersten Blick passt diese Charakteristik exzellent zum Behemot in Hiob 40,15. Wahrscheinlich war es auch zur Zeit Hiobs im Nahen Osten noch verbreitet. Wie sieht es mit den anderen Merkmalen aus?

»Sieh doch, seine Kraft ist in seinen Lenden, und seine Stärke in den Muskeln seines Bauches […] Seine Knochen sind Röhren aus Kupfer, seine Gebeine wie Barren von Eisen« (Hi 40,16.18) – Flusspferde sind tatsächlich erstaunlich stark und schnell. Ihr massiver Knochenbau führt zu einem ungewöhnlich hohen spezifischen Gewicht und dem bemerkenswerten Umstand, dass sie, obwohl sie die meiste Zeit im Wasser verbringen, nicht schwimmen können und selbst mit gefüllten Lungen untergehen.

»Er biegt seinen Schwanz wie eine Zeder« (Hi 40,17a) – Das Verb, das hier mit »biegen« übersetzt wurde, kommt nur an dieser einen Stelle vor und wird auch als »tragen, bewegen, ausstrecken, hängenlassen« wiedergegeben. Es lässt sich nicht näher bestimmen. Aber davon einmal abgesehen, konnte bisher niemand einen sinnvollen Vergleichsaspekt zwischen der Zeder, einem mächtigen Nadelbaum, und dem stummeligen Pinselschwanz des Flusspferds finden. Es lässt ihn manchmal wie einen kleinen Propeller kreisen und verteilt seine Ausscheidungen zur Markierung des Reviers.

zeder:leicht – Ein Flusspferd teilt sich sein Gehege in friedlicher Eintracht mit einem Nashorn. Fast alles an den Körpern dieser beiden Giganten ist beeindruckend – ihre rückwärtigen Anhängsel sind es definitiv nicht. Der Vergleich des Pinselschwänzchens mit dem »König der Bäume« (vgl. 1Kön 5,13; Hi 40,17; Jes 2,13) erscheint nicht sehr passend.

»Die Sehnen seiner Schenkel sind verflochten« (Hi 40,17b) – Beim Flusspferd konnten in dieser Hinsicht keine anatomischen Besonderheiten festgestellt werden. Was Muskulatur und Sehnenapparat betrifft, entsprechen sie anderen großen Pflanzenfressern.

»Er ist der Anfang der Wege Gottes« (Hi 40,19a) – Das klingt nach Superlativ. Man würde erwarten, dass Gott mit dem Behemot das beeindruckendste Tier (der Gruppe der Pflanzenfresser) beschreibt, das Hiob kannte, gefolgt von dem Leviatan als stärkstem und gefährlichstem Raubtier. Je nach zeitlicher und geographischer Einordnung des Buches Hiob und erdgeschichtlicher Annahmen könnten das tat sächlich Flusspferd und Krokodil gewesen sein.

»Der ihn gemacht hat, hat ihm sein Schwert beschafft« (Hi 40,19b) – Die großen Hauer sind ein augenfälliges Merkmal und dürfen in einer Beschreibung des Flusspferds auf keinen Fall fehlen. In einem poetischen Text könnten sie eventuell als »Schwert« bezeichnen werden.

hauer:geschichte – Das Flusspferd ist das einzige Säugetier, bei dem der Unterkiefer grundsätzlich schwerer ist als der restliche Schädel. Die stark vergrößerten unteren Eckzähne wachsen ein Leben lang und können bei alten Bullen eine Länge von mehr als 1,50 Meter erreichen.

»Denn die Berge tragen ihm Futter, und dort spielen alle Tiere des Feldes. Unter Lotosbüschen legt er sich nieder, im Versteck von Rohr und Sumpf; Lotosbüsche bedecken ihn mit ihrem Schatten, es umgeben ihn die Weiden des Baches. Siehe, der Strom schwillt mächtig an – er flieht nicht ängstlich davon; er bleibt wohlgemut, wenn ein Jordan gegen sein Maul hervorbricht« (Hi 40,20 23) – Heutige Flusspferde weiden grundsätzlich in Ebenen und Flusstälern und meiden große Steigungen. Insofern wirken »die Berge« hier etwas fehl am Platz, aber ansonsten passt die Beschreibung hervorragend. Auf dem antiken »Nilmosaik von Palestrina« sind sogar die weißen Lotusblüten abgebildet.

beute:schema – Das »Nilmosaik von Palestrina« zeigt eine Szene, in der Nilpferde und Krokodile vom Boot aus bejagt werden. Behemot und Leviatan im Buch Hiob dagegen ließen sich nicht von Menschen jagen.

»Fängt man ihn wohl vor seinen Augen, durchbohrt man ihm die Nase mit einem Fangseil« (Hi 40,24) – das ist nochmal ein großer Schwachpunkt. Gott stellt Hiob in seiner Rede (Hi 38-41) über 70 rhetorische Fragen; so auch hier. Die Aussage ist: Du bist nicht in der Lage, den Behemot »an die Leine zu legen«. Tatsache ist aber, dass Flusspferde (ebenso wie Krokodile) seit frühester Zeit erfolgreich gejagt (und fast überall ausgerottet) wurden. Trotz ihrer Kraft und Aggressivität sind sie nicht unüberwindlich. Sie können ihrem Jäger nicht ins tiefe Wasser folgen und sind nicht besonders clever.

Obwohl die Gegenüberstellung gemischt ausfällt, trifft die Beschreibung unter heute lebenden Tieren am ehesten auf das Flusspferd zu. Anders sieht es aus, wenn ausgestorbene Arten mit einbezogen werden. Die »Schlachter 2000« versieht den Behemot mit der hilfreichen Anmerkung: »Die Beschreibung weist auf einen pflanzenfressenden Saurier hin, nicht, wie früher angenommen, auf das Nilpferd.«

ersatz:spieler – Jemand, der der Bibel Vertrauen schenkt, aber die Idee des zeitgleichen Zusammenlebens von Menschen und Sauriern auf der Erde spontan als »unwissenschaftlich« zurückweist, hat möglicherweise einen längeren Weg vor sich – der ihn zu der Erkenntnis führen könnte, dass viele Passagen der Bibel (unter anderem »Schöpfungsbericht und Urgeschichte« – 1Mo 1-11) wörtlich und real-historisch verstanden werden wollen. Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zu der Annahme, dass die Zuordnung des Iguanodon zum Behemot plausibel ist.

Quellennachweis:

Ahuis, F: Behemot, Leviatan und der Mensch in Hiob 38–42. Zeitschrift für die Alttestamentliche Wissenschaft (ZAW 123) 2011; S. 72–91; doi: 10.1515/ZAW.2011.006

Bochartus, S: Hierozoicon, Sive Bipertitum Opus De Animalibus S. Scripturae (Vol. 1, S. 77). Leiden, NL (Boutesteyn & Luchtmans) 1692; https://transkribus.eu/r/noscemus/#/documents/725075/pages/77

Chomba; C; Senzota, R; Chabwela, H: Patterns of human – wildlife conflicts in Zambia, causes, consequences and management responses. Journal of Ecology and the Natural Environment 2012; 4(12)303-313; doi: 10.5897/JENE12.029

Dunham, KM; Ghiurghi, A; Cumbi, R: Human–wildlife conflict in Mozambique: a national perspective, with emphasis on wildlife attacks on humans. Oryx – The International Journal of Conservation 2010; 44(2)185-193; doi: 10.1017/S003060530999086X

Fox, MV: Behemoth and Leviathan. Biblica 2012; 93:261-67

Hartmann, F: Das Geheimnis des Leviathan (S. 29-39). Berneck (Schwengeler) 1994

Mackey, DF: Monsters in the Book of Job. AMAIC, Australian Marian Academy of the Immaculate Conception; https://www.academia.edu/78946743/Monsters_in_the_Book_of_Job?email_work_card=view-paper

Meder, A; Diener-Steinherr, A; Oschatz, S: Lebendige Wildnis – Tiere der Flüsse und Bäche (Flusspferde, S. 7-25). Stuttgart (Das Beste) 1994

Maydana, SF: Hippopotamus hunting in Predynastic Egypt: Reassessing Archaeozoological evidence. Archaeofauna 2020; 29:137-150; doi: 10.15366/archaeofauna2020.29.009

van Houdt, S; Traill, LW: A synthesis of human conflict with an African megaherbivore; the common hippopotamus. Frontiers in Conservation Science 2022; 3:954722; doi: 10.3389/fcosc.2022.954722

Paul, MJ: Behemoth and leviathan in the book of Job. Journal of Creation 2010; 24(3):94-100

Bildnachweis:

Wikipedia: Flusspferdeschädel / Raul654 // Flusspferdejagd / WolfgangRieger

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Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer

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