Bei Maultier und -esel handelt es sich, biologisch gesehen, nicht um eine eigene Art, sondern um Hybriden, also Kreuzungsprodukte zwischen verschiedenen Arten, in diesem Fall aus Pferd und Esel. Sie sind ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie durch züchterische Bemühungen schon früh begonnen wurde, neue Merkmalskombinationen hervorzubringen, die noch besser an die Bedürfnisse des Menschen angepasst sind.
Die Taxonomie in der Biologie ist ein einheitliches, hierarchisches System zur Einordnung von Arten gemäß ihren Merkmalen. Mischwesen sind darin nicht klassifiziert. Manchmal wird das Synonym Equus mulus (Pferde-Esel) verwendet, aber besser ist die, etwas kompliziert aussehende, Formulierung »Equus asinus x
caballus« – also »Eselhengst + Pferdestute« für das Maultier – und »Equus
caballus x
asinus« – also »Pferdehengst + Eselstute« für den Maulesel.

taxono:misch
Diese Kombination funktioniert, obwohl Pferde 64 und Esel 62 Chromosomen haben. Die Nachkommen haben den entsprechenden Mittelwert von 63 Chromosomen. Da dies eine ungerade Zahl ist, lässt sie sich nicht glatt in Chromosomenpaare aufteilen, was eine natürliche Fortpflanzung fast unmöglich macht.
In der Bibel ist wahrscheinlich von Maultieren oder »Mulis« die Rede, nicht von Mauleseln, aber eventuell wurden beide Varianten sprachlich auch gar nicht unterschieden. Soweit man es historisch rekonstruieren kann, spielten Maulesel im Vergleich zu Maultieren insgesamt gesehen kaum eine Rolle. Auch heute sind von den 14 Millionen »Pfeseln«, die es weltweit gibt, nur etwa zwei Millionen Maulesel, aber zwölf Millionen Maultiere. Das hebräische Wort pered (13x) bezeichnet wohl das Maultier im Allgemeinen und den Maultierhengst im Besonderen, während die weibliche Form pirda (1Kön 1,33.38.44) die Maultierstute bezeichnet. Als Maßeinheit kommt außerdem der besondere Ausdruck »massa zemed peredim« – »die Last eines Maultiergespanns« – vor (2Kön 5,17). Da dem Volk Israel die Zucht von Maultieren durch das Gebot »Dein Vieh von zweierlei Art sollst du sich nicht begatten lassen« (3Mo 19,19) untersagt war, wurden sie wahrscheinlich überwiegend aus anderen Ländern (zum Beispiel Armenien: Hes 27,14) importiert.

Da die Ergebnisse dieser Kreuzung je nach Pferde- und Eselsrasse sehr unterschiedlich aussehen, lässt sich kein allgemeines Unterscheidungsmerkmal zwischen Maultier und Maulesel nennen. Wenn die Elterntiere jeweils der gleichen Rasse angehören und beide Varianten direkt vergleichbar sind, ähneln beide eher ihrer Mutter. Das heißt: Ein Maulesel wirkt eher wie ein Esel und ein Maultier eher wie ein Pferd. Das bezieht sich auch auf das Sozialverhalten, da die Tiere bei ihrer Mutter (und meistens auch weiteren Pferdestuten und -fohlen) aufwachsen. Bevor man die Möglichkeit hatte, zytogenetische Untersuchungen im Labor zu machen, war dies der einzig sichere Nachweis: Man stellte das Tier zwischen eine Herde Pferde und eine Herde Esel – das Maultier schloss sich sofort den Pferden an und der Maulesel gesellte sich zu den Eseln.

ökono:misch
Die »Produktion« dieser Mischlinge ist kein einfaches Unterfangen, da die Tiere aneinander gewöhnt werden müssen und es außerdem in vielen Fällen zu einem vorzeitigen Schwangerschaftsabbruch kommt. Bei Mauleseln liegt die Abort-Rate bei über 80%. Das ist der Hauptgrund dafür, dass diese Variante kaum gezüchtet wurde. Bei Maultieren liegt sie dagegen »nur« bei etwa 20%. Die Hengste von Maulesel und Maultier sind grundsätzlich nicht zeugungsfähig, und bei den Stuten kommt es nur in seltenen Ausnahmefällen zu Schwangerschaften, wenn sie von Pferde- oder Eselhengsten »belegt« werden.
Warum sollte man so viel Mühe aufwenden, um ein Tier zu züchten, das weder Pferd noch Esel ist und sich noch nicht einmal fortpflanzen kann? Die Antwort ist einfach: Weil ein Maultier die besten Eigenschaften beider Arten in sich vereint. Auf der einen Seite ist es fügsam und folgsam wie ein Pferd, etwas langsamer und kleiner, aber fast genauso stark.

Auf der anderen Seite ist es so robust, trittsicher, schwindelfrei, wetterfest, ausdauernd, unerschrocken, besonnen, langlebig (sie werden oft über 50 Jahre alt!) und anspruchslos wie ein Esel. Wo man sie heute noch einsetzt (Militär, Katastrophenschutz), tragen sie eine Zuladung von 150-200 Kilogramm über 40-50 Kilometer pro Tag. Da bei Esel und Pferd weibliche Tiere, die trächtig sind, ohnehin kaum zum Arbeiten einsetzbar waren und männliche Tiere erst nachdem man sie kastriert hatte (was im Judentum verboten war) zu gebrauchen waren, war die Unfruchtbarkeit der Maultiere kein großer Nachteil.

muli:talent
Maultiere standen im Altertum in allerbestem Ruf und galten als genauso edel wie Pferde. Im Römischen Reich, wo die Legionäre zu Fuß als perfektionierte Infanterie die Hauptlast des Kampfes trugen, während die berittenen Krieger der Kavallerie nur eine untergeordnete Rolle spielten, aber sehr viele Transportaufgaben für Militär, Handel und Bauprojekte zu bewältigen waren, wurden Maultiere sogar deutlich bevorzugt. Die Tierärzte der Legion bestanden darauf, nicht als Rossärzte (equomedici), sondern als Maultierärzte (mulomedici) tituliert zu werden.

Ein kampferprobter Haudegen wie David wählte wahrscheinlich bewusst eine Maultierstute als königliches Reittier (1Kön 1,33.38.44), da Pferde im judäischen Bergland weniger gut zu gebrauchen waren. Auch seine Söhne ritten auf Maultieren (2Sam 13,29), und Absalom wurde das zum Verhängnis, als sein Reittier weiterlief, während er mit den Haaren im Geäst eines Baumes hängen blieb und dort schwebte, bis man ihn fand und tötete (2Sam 18,9).

In verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen spielte die Beschränkung der Pferde, die nicht so trittsicher und schwindelfrei sind, eine Rolle. Nicht nur, weil man mit Streitwagen nicht ins Gebirge ziehen konnte (Jos 17,16; Ri 1,19), sondern auch, weil die Pferde ihre Stärken nur in ebenem Gelände ausspielen konnten (1Kön 20,25; Am 6,12).

Quellennachweis:
https://www.maulesel.info/index.html; aufgerufen am 22.05.2023
McLean, A; Varnum, A; Ali, A: Comparing and contrasting knowledge on mules and hinnies as a tool to comprehend their behavior and improve their welfare. Animals 2019; 9(8):488; doi: 10.3390/ani9080488
Rong, R; Chandley, AC; Song, J: A fertile mule and hinny in China. Cytogenetics and Cell Genetics 1988; 47(3):134-139; doi: 10.1159/000132531
Savory, TH: The Mule. Scientific American 1970; 223(6):102-109; http://www.jstor.org/stable/24927685
Bildnachweis:
Wikipedia: Maultiergespann mit 20 Tieren / Uzume // Wandteppich – Muerte de Absalon / CESEDEN // einzelnes Maultier / Juan R. Lascorz
andere Lizenzen: Maultierzug im Gebirge / shutterstock ID_1703116336 / Ezequiel Laprida // Pferd in einer Gruppe von Maultieren / shutterstock ID_664925728 / Guaguiar // Gruppenportrait von vier Maultieren / shutterstock ID_2342471903 / Bill Chizek // Maultier treibt eine Ölmühle an / shutterstock ID_92128420 / Ryan Rodrick Beiler // Römische Legionäre auf dem Marsch / shutterstock ID_1730268625 / Massimo Todaro
Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer
