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Kamele

Warum Kamele in unserem Kulturkreis als stumpfsinnige Trottel dargestellt werden, ist kaum nachvollziehbar. Bei Völkern, die seit vielen Jahrhunderten mit ihnen zusammenleben, stehen sie in bestem Ruf und gelten als intelligent, lernfähig, duldsam, gutmütig und zuverlässig. In der biblischen Geschichte spielen sie von frühester Zeit an eine Rolle, auch wenn die Archäologie lange Mühe damit hatte, die biblischen Angaben nachzuvollziehen.

Wenn im Vorderen Orient oder in Afrika von Kamelen die Rede ist, versteht man heute das Dromedar (Camelus dromedarius) darunter, das auch als Einhöckriges oder Arabisches Kamel bezeichnet wird. Zur Zeit der Erzväter könnte es sich auch um das zweihöckrige Baktrische Kamel oder Trampeltier (Camelus ferus / bactrianus) gehandelt haben, dessen Nutzung im dritten Jahrtausend vor Christus archäologisch belegt ist. Beide Arten sind miteinander kreuzbar. Taxonomisch gesehen gehören Kamele zwar nicht in die Unterordnung der Wiederkäuer (Ruminantia), aber sie haben einen vierteiligen Magen und sie käuen wieder, wie es schon in der Bibel beschrieben wird (3Mo 11,4).

ca:ma – Alle heutigen Kamele bilden einen Grundtyp – die Lamas in Südamerika eingeschlossen, wie ein aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangener Mischling von Dromedar und Lama namens »Rama the Cama« zeigt (Foto: Skidmore et al.).

höcker:kunde

Der Klang von »Kamel« ist in dem hebräischen Wort gamal (51x) unschwer wiederzuerkennen. In der Form Gamul (1Chr 24,17) und Gemalli (Kamelbesitzer, 4Mo 13,12) kommt es als Personenname und in der Zusammensetzung Beth-Gamul (Haus der Kamele, Jer 48,23) als Ortsname vor. Die arabische Bezeichnung des Kamels ist ebenfalls gamal – und als Gamal, Jamal, Dschamal, Djamel oder Cemal ein beliebter Männername. Wegen der negativen Konnotation wird er in westlichen Medien heute allerdings meistens von einem Wort gleicher Wurzel für »Schönheit« abgeleitet. Junge Kamele werden mit dem Wort beker (Jes 60,6) beschrieben, welches junge Hengste im Besonderen und halbwüchsige Tiere im Allgemeinen bezeichnet und ebenfalls als Männername vorkommt (1Mo 46,21; 4Mo 26,35; 1Chr 7,6.8). Die weibliche Form, mit der man die Jungstuten benennt, lautet bikra (Jer 2,23). Die Bezeichnung karkara (Jes 66,20) für die erwachsene Kamelstute leitet sich von dem Verb für »tanzen« ab, was die leicht schwankende und ausdauernde Fortbewegungsweise gut beschreibt. Außerdem wird der Kamelhöcker erwähnt (Jes 30,6) und taucht als Ortsname »Dabbeschet« (Jos 19,11) auf.

zwei:zylinder – Viele denken bei »Kamel« zunächst an das Trampeltier, obwohl das einhöckrige Dromedar viel weiter verbreitet ist. Während in Afrika, Nahost und Australien 18 Millionen Dromedare durch die Wüste schwanken, stampfen durch die Steppen und Gebirge Asiens nur zwei Millionen Trampeltiere.

Im Neuen Testament wird das griechische Wort kamelos (Mt 19,24; 23,24; Mk 10,25; Lk 18,25) verwendet, das wahrscheinlich der semitischen Sprachfamilie entlehnt ist. In der Kombination thrixas kamelou bezeichnet es Kamelwolle oder Kamelhaar (Mt 3,4; Mk 1,6), das heute als Luxusgut gilt. Als Kleidung von Johannes dem Täufer beschreibt es allerdings ein grobes und einfaches Gewebe, das gerade im Gegensatz zu prächtiger und weicher Kleidung steht (Mt 11,8; Lk 7,25). Vermutlich war sein »Vorgänger«, der Prophet Elia, als »Mann mit einem härenen Gewand und an seinen Lenden gegürtet mit einem ledernen Gürtel« (2Kön 1,8) ebenso gekleidet.

alte:kamellen

Im Buch Hiob, dessen Handlung eventuell schon zwei- bis dreihundert Jahre nach der Flut spielt, werden bereits große Herden von insgesamt 3.000, später sogar 6.000 Kamelen erwähnt (Hi 1,3; 42,12). Abraham werden bei seinem Besuch in Ägypten Kamele geschenkt (1Mo 12,16) und sein Knecht macht sich später mit zehn Tieren auf den Weg nach Haran, um eine Braut für Isaak zu finden (1Mo 24,10). Später kehrt dessen Sohn Jakob als reicher Mann von dort zurück, wahrscheinlich auf dem Rücken eines Kamels. Jedenfalls liegen die gestohlenen Hausgötzen seines Schwiegervaters unter einem Kamelsattel versteckt (1Mo 31,34), und zu den großen Herden, die er mitführt, werden auch 30 säugende Kamele mit ihren Fohlen gezählt, die er seinem betrogenen Bruder Esau schenkt (1Mo 32,16). Wieder etwas später wird sein Sohn Joseph dann mit einer ismaelitischen Kamelkarawane nach Ägypten gebracht (1Mo 37,25).

stein:zeit:zeuge – Felszeichnungen wie diese hier aus dem algerischen Tassili N’Ajjer gelten als eindeutige Belege für die Nutzung von Kamelen schon vor Abrahams Zeit. Andere Petroglyphen wurden in Jordanien (Wadi Rum) und Arabien (Jubbah) gefunden. Alle drei Stätten zählen heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die Malereien und Gravuren werden ins frühe Neolithikum (Jungsteinzeit) datiert, womit sich die Zweifel an den biblischen Angaben als unbegründet erwiesen haben.

Diese frühen Erwähnungen des Kamels wurden oft herangezogen, um der Bibel eine fehlerhafte Berichterstattung vorzuwerfen, da man die Domestikation von Kamelen erst um das Jahr 1.000 v. Chr. herum vermutete. Inzwischen gibt es jedoch eine ganze Reihe von Funden, die das biblische Bild bestätigen, auch wenn man es sich etwas deutlicher wünschen würde. Während es nämlich von allen anderen Nutztieren eine Fülle von Abbildungen und Textzeugnissen gibt, sind die Hinweise auf Zucht und Einsatz von Kamelen seltene Ausnahmen. Dafür kann es allerdings verschiedenste Ursachen geben. Wahrscheinlich wurden sie fast ausschließlich von Nomaden gehalten, die generell kaum archäologisch auffindbare Spuren hinterließen. Abraham und seine Familie, die halbnomadisch lebten, aber mit Nomadenvölkern wie Ismaelitern, Nabatäern und Midianitern verwandt waren, und großen Wohlstand besaßen und Beziehungen nach Ost und West pflegten, scheinen in dieser Hinsicht einfach ihrer Zeit etwas voraus gewesen zu sein, indem sie, fortschrittlich und praktisch denkend, damals schon im Höckersattel unterwegs waren.

schutzbe:fohlen

Kamele leben in Herden und kommen auch ohne menschliche Betreuung gut zurecht. Zum Gebären ziehen sich die Stuten an einen möglichst abgelegenen Ort zurück und kommen erst nach einigen Tagen, wenn das Fohlen sicher auf den Beinen ist, wieder zurück. Die Jungtiere nehmen schon nach drei Monaten feste Nahrung zu sich und werden durch die Hirten bereits im Alter von 7-10 Monaten entwöhnt, weil die Milch ein begehrtes Produkt ist. Dazu verhängen sie das Euter mit einem Netz. Um die Stute melken zu können, muss das Fohlen allerdings die Milch zuerst kurz ansaugen. Dann wird es beiseitegeschoben und das Melken kann beginnen. Das Fohlen muss die ganze Zeit danebenstehen, denn die Stute gibt die Milch nur in Gegenwart des Fohlens. Um eine Stute, deren Fohlen gestorben ist, trotzdem weitermelken zu können, nutzen Beduinen ausgestopfte Fohlen oder hängen einem Kind das Fell um. Die Stute lässt sich dadurch täuschen. Moderne Melkautomaten simulieren das natürliche Trinkverhalten inzwischen so perfekt, dass es auch ohne Fohlen funktioniert.

mund:raub – Die Kamelstute kann nur von Hand gemolken werden, wenn ihr Fohlen dabeisteht – sonst macht sie dicht. Ein umgehängtes Tuch verhindert allerdings, dass ihr Junges die Zitzen erreicht.

mc:amel

Durch den Roman »Wassermusik« wurde ein Rezept für »Gefülltes Kamel« populär – die Zutaten:

  • 4            Trappen (große, bodenlebende Vögel), gereinigt und gerupft
  • 500        Datteln
  • 200        Regenpfeifereier
  • 20          Karpfen (Zweipfünder)
  • 2            Schafe
  • 1            großes Kamel
  • diverse Gewürze

Zubereitung: Man grabe ein Feuerloch. Flammenmeer auf eine circa einen Meter tiefe Lage glühender Kohlen hinunterbrennen lassen. Die Eier separat hart kochen. Die geschuppten Karpfen sodann mit den geschälten Eiern und den Datteln füllen. Die fein gewürzten Trappen mit den gefüllten Karpfen füllen. Nun die Schafe mit den gefüllten Trappen füllen. Anschließend das Kamel mit den gefüllten Schafen füllen. Das Kamel kurz ansengen, dann mit Doumpalmenblättern umwickeln und in der Glut vergraben. Zwei Tage lang backen. Als Beilage Reis servieren.

Nun ist ein Roman kein Kochbuch … Aber es existiert bei den Beduinen tatsächlich bis heute der Brauch, Kamele in ähnlicher Weise mit Fleisch- und Geflügelzubereitungen zu füllen, sie dann als Ganzes zu garen und als Hochzeitsmahl zu servieren. Und wenn vom Festschmaus schon nur noch Knochen und Gräten übrig sind, debattieren die Rabbiner immer noch darüber, wie vieler Lagen Palmblätter es zwischen Schaf und Kamel bedarf, damit wenigstens die köstliche Füllung den jüdischen Gästen koscher sei.

wünschel:stute

Junge Kamele sind sehr verspielt und wachsen schnell heran. Sie werden erst mit ungefähr vier Jahren geschlechtsreif und verbringen bis dahin eine unbeschwerte Zeit, in der sie noch zu keinerlei Arbeit herrangezogen werden. Während sich die Stuten (mit ihren Fohlen) und die Hengste getrennt aufhalten, tollen die Jugendlichen gemeinsam umher und messen ihre Kräfte in spielerischen Ringkämpfen und Wettrennen. In sittenstrengen Gesellschaften versinnbildlicht der lockere Umgang der Geschlechter eine geheime Wunschvorstellung. Der Prophet Jeremia nimmt Bezug auf dieses Bild der Freizügigkeit, wenn er Israel als »flinke Kamelin, die kreuz und quer umherläuft« (Jer 2,23) bezeichnet. Gott erwartete von seinem auserwählten Volk Treue und Verbindlichkeit in einer exklusiven Beziehung – wie sie in einer gottgemäßen Ehe gelebt werden. Die beständige Hinwendung zu den Göttern der Nachbarvölker wird deswegen in vielen Prophetenreden mit Ehebruch und Hurerei gleichgesetzt. Israel verhielt sich wie eine leichtfüßige Kamelstute, die unverbindlich von einem Spielkameraden zum anderen tingelt (oder eine Wildeselin, die die Hengste anlockt, siehe den Artikel über den Wildesel).

schon:zeit – Jugendliche Kamele dürfen bis zu einem Alter von vier Jahren noch den ganzen Tag in gemischten Gruppen miteinander spielen. Später bilden Hengste und Stuten getrennte Herden und werden oft auch zum Arbeiten herangezogen.

Die Erwartung Gottes bezüglich der Treue seines Volkes hat sich nicht geändert. Paulus drückt es für die Gemeinde so aus: »Wie ein Vater seine Tochter mit dem einen Mann verlobt, für den sie bestimmt ist, so habe ich euch mit Christus verlobt, und mir liegt alles dar an, ihm eine reine, unberührte Braut zuzuführen« (2Kor 11,2 NGÜ). Auch wenn die buchstäbliche Verehrung fremder Götter heute in der Christenheit kein Thema mehr ist, gibt es doch viel Konkurrenz um den ersten Platz im Leben, der dem Herrn Jesus gehört.

wüsten:währung

Da Kamele ihr Futter selbst suchen, sich in der Herde erfolgreich gegen jedes Raubtier wehren können und keinerlei Pflege oder Infrastruktur benötigen, sind sie unkompliziert und kostengünstig in der Haltung. Dass sie außerdem ohne großen Aufwand über fast beliebig lange Strecken getrieben werden können und bis zu fünfzig Jahre alt werden, macht sie zu einem beliebten Zahlungsmittel. Tatsächlich spielt der »Kamelkurs« bis heute in einigen Ländern eine bedeutende Rolle. Auch wenn es etwas komisch erscheint, den Preis für eine Braut in »Kamelen« anzugeben und entsprechende Kalkulationsprogramme wie https://kamelrechner.eu nur ein Gag sind, ist es zum Beispiel offizielle Rechtsprechung im Iran, dass Angehörige eines Verkehrstoten mit 100 Kamelen (im Fall einer Frau: 50) entschädigt werden müssen. Faktisch läuft das auf eine Geldzahlung hinaus, wobei der Wert eines Kamels amtlich festgesetzt ist (im Fall des Iran aktuell etwa 500€ pro Tier).

Die Herde macht den Scheich zwar reich, aber für die Nomadenvölker war das Kamel nicht nur Zahlungsmittel, sondern auch Haustier, das ihnen Milch, Fleisch, Leder, Wolle und Dung (als Heizmaterial) lieferte und als Reit- und Lasttier diente. In Israel bot sich seine Haltung weniger an, denn als Wiederkäuer ohne gespaltene Hufe galt es als unreines Tier (3Mo 11,4; 5Mo 14,7), dessen Fleisch nicht gegessen und dessen Milch nicht getrunken werden durfte. Allerdings fielen sie ihnen immer wieder als Kriegsbeute in die Hände, wie bei dem Krieg der zweieinhalb transjordanischen Stämme gegen die benachbarten Nomaden, bei dem die Sieger 50.000 Kamele wegführten (1Chr 5,21). Diese große Zahl ist keine Übertreibung. Zum Besitz des Beduinenstamms der Beni-Sakr, der zur Zeit des britischen Mandats im gleichen Gebiet lebte, zählten sogar 100.000 Kamele. König David hielt seine Kamele unter der Oberaufsicht eines Ismaeliters (1Chr 27,30), der sicher etwas davon verstand. Zu welchem Zweck wissen wir nicht. Wahrscheinlich war es ebenfalls Kriegsbeute (vgl. 1Sam 27,9; 30,17), die er bei Völkern eintauschte, die mehr damit anfangen konnten. Für den Fernhandel des Altertums waren Kamele auf jeden Fall unverzichtbar. Einige Oasen und Rasthöfe (Karawansereien) waren durch so lange Wüstenrouten verbunden, dass sie sich mit keinem anderen Lasttier überwinden ließen. Dabei legte eine Karawane, die tagsüber wanderte und nachts ruhte, in den effektiv zwölf Wegstunden etwa 150 km zurück, wobei ein einzelnes Tier außer seinem Reiter eine durchschnittliche Nutzlast von 250 Kilogramm trug.

stich:fest – Kamele sind »schmerzfrei«, wenn es darum geht, was sich äsen lässt. Sie vertilgen stachel- und dornenbewehrte Zweige und schrecken auch vor den garstigsten Kakteen nicht zurück. Selbst salzige und bittere Pflanzen ziehen sie sich rein, ohne mit der Wimper zu zucken.

trocken:legende

Herausragendes Merkmal der Kamele ist ihre ungewöhnliche Widerstandsfähigkeit. Sie sind sowohl bei klirrender Kälte (bis -25°C) als auch bei extremer Hitze (bis 50°C) noch voll einsatzbereit. Sie überleben bis zu drei Wochen ohne zu trinken und noch viel länger ohne Nahrung. Temperaturschwankungen von bis zu 60°C, wie sie in einigen Wüsten zwischen dem Tageshoch und dem nächtlichen Tief auftreten, verkraften sie ohne Probleme. Sie lassen ihre Körpertemperatur in solchen Frostnächten bis auf 34°C absinken, blicken »ganz cool« der nächsten Tageshitze entgegen und aktivieren ihre Schweißdrüsen erst kurz bevor sich ihr Körper auf mehr als 42°C aufheizt.

Einige anatomische und physiologische Besonderheiten, die den Kamelen diese Leistungen ermöglichen, sind bereits gründlich er forscht worden, andere geben immer noch Rätsel auf. Die auffälligen Höcker sind zwar keine »Wasserspeicher«, aber sie enthalten die Energiereserve in Form von Fett. Wenn dieser Vorrat angezapft wird, setzt der biochemische Prozess der Fettspaltung allerdings Wasser frei, das dem Stoffwechsel zur Verfügung steht und immerhin einen kleinen Beitrag zur Gesamtbilanz leistet. Da Fett außerdem ein schlechter Wärmeleiter ist, schützen die Höcker den Körper als »Außenisolation« vor Hitze und Kälte und spenden zusätzlich noch Schatten.

Um mit wenig Wasser auszukommen, müssen Kamele sehr sparsam damit haushalten. Der Atemluft wird die Feuchtigkeit entzogen, bevor sie hinausdarf. Das funktioniert so gut, dass selbst bei eisiger Kälte keine Atemwolken zu sehen sind. Ihr Urin, von dem sie maximal einen Liter pro Tag ablassen, wird stark aufkonzentriert, und die kastanienähnlichen Kotbällchen plumpsen so trocken zu Boden, dass sie sich noch am gleichen Tag verfeuern lassen. Da sie außerdem erst sehr spät anfangen zu schwitzen, ist ihr Verbrauch in jeder Hinsicht minimal. Auf der anderen Seite sind sie sehr effizient darin, Flüssigkeit aufzunehmen. Solange sie sich von saftigen Grünpflanzen ernähren können, was in den Steppen und Halbwüsten nur in der Regenzeit der Fall ist, brauchen sie gar nicht zu trinken. Dank ihrer besonders leistungsfähigen Nieren können sie vorübergehend auch mit Salzwasser Vorlieb nehmen und sich im Meer bedienen. Wenn nach langer Durststrecke alle Reserven aufgebraucht sind und endlich wieder Wasser zur Verfügung steht, können sie in nur 15 Minuten bis zu 200 Liter in sich hineinsaugen. Es verteilt sich dann innerhalb weniger Stunden in dem ausgetrockneten Körper, der bis zu 35% seines Gewichts verloren hat, und gibt ihm seine alte Fülle zurück.

durst:strecke – Eine Dromedarstute namens »Misery« hält den Weltrekord für den längsten Wüstenritt ohne »Tankstopp«. Im Jahr 1895 machte sich der Landvermesser A. P. Brophy mit ihr auf den Weg ins australische Outback. Wegen ausgetrockneter Wasserstellen musste er 600 Meilen (etwa 970 Kilometer) zurücklegen, ehe er einen rettenden Brunnen erreichte.

Um diese enormen Schwankungen im Wasserhaushalt zu kompensieren, ist auch das Herz-Kreislaufsystem spezialisiert. Die roten Blutkörperchen sind nicht rund, wie die aller anderen Säugetiere, sondern oval. Sie können viel Flüssigkeit aufnehmen und ihr Volumen dabei mehr als verdoppeln. Durch ihre Form halten sie dem Druck stand, ohne zu platzen. Außerdem ändert sich so ihr Durchmesser kaum und sie passen weiterhin durch die feinsten Kapillargefäße. Mit 19 Millionen roter Blutkörperchen pro Mikroliter ist deren Dichte im Blut viermal höher als beim Menschen und die höchste unter allen Säugetieren. Das stellt die Sauerstoffversorgung auch bei dickflüssigem und langsam fließendem Blut sicher. Ganz nebenbei macht diese Besonderheit Kamele auch noch höhentauglich. In den Gebirgen Zentralasiens überwinden sie voll beladen bis zu 5.500 Meter hohe Pässe, während Lamas, Guanakos, Vikunjas und Alpakas, ihre Vettern in Südamerika, das Gleiche in den Anden leisten.

Es ließen sich noch viele weitere Anpassungen hinzufügen:

  • Füße mit breiten Polstern aus Fett und zähem Bindegewebe, die vor Hitze, Kälte, scharfen Steinen und dem Einsinken in Sand, Schnee und weichem Boden schützen (und so besonders sind, dass man die ganze Unterordnung deswegen als »Schwielensohler« klassifiziert)
  • eine seltsam schwankende, langsame, aber sehr energieeffiziente Fortbewegung im »Passgang«
  • eine Nase, die sich aktiv verschließen lässt und das Ersticken in einem Sandsturm verhindert
  • lange, dichte Wimpern, um die scharfsichtigen Augen vor Sand und Staub zu schützen
  • unempfindliche, aber hochbewegliche Lippen, die mit den garstigsten Dornengewächsen fertig werden und das abrupfen, was alle anderen stehengelassen haben; selbst kleinste Blättchen bekommen sie zu fassen Kamele sind Meisterstücke des Schöpfers mit perfektem und für Menschen äußerst nützlichem Design für manche der unwirtlichsten Lebensräume des Planeten

treib:sand

Das sehnliche Verlangen einer ausgedörrten Karawane nach frischem Wasser kann gut nachempfunden werden. Hiob verwendet dieses starke Bild, um seine Hoffnung auf Trost und die bittere Enttäuschung durch seine Freunde zu beschreiben: »Doch meine Freunde verhalten sich mir gegenüber wie ein trügerischer Bach. Erst ist er nur ein Rinnsal, aber im Frühjahr schwillt er zur reißenden Flut an […], doch wenn die heiße Jahreszeit kommt, versickert er, der ganze Bach verdampft in der Hitze. Wenn man das Wasser am nötigsten braucht, kann man am wenigsten damit rechnen. Die Karawanen verlassen ihren Weg, um sich zu erfrischen, doch sie finden nichts zu trinken und kommen in der Wüste um. Voller Hoffnung halten die Karawanen aus Tema und Saba nach ihm Ausschau, doch wenn sie kein Nass finden, werden ihre Hoffnungen zerschlagen. Sie kommen hin und finden nur trockenen Sand. Genauso geht es mir jetzt mit euch …« (Hi 6,15-21 NLÜ).

ent:lastung – »Wie ein Kamel vor seinem Herrn kniet, damit er ihm am Ende des Tages die Last abnimmt, so knie du jeden Abend nieder und lass den Meister dir deine Last abnehmen« (Corrie ten Boom).

tränk:wette

In 1. Mose 24 wird von einer Karawane berichtet, die nach einer langen Reise (von etwa vier Wochen und 750 Kilometern) an einem Brunnen nahe der Stadt Haran, am Rand der Wüste, ankommt. Man kann davon ausgehen, dass die Tiere großen Durst hatten. Bedenkt man nun, dass ein einzelnes Kamel bis zu 200 Liter auf einmal trinken kann, wird klar, dass das Tränken von zehn Tieren mit viel Mühe verbunden ist. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine junge Frau einem fremden Mann diese harte Arbeit aus freien Stücken abnimmt. Genau deswegen erbittet Abrahams Diener dieses eindeutige Zeichen von Gott – und wird erhört.

Die Antwort könnte kaum deutlicher ausfallen. Rebekka »eilt« und leert ihren kad, einen großen Transport- und Vorratskrug, in die Tränke. Dann »läuft« sie wieder zum Brunnen, füllt ihn auf, leert ihn in die Tränke und so weiter. Jedes Mal muss sie zur Quelle herab- und wieder hinaufsteigen und zwischen Brunnen und Tränke hin- und herlaufen, aber sie hört nicht auf, bis alle Tiere genug getrunken haben. Elieser sieht ihr staunend zu und ist sich sicher, mit dieser »Powerfrau« die richtige Partnerin für den Sohn seines Herrn gefunden zu haben.

Die weitere Geschichte bestätigt, dass Rebekka die von Gott bestimmte Braut ist. Am Ende der Reise kann sie es kaum erwarten, ihrem Bräutigam zu begegnen – »sie warf sich vom Kamel herab« (1Mo 24,64 AElb). Statt das Tier in die Hocke gehen zu lassen und würdevoll aus ihrer Sänfte zu steigen, springt sie einfach aus fast drei Meter Höhe hinunter. Für den Bibelleser, der in dieser Szene einen tieferen, bildlichen Sinn entdeckt, ist das ein sehr eindrückliches Detail. Wenn wir in Isaak, dem »Sohn der Verheißung«, der gebunden auf dem Altar lag und wieder herunterstieg und nun der Erbe von allem ist (1Mo 25,5; Jh 3,35), ein Bild von dem Herrn Jesus sehen, und in der Braut, die ihm aus der Fremde zugeführt wird, ein Bild von der Gemeinde (Versammlung, Kirche), sollten wir uns die Frage stellen: Wie groß ist unsere Sehnsucht danach, Ihm zu begegnen? Fiebern wir dem Augenblick entgegen, in dem wir Ihm gegenüberstehen?

kunst:sprung – Der Autor vermisste die Dynamik dieser biblischen Szene in den Bildern der alten Meister, also bekam der OpenAI-Bildgenerator DALL-E 2 den Prompt »beautiful oriental woman jumping down from the back of a camel into the sand« eingefüttert. Es ist bisher noch etwas experimentell, aber derartige Softwareprodukte entwickeln sich rasant weiter. In ein paar Jahren wird es vielleicht ausreichen, anzugeben: »illustriere 1Mo 24,64 fotorealistisch« – um ein »Foto« zu generieren, das aussieht, als ob man danebengestanden hätte.
ki:nterna – Das Bild oben ist von 2022, inzwischen (2025) erstellt ChatGPT schon viel bessere Bilder.

hoch:format

Kamele sind die größten Tiere, die im antiken Nahen Osten vorkamen. Der Herr Jesus verwendet sie deshalb, um »etwas sehr Großes« darzustellen: »Ihr blinden Anführer! Ihr siebt euer Wasser durch, damit ihr nicht aus Versehen eine Mücke verschluckt, und dann verschluckt ihr ein Kamel!« (Mt 23,24 NLÜ). Wie aus dem Zusammenhang hervorgeht, illustriert der Herr mit diesem Vergleich den krassen Gegensatz zwischen der peniblen Gesetzlichkeit der Pharisäer, durch die auch die kleinsten Kleinigkeiten im Leben geregelt waren, und der totalen Verkennung Gottes wahrer Absicht mit seinen guten Geboten.

Heute greifen wir in der Redewendung »aus einer Mücke einen Elefanten machen« auf einen ähnlichen Größenvergleich zu rück. Elefanten und Giraffen sind noch größer als Kamele. Sie kamen zwar nicht wild lebend vor, aber die Römer veranstalteten mit ihnen auch in Israel Zirkusspiele und Tierhetzen. Möglicherweise hatten auch einige Zuhörer des Herrn diese Tiere schon einmal gesehen (obwohl die Spiele selbst mit Götzenopfern verbunden waren und von gesetzestreuen Juden nicht besucht wurden). Aber wie auch heute ein guter Prediger vermeidet, sich in seinen Beispielen auf Hollywood-Filme oder literarische Figuren zu beziehen, die vielen Anwesenden nicht bekannt sind, nimmt auch der Herr nur auf das Bezug, was allen vertraut war.

Auch in diesem Vergleich geht es ausschließlich um die Größe des Kamels: »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme« (Mk 10,25 Lu; vgl. Mt 19,24; Lk 18,25). Obwohl aus dem Zusammenhang deutlich hervorgeht, dass der Herr Jesus mit seinem Vergleich nicht nur eine Schwierigkeit, sondern eine Unmöglichkeit beschreibt, kursiert die Auslegung, dass mit dem »Nadelöhr« ein kleines Tor in der Stadtmauer gemeint gewesen sein könnte, durch das ein Kamel sich nur mühsam hindurchzwängen konnte. Da es auf der einen Seite keinen historischen Beleg dafür gibt, dass diese Bezeichnung jemals für ein entsprechendes Tor oder Ähnliches verwendet worden wäre und auf der anderen Seite in den drei Parallelberichten drei unterschiedliche Bezeichnungen für »Nadelöhr« verwendet werden (und Lukas, der Arzt, sogar von seiner chirurgischen Nadel spricht), ist dies abwegig.

tor:chance – Der Vergleich des Reichen mit dem Kamel im Nadelöhr wird oft als unbequem empfunden. Man hat versucht, ihn umzudeuten, indem man das »Nadelöhr« kurzerhand zu einem Tor erklärt hat, wie auf diesem Sandsteinrelief im Torbogen der St. Bonifatius Kirche in Dortmund zu sehen ist. Eine andere Variante lässt das Nadelöhr stehen und macht aus dem Kamel ein »Schiffstau«, was allerdings an der Aussage des Verses nichts ändert, denn ein Schiffstau passt ebenso wenig durch ein Nadelöhr, wie ein Kamel. Auf die Idee, das Nadelöhr auf die passende Größe zu bringen, kam bisher wohl nur ein Grafiker.
kara:winzlinge – Der britische Künstler Nikolai Aldunin hat sich auf mikroskopisch kleine Werke spezialisiert und bringt gleich eine ganze Karawane in einem Nadelöhr unter,

An der erschrockenen Nachfrage der Jünger: »Wer kann dann überhaupt errettet werden?« (Mk 10,26) wird gerade deutlich, dass ihnen dieses Statement völlig überzogen erscheint, doch der Herr bestätigt es noch einmal: »Menschlich gesehen ist es unmöglich …« – das gilt prinzipiell für jeden Menschen: denn keiner kann durch das, was er hat und leistet, errettet werden. Gott sei Dank (im wahrsten Sinne des Wortes) geht der Vers weiter: »… aber nicht für Gott. Bei Gott ist alles möglich« (Mk 10,27 NLÜ). Gott kann also prinzipiell jeden Menschen erretten, auch den Reichen. Aber Reichtum verführt dazu, auf die eigenen Möglichkeiten zu setzen und ist ein Hindernis bei der Entscheidung, sich Jesus anzuvertrauen. Diese Verse warnen davor, und wir sollten sie nicht relativieren.

Quellennachweis:

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Bildnachweis

Wikipedia: Gefülltes Kamel / So Tasty // Durchhalter / HappyWaldo // Kamel wird abgeladen / Angela N Perryman // Kamel und Torbogen / Mathias Bigge

andere Lizenzen: Hybride Kamel x Lama / Skidmore et al // Kamel und betender Beduine / Carl Ninck // Drei Trampeltiere / shutterstock ID_748823581 / De Visu // Trampeltier in Taklamakanwüste / shutterstock ID_161481236 / Martinez de la Varga // Felszeichnung aus Algerien / shutterstock ID_71144680 / Dmitry Pichugin // Kamelstute wird gemolken / shutterstock ID_792794782 / Kertu // Jugendliche Kamele / shutterstock ID_1480598990 / Occipitalis Creations // Kamelherde mit Hirte auf Kamel / shutterstock ID_783725833 / ImagesofIndia // Kamel frisst Dornen / shutterstock ID_1228671589 / ChWeiss // Kamel karawane / shutterstock ID_1222913206 / BillyH // Kamel und Nadelöhr / shutterstock ID_1727711908 / LeaDigszammal // Karawane im Nadelöhr / ZUMAPRESS.com

Link zum Buch: https://www.daniel-verlag.de/produkt/landlaeufer

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